Vor ziemlich genau 26 Jahren gelang der deutschen Fußballnationalmannschaft etwas, mit dem damals vermutlich die wenigsten gerechnet hatten. Bei der Europameisterschaft 1996 in England wurde dieser zumindest bis vor wenigen Jahren geltende Mythos einer unbesiegbaren deutschen Turniermannschaft untermauert. Auch hat die Turniermannschaft Deutschland gezeigt, wozu ein Team mit limitierten technischen Spielern durch Teamgeist und Einsatzbereitschaft imstande sein kann.Am Ende des Turniers kamen sich die deutschen Fans vor, als hätten sie Eye of Horus Tricks angewandt und dabei einen riesigen Betrag gewonnen. Wer erinnert sich nicht an diese nahezu einmalige Leistung, die Berti Vogts und seine Schützlinge in England gezeigt haben? Werfen wir einen Blick zurück auf ein ganz spezielles Turnier.
Die Situation des DFB-Teams in den 1990er Jahren
Um verstehen zu können, warum dieser Erfolg derart außergewöhnlich, ja geradezu historisch war, muss man sich den Zustand des deutschen Fußballs Anfang und Mitte der 1990er-Jahre vergegenwärtigen. Deutschland gewann die WM 1990 und reiste als Titelverteidiger in die USA zur WM 1994. Dort kam es zu Stefan Effenbergs Stinkefingeraffäre und einem Ausscheiden nach einer trostlosen Leistung gegen den Underdog Bulgarien. Bei der EM 1992 hatte man sich zuvor gegen die Dänen im Finale geschlagen geben müssen, weshalb viele Experten davon überzeugt waren, dass sich Deutschlands Fußball auf dem absteigenden Ast befinden würde. Schließlich verließen nicht nur einige Starspieler wie Lothar Matthäus die Mannschaft, sondern es gab auch in der Qualifikation einige enttäuschende Vorstellungen. Bei einem Heimspiel kam die DFB-Elf etwa nicht über ein 1:1 gegen Wales hinaus und verlor gar 2:3 gegen Bulgarien.
Der Kader für die EM und seine Stärken und Schwächen
Bundestrainer Berti Vogts vertraute nach wie vor den meisten der mittlerweile in die Jahre gekommenen Weltmeistern von 1990. Das Gerüst des Kaders bestand aus Spielern des FC Bayern und von Borussia Dortmund. Von den ganz großen Technikern gab es jedoch mit Ausnahme von Andreas Möller, Thomas Häßler oder Mario Basler nicht mehr allzu viele Spieler. Stattdessen bestand das Gros dieser Mannschaft aus klassischen Kämpfern wie es Trainer Vogts (Spitzname „der Terrier“) selbst einmal einer war. Spieler wie Thomas Helmer, Markus Babbel, Stefan Reuter, Dieter Eilts, Steffen Freund, Thomas Strunz oder Stefan Kuntz waren eher dafür bekannt, dorthin zu gehen, wo es wehtut und einem Gegenspieler buchstäblich den Schneid abzukaufen.
Die Gruppenphase dieser außergewöhnlichen Europameisterschaft in England
Deutschland wurde zusammen mit Russland, Tschechien und dem ewigen Rivalen Italien bei dieser EM in die Gruppe C gelost. Bereits im Eröffnungsspiel gegen Tschechien ereilte die Mannschaft ein Verletzungspech, das sich durch das gesamte Turnier ziehen würde und man in diesem Maße noch nie zuvor gesehen hatte. Zwar wurden die Tschechen mit 2:0 geschlagen, aber mit Kapitän Jürgen Kohler fiel ein nahezu unersetzbarer Spieler für den Rest des Turniers aus.
Im zweiten Spiel dieser Gruppe C gewann Deutschland souverän gegen völlig harmlose Russen mit 3:0. Tschechien besiegte Italien 2:1 und Deutschland genügte ein Unentschieden gegen Italien, um sich den Gruppensieg zu sichern. Matchwinner war Torhüter Andreas Köpke, der einen Foulelfmeter von Gianfranco Zola hielt. Da das Spiel 0:0 ausging und die Tschechen in der letzten Sekunde der Nachspielzeit ein Treffer zum 3:3 Ausgleich gegen Russland gelang, kamen Deutschland und Tschechien weiter, Italien schied hingegen aus.
Das Viertelfinale gegen Kroatien
Im Viertelfinale wartete mit Kroatien das zweitplatzierte Team aus der Gruppe D. Dies wurde eines der körperbetontesten Spiele dieser EM. Kroatien hatte mit Davor Suker, Zvonimir Boban, Igor Stimac und Slaven Bilic einige besonders kampfstarke Spieler im Aufgebot und vom ersten Moment an ging es richtig zur Sache. Jürgen Klinsmann verwandelte in der 20. Minute einen Elfmeter und brachte Deutschland in Führung. In der 38. Minute musste er jedoch verletzt vom Feld und wurde durch Steffen Freund ersetzt. In der Halbzeit musste mit Fredi Bobic ein weiterer verletzter Spieler den Platz verlassen. Für ihn kam Stefan Kuntz in die Partie. Davor Suker gelang in der 51. Minute das Ausgleichstor zum 1:1. Jedoch musste nur fünf Minuten später der bereits verwarnte Igor Stimac frühzeitig zum Duschen, ehe Matthias Sammer das Siegtor zum 2:1 Endstand markierte.
Das Halbfinale gegen England
Beim Aufeinandertreffen zwischen Deutschland und England sprach ganz Europa von einem vorgezogenen Finale. Im altehrwürdigen Wembleystadion lieferten sich die Deutschen und die Engländer eines der denkwürdigsten Duelle in der Geschichte beider Verbände. Nachdem Torjäger Alan Shearer die Three Lions bereits in der 3. Minute in Führung brachte, gelang es dem deutschen Team durch Stefan Kuntz in der 16. Minute auszugleichen. Als es am Ende einer unglaublich spannenden Verlängerung immer noch 1:1 stand, musste das Elfmeterschießen entscheiden und hier war es einmal mehr Torwart Andreas Köpke, welcher dem deutschen Team den Sieg sicherte.
Deutschland trifft im Finale auf Tschechien
Im Finale trafen die Deutschen anschließend wieder auf ihren Gruppengegner Tschechien. Der Außenseiter ging durch Patrik Berger per Elfmeter in Führung. Der eingewechselte Oliver Bierhoff konnte jedoch bereits kurze Zeit später den Ausgleich erzielen. In der Verlängerung war abermals Oliver Bierhoff zur Stelle, diesmal per Golden Goal. Es war vollbracht, Deutschland war Europameister 1996.