Das Folgende geht natürlich völlig am Kern dessen vorbei, was aktuell die Fußballnation beschäftigt. Und eigentlich darf man ausgerechnet hier auch nicht so still sein, wenn endlich der „Dummschwätzer“ seinen Heiligenschein verliert, weil ja das Dummschwätzen an sich viel weniger schlimm war als die Verträge mit Gazprom, die nicht gesehenen Sklaven in Katar und so weiter. Warum macht sich jemand, der eigentlich schon für den Rest seines Lebens ganz oben ist, so angreifbar? Was hat ein dutzendfacher Millionär von noch ein paar weiteren Millionen, die sowieso nichts an seinem Leben ändern? Warum spielt er Spiele mit, nur weil er kann? Vielleicht, weil er einfach genau das ist, was hier immer vermutet wurde: keine Lichtgestalt, sondern ein Leichtgewicht, moralisch. Irgendwie einfältig, borniert in seiner Selbstgewissheit, gleichzeitig natürlich bauernschlau, und nein, man wird hier nicht urteilen über einen, den man nur aus den Medien kennt. Der Froanz.
Das Folgende geht also völlig am Kern vorbei, sicher demnächst noch mal mehr dazu.
Aber eines juckt mir dennoch aktuell in den Fingern und ja, es ist blöd, dass ich mich jetzt auf so ein Detail stürze, noch dazu von einem Unbescholtenen.
Aber fangen wir so an:
Was ist die Hauptstadt von Frankreich?
Und was aßen Sie zu Mittag am 3. Oktober 2015, gerade mal drei Wochen her?
Wie hieß der erste Mensch auf dem Mond?
Und was diskutierten Sie konkret mit Ihrer Mutter im letzten Telefonat?
Harald Stenger zitiert Wolfgang Niersbach als einen, der sich an jedes Detail einer Fußballpartie erinnert und glaubt deshalb, dass er auch sonst alles erinnern müsse.
Das eine ist aber Teil des semantischen Gedächtnisses, das andere Teil des episodischen Gedächtnisses.
Niemand „vergisst“ normalerweise, was die Hauptstadt von Frankreich ist, er oder sie vergisst aber sehr wohl, was er vor drei Wochen am Mittwoch zu Mittag gegessen hat. Oder auch, welches Mittagessen es im Urlaub 2003 in Griechenland an jenem Dienstag gab und was man damals am Tisch diskutierte. Weiß man es noch? Nein, natürlich nicht, und auch nicht, was man zum Kellner gesagt hat oder wie viel Trinkgeld man gegeben hat. („Was war da mit den 80 Cent zu viel – haben Sie den Kellner bestochen?“)
Nur weil sich einer an jedes fußballerische Detail einer WM erinnern kann, heißt das nicht, dass sein episodisches Gedächtnis irgendetwas damit zu tun hat oder annähernd gleich gut wäre.
Harald Stenger liegt hier also falsch, anzunehmen, dass ein gutes semantisches Gedächtnis auch etwas mit dem episodischen Gedächtnis zu tun habe. Ist auch merkwürdig, dass er nicht von selbst drauf kommt, dass das zwei verschiedene Dinge sind. Aber so werden gute Leistungen in einer Kategorie („hat gut Fußball gespielt“) ja auch stets mit Dingen in anderen Kategorien („ist ein guter Mensch“) verwechselt.
Wenn man Niersbach angreifen will, dann sicher nicht über sein gutes semantisches Gedächtnis. Und so unnütz das jetzt auch sein mag: Dass Niersbach nicht weiß, was er wann wo vor 12 Jahren unterschrieben hat – das ist nachvollziehbar, selbst wenn es ein besonderes Ereignis war. Was er getan hat, ist eben Teil des episodischen Gedächtnisses, und nicht des semantischen. Was ihn selbstredend nicht entschuldigt, auch den Froanz nicht.
Aber zwischen semantischem und episodischem Gedächtnis muss man eben unterscheiden.
Zugegeben, über den Unterschied zwischen semantischen und episodischen Gedächtnises in Bezug auf Beckenbauer und Niersbach nachzudenken kann ein Erklärungsansatz sein für die denkwürdige PK letzte Woche und die dann jetzt von unserem Monarchen getätigten Aussagen.
Ich finde es aber ungleich erklärbarer, das der kleine aber feine Unterschied ist, Franz hat nur zugegeben was wohl selbst er mit Heiligenschein nicht mehr abstreiten kann, nicht mehr und nicht weniger. Niersbach hingegen hat sich schlicht zu früh geäußert und wußte nicht was er denn nun eigentlich zugeben sollte um den reuigen Sünder spielen zu können.
Moralisch sind diese Millionärsfunktionäre eh sowas von weltfremd, das könnten genauso gut Außerirdische sein (oder Politiker…)
Aber ebenso wie die Gesellschaft mehr und mehr gen schwarz/weiß abgleitet, wirkt sich das eben auch auf die schönsten Nebensachen der Welt aus. Hier der Fußball, dort dies usw.
Würde doch nur einer wirklich mal mit ner kompletten Story rauskommen, wie und was er so in der Welt der FIFA/UEFA/DFB erlebt hat, wer sagt denn, das er danach nicht als geläuterter Saubermann herauskommt?