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War das der emotionalste Moment Ihrer Karriere?

Als hier ein paar Tage lang Zwangspause herrschte, musste ich mit diesem Anachronismus namens TV vorlieb nehmen, sofern ich nicht Phelps-gleich (200m in knapp 9 Minuten) durchs Becken radelte. Dachte ich eigentlich, die jährlich nun mal unvermeidliche Portion Kerner schon während der Bregenzer Klamauk- und „Life is live“-Festspiele hinter mir zu haben, kam es beim Betrachten von diversen Olympioniken zum Super-GAU: Auch da kernert es ohne Ende. Offensichtlich hatte ich zu viel LSD genommen, blieb darauf hängen und von da an hörte ich in meinem Kopf Stimmen, die immer dieselbe Frage in verschiedenen Variationen stellten, womöglich auch, weil ich genau diese in meiner nicht unbeträchtlichen Lebenszeit schon so und anders unendliche Male beim TV-Fußball gehört habe:

„War das der emotionalste Moment Ihrer Karriere?“
„Welche Emotionen hat man da als (Sieger, Verlierer, armes Kerner-Opfer)?“
„Wie viel Emotion steckt in so einer Medaille?“
„Beschreiben Sie mal Ihre Emotionen!“
„Haben Sie schon mal etwas Emotionaleres als das erlebt?“
„Wie haben Sie Ihre Emotionen ausgelebt?“
„Ist Ihnen rational schon klar, was Sie da geleistet haben, oder nur emotional?“
„Welche Emotionen beherrschen Sie jetzt?“
„Emotional war das sicher das Größte, was Ihnen je passiert ist, oder?“
„Wie waren Ihre Emotionen bei der letzten Kurve/Sprung/Furz/Scherenschlag?“
„Wie kontrollierten Sie Ihre Emotionen bei dieser Anspannung?“
„Wenn man dann da oben auf dem Treppchen steht, was hat man da für Emotionen?“
„Erzählen Sie uns von Ihren Emotionen?“
„Waren Sie schon mal emotional aufgewühlter als heute?“
„Wie werden Sie diese Emotionen in den nächsten Tagen und Wochen verarbeiten?“
„Wann werden Sie diese Emotionen in den nächsten Tagen und Wochen verarbeiten?“
„Werden Sie diese Emotionen in den nächsten Tagen und Wochen verarbeiten?“
„Selten hat man die Emotionen bei Ihnen so deutlich gesehen wie heute!“
„Welche Emotion überwiegt jetzt?“
„Werden Sie diese Emotionen je vergessen?“ und noch mal:
„War das der emotionalste Moment Ihrer Karriere?“

Und ich kann mit Fug und Recht sagen:

Ja, es war der emotionalste Moment meiner Karriere.

Nämlich als ich zwei Stockwerke tiefer schellte, diesen bärtigen Mann um seine Schrotflinte bat, wieder hinaufstiefelte und dem Fernseher mitsamt seinem Kernemotionalen den Garaus machte. So etwas erlebt man nur einmal, so eine Befreiung, so ein Triumph, das werde ich meinen Enkeln noch erzählen, meine ganze Familie hat daheim zugeschaut und als dann draußen auch noch die Nationalhymne Hymne der NRA gespielt wurde, da flossen dann auch bei mir die Tränen.

Dialog zwischen dieser Frau, die nicht Monica Lierhaus ist, und Kerner:

Sie: „Die Turner sind mit der Mannschaft übrigens nur Vierter geworden, ganz knapp an Bronze vorbei.“

Kerner: „Aber sie hatten trotzdem gute Laune?“

Sie: „Ja, sie hatten gute Laune.“

So, zurück zum Fußball, respektive Traufe.

Das mit dem LSD und den Stimmen hat sich erledigt, seit ich abdrückte. Plötzlich verstummten die Stimmen. Die Asche des Fernsehers schwelt noch ein bisschen vor sich hin und stinkt. In ein paar Tagen wird das alles vergessen sein.

13 Kommentare

  1. Lande immer wieder bei Eurosport. Die Kommentatoren da sabbeln zwar auch viel dummes Zeug, aber die interviewen wenigstens niemanden. Ich freu mich schon auf die zweite Runde und die O-Töne von der Leichtathletik. Wenn das völlig ausgepumpte Mädel wieder 1,5 Sekunden nach der Zielankunft mal wieder ganz emotional schildern soll, was ihm gerade im Vorlauf durch den Kopf gegangen ist.

  2. Tobi-Wan Tobi-Wan

    Wenigstens weiß ich jetzt, dass ich mit meiner Kernerphobie auch zu Olympia nicht allein bin. Da ich ja auch emotional leicht beinflußbar bin, habe ich gerade mal zwei Stockwerke tiefer geklingelt und auch nach einer Schrotflinte gefragt. Die gute Frau die öffnete war nach der Frage anscheinend ziemlich emotional verwirrt.

    Aber was solls. Morgen ist zum Glück wieder Bundesliga. Emotionen pur…

  3. Die Sportler wissen, wie sie mit den Emotionen umgehen. 20.000 Kondome in 2 Wochen werden im OLY-Dorf verbraucht…

  4. nedfuller nedfuller

    Wenn Lierhaus, Kerner und der Rest der emotionalen Bande in China weilt, wer macht dann in Old-Germany die Sportschau?
    Oder wird diese ganz Emotional aus Peking ausgestrahlt.

    Na da kommt Freude auf.

  5. Hat nicht der Steinbrecher damals im ZDF Sportstudio die Emotionsfrage ins Spiel gebracht?

  6. kuckuck kuckuck

    „Welche Emotionen beherrschen Sie jetzt?“ – Ich heißer Erwin Lindemann und beherrsche die französische und englische.

  7. Tobi-Wan Tobi-Wan

    @nedfuller:
    Der Delling machts. Emotionalen Beistand leistet heute Mehmet Scholl.

  8. Bøde Bøde

    Wer soll das denn alles lesen???

  9. sternburg sternburg

    Wobei, lieber Schnelli, ausgerechnet hier ich dem Herrn JohanBaptist recht geben muss, denn die dort gestellte Frage war alles andere als stupid.

    Jedenfalls soweit ich das nach den ersten 51 Sekunden des Mitschnitts beurteilen kann. Danach musste ich leider ausschalten, länger ertrage ich dieses ekelhafte, heranwanzende, schleimige und scheininvestigative Art zusammen mit dieser typisch kernerigen sackfreundlichen zwergisch-wichtigtuerischen und pseudopsychologisierenden Stimmmelodie einfach nicht.

  10. Manfred Manfred

    51 Sekunden länger als ich, was nichts heißt, ich dreh immer den Ton ab, wenn irgendeiner dieser Bande das Ma-ääh, den Mund aufmacht.

  11. schnelli schnelli

    Ich glaube kaum das Herr JBK zB. den Ösideutschen Goldgewichtheber mit so einer Impertinenz nach Doping fragen wird, da kommen dann doch nur die Emotionsnummern.
    Und interessant wird der Streifen auch erst später wenn Johnson sich lautstark fragt warum er nur in deutschen Medien ausschließlich nach Doping befragt wird und Kerner im Aplausso-Meter deutlich verliert. Was von seiner Kollegin Hohenstein schweigend aber grinsend begleitet wird.

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