Jedem Politiker stehen kostenlose Karten für die WM zu. Schreibt die FOTO-Zeitung. Jedem? Naja, nicht ganz. Einer erlesenen Auswahl von 79 Ministern, Verfassungsrichtern und Landesministerpräsidenten ist es theoretisch möglich, für jedes der 64 Spiele zwei Freikarten zu bekommen. Für die FOTO-Zeitung ist das ein gefundenes Fressen. So titelt sie groß auf Ihrer Startseite Titelseite, was das doch für ein Skandal wäre.
Da kann ich nur müde lächeln.
Erstens bin ich als Bürger dieser Demokratie sogar durchaus der Meinung, dass es angemessen ist, dass sich Vertreter unserer Republik in den Stadien zeigen. Schließlich sind wir auch der Ausrichter dieser WM, selbst wenn der FIFA-Sepp das anders sieht. Warum also dürfen unsere höchsten Würdenträger sich nicht bei diesen Spielen zeigen? Extra erwähnt wird sogar der Wunsch der Bundesregierung, dass es begrüßenswert sei, wenn bei jedem Spiel mindestens ein Vertreter der Bundesrepublik anwesend sei. Also, von der Bundesregierung wird das erwähnt, von der FOTO-Zeitung natürlich nicht. Außerdem gehen die Karten doch an Funktionsträger und nicht auf gekungeltem Wege an irgendwelche Privatpersonen, die von den Politikern bevorzugt werden. Dieser Sachverhalt ist aber zu kompliziert, als dass es die FOTO-Zeitung ihren Leser erklären würde.
Zweitens reden wir hier über Erdnüsse. 79 Personen können je zwei Karten für insgesamt 64 Spiele erhalten. Selbst wenn wir außer Acht lassen, dass es schon von den Reisezeiten her unmöglich ist, alle 3 Spiele an einem Vorrundenspieltag zu besuchen, reden wir hier im Maximalfall über 10.112 Karten. Das sind 3 Promille aller verfügbaren Karten. Die Hauptsponsoren hingegen erhalten 550.000 Karten, und somit 17 Prozent der Gesamtzahl. Hier regt sich die FOTO-Zeitung aber nicht auf, denn schließlich sind unter den Hauptsponsoren ein paar zahlungskräftige Anzeigenkunden. Von den 347.000 Karten und somit knapp 11 Prozent der Karten, die in das euphemistisch „Hospitality-Programm“ getaufte Kontingent abwandern, ganz zu schweigen. „Hospitality“ bedeutet Gastfreundschaft oder Gastfreundlichkeit. Gemeint sind aber besonders teure Karten für besonders zahlungskräftige Menschen.