Auch wenn man gerne einwenden darf, was es den italienischen Mannschaften aktuell bezogen auf ihre Erfolgsbilanz denn brächte, was sie da täglich üben, gehört man hier nicht zu der Sorte, die sich darüber wundert, dass z. B. die Nationalmannschaft vor der WM 2006 keine Zeit hatte, Freistoß- oder Eckstoßvarianten einzustudieren*, weil sie so viel Zeit dafür aufwenden musste, die taktischen Defizite aufzuholen. Wenn es stimmt, was in der Zeitung steht, wessen man sich nicht sicher sein kann, denn bekanntlich ist nicht alles wahr, was in der Zeitung stimmt.
Bevor ich den FC Bayern verlassen habe, sagte mir Felix Magath: Brazzo, in Italien werden sie dich zur Taktik zwingen. Und so war das auch. Hier wird ganz anders gearbeitet. Taktische Dinge werden täglich trainiert, mal 30 Minuten lang, mal bis zu zwei Stunden. Das war für mich neu.
Man kann es natürlich auch einfach mit Otto Rehhagel halten, dem man nachsagt(e), dass er „im Training immer 8 gegen 8 spielen“ lasse, aber dennoch seine Spiele gewönne, wodurch er u. a. Europameister wurde. Hier ist man trotzdem der Auffassung ja: ganz unpopulistisch dass 2h Training am Tag einfach viel zu wenig sind, egal, wie viel jemand dafür verdient, wenn es sein Beruf ist. Weil die Möglichkeiten, das Spiel zu beeinflussen und den Ablauf zu automatisieren, so groß, man möchte fast sagen: unendlich sind.
Der alte Konflikt der Wissenschaft „Umwelt vs Anlage“ schlägt sich im Fußball wohl im Zwiespalt „System vs Intuition“ nieder. Dass man sich ausgerechnet in jenem Land, in dem man bei Rot nicht über die Fußgängerampel geht und dafür im restlichen Europa ausgelacht wird, eher der Intuition verschreibt, ist nur dann überraschend, wenn man unterschlägt, dass die „Intuition“ immer nur jenen zugestanden wird, die gleichzeitig auch „Führungsspieler“ sind/sein sollen. Ein Konstrukt, bei dessen Nennung spanische Fußballtätige immer aus der Wäsche schauen, als spräche man von Dörfern in Böhmen.
* Dass sie allerdings Zeit hatte, zwanglos durch Berlin zu flanieren, Tischtennis und Kicker zu spielen oder auf dem Zimmer rumzujuxen, steht noch mal auf einem anderen Blatt.
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