Ein wenig spät, dieser Beitrag, ein ganz klein wenig populistisch auch. Ein ganz klein wenig auch davon eingefärbt, dass man hier als Fußballzuschauer im Stadion gerne das Spiel erleben, erfahren und leben möchte, und die x Euronen nicht dafür abgedrückt hat, von sich selbst feiernden Dauergesängen beschallt zu werden, denn sonst wäre man zum Männerchor-Konzert gegangen.
Aber:
Wer ernsthaft glaubt, „der Verein“ zu sein, nur weil er a) manisch zu allen Spielen hinfährt, die dieser Verein irgendwo hat (übrigens beschränkt sich dieses Phänomen nicht auf Fußball allein, es gibt auch durchaus nicht wenige „Fans“, welche einer Band zu allen ihren Konzerten hinterherreisen, so weit das finanziell und von der Entfernung her machbar ist, allerdings schreiben diese Band-Fans den Bands selten vor, wie viele Autogramme sie zu geben haben und welche Songs im jeweiligen Set gespielt werden sollen) und b) ohne jegliches Gespür 90 Minuten lang die gleichen Gesänge singt, gänzlich unabhängig vom Spielstand; wer ernsthaft glaubt, aus diesem seinen befremdlichen Verhalten, welches in der Organisation der Hierarchie der übrigen Teilnehmenden noch dazu äußerst konservativ-militärisch strukturiert zu sein scheint, einen Anspruch auf einen Einfluss innerhalb eines Vereins ableiten zu können, der ist kein „Fan“, der ist kein „Ultra“ oder „Hooltra“ (tolle Wortschöpfung von the one and only Gunter Pilz), der ist vor allem eins:
bescheuert.
Man könnte auch sagen: weltfremd. Vielleicht ist er auch einfach nur jung und ist da zufällig so reingewachsen. Aber ach, der Welt ist er ja gar nicht so fremd. Denn: In den Stadien hat er sich tatsächlich zu so etwas wie einem Staat im Staate heraufgedrangsaliert. Und glaubt jetzt, weil er in seiner Freizeit, wozu ihn niemand gebeten hat, lange Fahnen bastelt, Papierschnipsel (Autist eben) zusammenschneidet, die man dann innerhalb von nur 90 Sekunden in die Luft hält, schmeißt oder sonstwas und vorbei ist der Effekt, dass er einem Fußballverein sagen könne, wo es lang zu gehen habe oder auch nicht.
Und wer dann solche Floskeln benutzt wie (den weinerlichen Unterton bitte dazu denken): „Aber wenn das in Südland (wo auch immer dieses Südland liegen mag) passiert, wird es immer als tolle Atmosphäre abgefeiert, wenn man anderen Menschen mit 1000° heißen Flammen die Beine abfackelt, warum denn hier nicht?“
Wer solch kranker Fan ist, dass er sein Leben einem etwas widmet, das gar nicht existiert, außer in seinen Wahnvorstellungen, der gehört auf die Couch.
Dass das für zig Tausende Fans in Deutschland gilt und nicht nur für die Ultras – geschenkt. Der entscheidende Unterschied zwischen den wenigen, die glauben, der Staat im Staate zu sein, und jenen, die zwar ebenso autistisch sind, aber gewaltfrei, ist, dass Letztere von sich nicht behaupten, der Verein zu sein. Und das hier ist übrigens Napoleon, er hat immer Ausgang zwischen 14h und 16h, dann führt ihn die Schwester im Park herum.
Andere Teil-Aspekte dieser Argumentation, dass z. B. ein Dauergesang ungefähr so spielbeeinflussend und spieler-motivierend ist wie ein 92 Tage lang aufs Wellblechdach prasselnder Monsun, wie das stete Zirpen der Grillen in einer lauen Sommernacht oder wie das Rattern eines D-Zugs auf der Strecke zwischen Warschau und Bordeaux, werden für weitere Beiträge aufgespart, sind aber nicht minder relevant.
Und „Pyrotechnik“ und „Feuerwerkskörper“ findet wohl auch nur jener noch in irgendeiner Form amüsant, dem noch nicht das Trommelfell oder noch mehr im Ohr zerrissen wurde, woraufhin jeglicher Gleichgewichtssinn flöten geht, frag nach bei Georg Koch. Und mit kaputtem Gleichgewichtssinn ist gerne mal ohne Anlass kotzen, weil man nicht mehr gerade stehen noch sehen kann selbst wenn man bereits auf dem Krankenhausbett liegt.
Aber im Südland jenem imaginären Traumland der Ultras gibt es natürlich keine kaputten Gleichgewichtssinne. Abgesehen von den eigenen kaputten Gleichgewichtsinnen in Bezug auf die realen Begebenheiten.
Ein Fußballspiel ist mehr oder minder interessant durch seinen Spielverlauf. Da kann man auf ein paar Fahnen und ein paar Papierschnipsel und ein paar 1000° heiße Flammen verzichten. Denn der Verlauf und vor allem der Ausgang des Spiels entscheiden über die Stimmung. Das allerdings natürlich nur dann, wenn man sich für den Spielverlauf interessiert.
Wir schalten zurück zum Abenteurspielplatz Fußballplatz Krankenhaus Funkhaus.