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Schlagwort: Textilvergehen

Sieben feine Fußball-Podcasts (Folge I)

Das Folgende dient als Service für all jene, welche weiterhin sonntags den Doppelpass oder Ähnliches konsumieren, weil ihnen schlicht keine Alternativen bekannt sind. Dass jedermann weiß, was Podcasts sind, ist hier auch klar.

Als ich letztens zum ersten Mal beim #tkss in Köln weilte, trat ich doch glatt beim draußenstehenden Reden voll ins Fettnäpfchen, auch wenn meine geäußerte Meinung durchaus nichts Verwerfliches an sich hatte. Ich suchte mir allerdings ausgerechnet Klaas Reese von Reessessportkultur aus, um diesem zu entgegnen, dass heutzutage doch niemand mehr Radio höre (in leicht gelangweilt-despektierlichem Ton vorgetragen). Viel zu langsam, lesen sei doch viel schneller.

Einen Mann, der selbst beim Radio arbeitet und einen der besten Podcasts der Republik betreibt, hatte ich damit zu leichter Gegenrede bewogen: aber wenn es gut sei?, fragte er mit der ihm eigenen Höflichkeit.

Gab es noch gutes Radio, nicht nach jedem Wortbeitrag von 2:30min unterbrochen, nicht mit nervtötender Werbung und nicht mit wenig Tiefe? Keine Ahnung, ich war schließlich seit Jahren „im Internet“ und hörte überhaupt keine gesprochenen Wörter in Medien mehr außer jene von Fußballkommentatoren.

Doch wenn Klaas Reese dies als Job betreibt, kann es eigentlich nicht sein, dass das alles so wenig Tiefe besäße wie es bei 1Live zum Mantra erhoben wurde. Und schließlich war ich ja auch selbst zu einem einstündigen Gespräch bei DRadio Wissen gewesen, ebenfalls nicht unterbrochen von Musik.

Es müsste also irgendetwas geben, was sich tatsächlich zu hören lohnte. Allein, zu jener Zeit fehlte noch das im Wochenablauf freizuschaufelnde Zeitfenster, um sich so langsam in das Hinabzubegeben, was immmer mehr Leute mit Sportinteresse im deutschsprachigen Raum zu konsumieren scheinen: Podcasts, ein von der Sendezeit unabhängiges Radio.

Als das dann endlich gelungen war, eröffnete sich eine neue Welt. Nicht immer „von Fans für Fans“, wie sich manche in Betonung ihres Nonprofitums und auch der Parteilichkeit rühmen, oft auch von beeindruckendem Niveau, sowohl inhaltlich als auch in der Machart — und manchmal dann doch ganz herrlich subjektiv.

In den nächsten Tagen werden noch weitere Sparten der Podcasts zu Fußball folgen, heute sind die ersten sieben in nichtwertender Reihenfolge dran, welche alle jeweils über einen bestimmten Verein (oder welche Rechtsform diese Konstrukte auch immer haben mögen) berichten.

Vollraute

Vollraute Podcast Sascha, der jenseits der durch Moers verlaufenden Scheide von Gladbach- und Schalke-Fans lebt und dennoch Fan der Borussia vom Niederrhein wurde, ist hier federführend und hat zwischen einem und vier ständigen Mitstreitern. Überwältigender Detailreichtum bei Ausgaben wie dem Saisonrückblick oder ausführliche Stimmungsbilder von Partien wie jener in Zürich erwarten den Hörer hier.

Natürlich gilt wie bei allen folgenden Podcasts, dass ein Grundinteresse an den Vorgängen rund um den jeweiligen Club vorhanden sein muss. Diese Fülle an Informationen erhält man so kondensiert wohl in keiner normalen Zeitschrift, gleichwohl wird damit auch klar: bei der Vollraute geht’s um das Spiel und das ist ernst. Wer Unterhaltung möchte, kann ja den Doppelpass einschalten.

Vollraute.

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Grünweiß

Grün-Weiß-Stammtisch Ein Podcast über Werder Bremen, mit den selben Vorzügen wie bei der Vollraute. Menschen, die extrem genau verfolgen, was sich rund um den Verein ereignet und noch dazu in mehr als halben Sätzen formulieren können. Diese werden dann schon mal etwas länger, aber genau das will man mit derartigen Werken ja zur Verfügung stellen. Gedanken, die die Abhängigkeit vom jeweiligen Tagesergebnis hinter sich lassen.

Obwohl hier jetzt nicht jeder einzelne Teilnehmer bei den Podcasts genannt werden wird, kennen die meisten sicher auch die ebenso detailreichen Ausführungen von Tobias vom Blog „Meine Saison“. Hier gibt es diese Form der Gedanken dann aufs Ohr und noch dazu im Austausch mit seinen Mitstreitern.

Grünweiß.

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Textilvergehen

Textilvergehen Das Textilvergehen ist Vorreiter in so vielen Dingen gewesen: eine der ersten Frauen mit einem Blog über Fußball, in diesem Fall über Union Berlin, welches auch größere Aufmerksamkeit erlangte. Die darauf folgende Verwebung mit den Zuständigen im Verein, viele Fotos aus dem Innenraum und auch einer der ersten Podcasts, der dann auch langen Atem bewies. Inzwischen ist man bei über 200 Ausgaben angelangt. Natürlich wie bei fast allen Podcasts auch immer gerne mit Gästen vom Gegner oder wie zuletzt mal eine Podcast-Größe aus anderem Metier: Tim Pritlove. Berliner Schnauze macht das Ganze rund.

Textilvergehen.

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Eintracht-Podcast

Der wohl subjektivste der hier vorgestellten Podcasts ist der Eintracht-Podcast. Hier wird gerne mal ganz reinherzig geflucht über Ereignisse aus vergangenen Spielen.

Es ist aber nicht nur Jux und Dollerei, die Macher waren auch schon live auf einer Web-Tage-Bühne in Frankfurt mit ihrem Podcast zu hören. Außerdem gibt’s Verlosungen von Tickets und ähnliches Miteinbeziehen von Hörern und nicht zuletzt — natürlich der Hauptgrund zum Einschalten — eine sehr espritgeladene Runde inklusive ebenfalls — wie beim Textilvergehen — weiblicher Podcasterin.

Eintracht-Podcast.

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Bockcast

Welcher Klub einen Bock in seinem Wappen hat, verrät ja schon das Bild hier links. Immer mehr Leute wechseln vom Bloggen zum Podcasten, so hat auch dieser Betreiber eigentlich lange nur gebloggt, nun gibt es den „Bockcast“ als Ergänzung, Erweiterung, Bereicherung zum Blog.

Inzwischen hat der Macher vom Bockcast sehr häufig Gäste und manches Mal grenzt es dann schon an Comedy, wenn so richtig geschlagfertigt wird. Dennoch nicht zu verwechseln mit dem Doppelpass, der ja nie unterhaltsam war, sondern nur platt. Auch hier nicht zu überhören: da ist jemand leibhaftiger Fan.

Bockcast.

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Rautenradio

Es gab nicht viel zu lachen für die Macher vom Rautenradio in den letzten Jahren. Hier geht es schließlich nicht um jene Raute aus Mönchengladbach, sondern um jene aus Hamburg. Neben den sportlich schweren Zeiten kam dann noch die ungewünschte Ausgliederung hinzu.

Gepodcastet wird aber trotzdem, immerhin hat man dann auch etwas zu diskutieren. Und da der Autor schon in den heiligen Hallen des Aufnahmeortes anwesend war, darf er bezeugen, dass das Rautenradio technisch bestens ausgerüstet ist und zudem neben der gebotenen Ernsthaftigkeit seinen nordischen Humor noch nicht verloren hat, der immer wieder durch die Zwiegespräche blitzt.

Rautenradio.

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Neverkusen-Podcast

Man kann es kaum glauben, aber es existiert tatsächlich ein Podcast über Bayer Leverkusen auf englisch. Host ist hier ein Mann von der Westküste der USA, der neben dem ganzen Neverkusen-Team aus aller Welt und aus Deutschland auch immer mal wieder die eine oder andere Größe virtuell an Land ziehen kann.

Vor Kurzem war Frank Lußem vom kicker als Experte fürs Sportliche zu Gast, dann berichtet auch schon mal @friedaelaine vom Leverkusener Fankongress. Und wer sich nicht davon schrecken lässt, dass es um Bayer Leverkusen geht, der wird auch die Hürde des Englischen nehmen, denn das spricht der Host, ebenso wie übrigens Deutsch, sehr rein und klar. Man will schließlich nicht nur gehört, sondern auch verstanden werden.

Neverkusen-Podcast.

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Sportblogger-Beitrag des Jahres 2010, Vorschlag 6:

Textilvergehen — „Pavel Kuka“

Das Textilvergehen machte letztens eine kurze Pause, weil seine Betreiber dies genauso taten. Da bot es sich an, was unter den Sportbloggern eher selten ist, eine Zeitlang die rege befüllte Seite von anderen Sportbloggern befüllen zu lassen. Dabei gesellten sich bekanntere und weniger bekannte Schreiberlinge, oft auch Kommentatoren des Textilvergehens, zueinander und füllten das Blog mit Texten, meist zu der Frage, wie sie denn einst zum Fußball kamen. Oder auch dazu, wieso sie Textilvergehen lesen, obschon sie niemals in ihrem Leben zum Fußball kamen.

Einer, von dem man weiß, dass er schon lange zum Fußball kam, ist Fred Valin als Gastautor des Beitrags, der da schlicht: Pavel Kuka heißt, der aber mit seiner ersten Zeile schon verrät, dass es eigentlich nicht um Pavel Kuka geht, denn diese lautet:

Der erste Mann, den ich liebte, hieß Pavel Kuka.

Und weiter geht es später mit folgenden Worten:

Man musste einem Verein sein Herz schenken, und möglichst nicht dem FC Bad Saulgau. Fortwährend wurde ich gefragt, was ich denn nun „für einer sei“. Meine Großmutter, die Bairin ist und mich ermächtigt hätte, mit weit mehr Glaubwürdigkeit dem FCB anzuhängen als die meisten Eventfans, die man im Laufe seines dafür viel zu langen Lebens kennenlernen muss leider, lebte in der Pfalz, wo auch mein Onkel aufwuchs lange vor mir. Der hatte dadurch eine Schädigung davongetragen, die ihn glauben ließ, es handle sich bei jenem Essig, den man aus den Weintrauben längs der Mosel keltert, tatsächlich um Wein, Saumagen sei gesund und Lautern ein respektabler Verein. Um die ersten beiden Irrtümer kam ich herum, aber leider antwortete ich einmal, als mir wieder diese Frage gestellt wurde, für wen ich sei, in Gedenken an meinen Onkel: Kaiserslautern.

Ich war damals überhaupt nicht für Kaiserslautern. Ich schaute noch nicht einmal Bundesliga, denn Samstag 15:30 spielten wir selbst meistens, und zur Sportshow saß ich im Sandkasten und tat so, als würde ich Burgen bauen, um nicht gestört zu werden, wenn ich mir in aller Ruhe ein paar Schäufelchen Erde einverleibte. Vermutlich bedingt durch die traumatischen Stunden in irgendwelchen Baumwipfeln, hatte ich eine mystische Beziehung zu all den Dingen, die wir Boden nennen, entwickelt: beinah wäre ich deswegen Geologe geworden. Glücklicherweise hielten mich ein paar andere, schwerwiegendere Traumata davon ab.

Zum Beispiel die Erfahrung, Lauterer zwischen Bayern zu sein. Bisher ein durchschnittlich beliebter Bub, machte mich mein halbherziges Geständnis auf der Stelle zum Leprösen. Sie hingen mir ein Glöckchen um, bauten mir als neue Bleibe eine Laubhütte an der unbefahrensten Zufahrtsstraße und bewarfen mich mit allerlei Obst. Oder bösen, hämischen Worten.

Zwei Möglichkeiten gibt es, auf gruppendynamische Ablehnung zu reagieren: Überassimilation oder Rebellentum. Überassimilation beispielsweise liegt vor, wenn als Türken geborene Deutsche, wohnhaft in Neukölln, die größte Flagge des Landes an ihr Wohnhaus hängen in der Hoffnung, der Rest der Republik würde ihnen mit weniger Ablehnung begegnen, nachdem sie bewiesen haben, dass sie den gleichen schwachsinnigen Unfug sogar noch besser können als ihre völlig verblödeten Mitbürger, die sich Fähnchen ans Auto schnallen und stolz sind, in einem Land zu leben, wo man sich endlich wieder Plastikfähnchen ans Auto schnallen darf. Ja, Leute, so geht Freiheit! Is klar.

Ich hingegen entschied mich für die alternative Variante: ganz so, wie von der Gesellschaft ausgeschlossene Jugendliche der dritten Migrationsgeneration sich rückbesinnen auf die Werte ihrer Urgroßväter, besann ich mich mit doppelter Wut auf die Wahl meines Onkels. Und ganz so, wie jene Jugendliche wegen ihrer Perspektivlosigkeit und der daraus resultierenden Aggressivität immer zu den extremsten Überzeugungen kommen, wurde ich der fanatischste aller Fans, der anhänglichste Anhänger.

Fürs gesamte Werk Pavel Kuka begebe man sich zum Originalbeitrag bei Textilvergehen.

Und diesen muss man schließlich komplett gelesen haben, um am Ende sachlich-fundiert und völlig frei von Emotionen abstimmen zu können. Mit diesem 6. Vorschlag feiert die Vorstellung der Kandidaten für den besten Sportblogger-Beitrag des Jahres 2010 immerhin Bergfest. Die nächsten beiden, man möge selbst ausrechnen, die wie vielten das sein werden, folgen morgen.

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Rostige Schar

Wirklich völlig zufällig – und das bedeutet: wirklich völlig zufällig – fiel ein virtuelles Zusammentreffen mit textilvergehen (Claim: „Hauptsachen. Nebensachen. Anziehsachen.“) auf den gestrigen Tag, an dem Union Berlin an der Wedau gastierte.

Herausgekommen ist das hier, was aber wiederum nichts mit dem Ergebnis vom gestrigen Tag zu tun hat.

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