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Schlagwort: Telefon

Wirklich wichtige Worte

Es gab mal eine Zeit, in der waren Nutzer von Mobiltelefonen nicht besonders beliebt. Sie galten trotz der unbestritten komfortablen Haupteigenschaft von mobilen Telefonen, überall telefonieren zu können, als Aufschneider, als Yuppies, als Möchtegern-Aktienhändler und vor allem als penetrante Zumutung für ihre Umwelt, ausgelöst durch das jederzeit auftretende Geschwätz dieser Personen, auch wenn gerade kein Gesprächspartner physisch anwesend war.

In jener Zeit legten sich neben den Aufschneidern nur die technikaffinsten Menschen ein Mobiltelefon zu, während viele andere den Kauf eines solchen Gerätes nicht nur als sinnlos ablehnten — schließlich hatte man ein Festnetztelefon zu Hause und auf der Arbeit — sondern gar nicht erst in den Ruch kommen wollten, derartige Aufschneiden wollende Anteile in ihrer Persönlichkeit zu haben. Weshalb der deutschlandweite Durchbruch der mobilen Telefonie ein wenig länger auf sich warten ließ.

Viele Mobiltelefon-Verweigerer gaben nur widerwillig ihre ablehnende Haltung auf, als man dann doch irgendwann den nicht geringen Nutzwert eines solchen Telefons erkannte, vor allem aber, als inzwischen immer mehr Leute wie Du und ich diese Dinger kauften, so dass sich das Image des Mobiltelefons wandelte. Wenn es mittlerweile fast jeder besaß, konnten nicht ausschließlich Deppen und Aufschneider unter den Nutzern sein. So dass selbst hartnäckigste Verweigerer — ein dem Autoren bekanntes Exemplar dieser Gattung gab die Mobiltelefonlosigkeit erst vor zwei, drei Jahren auf — irgendwann zur Gruppe der Besitzer eines solchen Apparates gehörten.

Was sich trotz der Wandlung des Images der Mobiltelefone nicht gewandelt hat, ist, dass es abgrundtief nervend sein kann, wenn Menschen in der Öffentlichkeit in einer Lautstärke in ihr Telefon brüllen, dass man zwangsläufig, ob in der Flughafen-Abfertigungshalle, an der Bushaltestelle, im Zug oder sogar einfach in einem Einkaufszentrum, alles mithören muss, was diese Person an Belanglosigkeiten mitzuteilen hat, dem Gesprächspartner, aber auch der Umgebung.

Augen kann man schließen, Ohren leider nicht.

Und da ein jeder solche Situationen kennt, in denen man sich nichts sehnlicher wünschte, als dass Mobiltelefone nie erfunden worden wären, in denen man geneigt ist, die Abschaffung der Selbstjustiz für doch keine so tolle Errungenschaft der Zivilisation zu halten, bedarf es auch nicht viel weiterer Worte, um sich einen allen bekannten Fußballer als besonders anstrengende Variante dieses Typus vorzustellen.

Eine Begegnung, die Sammer so in Erinnerung behalten hat: „Der Abstand war gewaltig. Wir wussten ja zum Beispiel gar nicht, was ein Weißbier ist. Lothar hat mir gezeigt, was im Westen so läuft.“ Und auch, wer in dem Zimmer der Platzhirsche das Sagen und vor allem die Telefonhoheit hat. Nämlich Matthäus, der den Festnetzapparat im Dauerbetrieb nutzte. Man kann sich das gut vorstellen, wie der Lebemann Matthäus mit dem Hörer in der Hand lässig im Bett lümmelt und neben ihm der Ostbürger Sammer aus dem Staunen nicht herauskommt. „Er hat telefoniert wie ein Weltmeister und wichtige Gespräche geführt.“

Die Schwatztasche Matthäus. Schon damals zeigte sich also sein unstillbarer Bedarf, gehört zu werden, und er nervte seine direkte und die telefonisch verbundene Umwelt mit „wichtigen Gesprächen“. Das erstaunt nun wirklich niemanden; und gleichzeitig ist es nicht verwunderlich, dass man so einem mittlerweile am liebsten gar nicht mehr zuhört. Es sei denn, man verkauft Zeitungen mit seinem „wichtigen“ Gefasel darin.

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„Jogi Löw informierte seine Spieler per SMS“

Bliebe die Frage, ob die Zeitungen 1905 auch titelten, dass irgendein Trainer seine Spieler per Telegramm informiert habe, oder dass Helmut Schön 1966 seine Spieler per Telefon informiert habe. Als diese Techniken jeweils noch ziemlich neu nicht bei allen Nachrichtenschreibenden in Fleisch und Blut übergegangen waren.

Ist der Weg der Übermittlung einer Information jetzt schon eine Schlagzeile wert? Oder lässt es vielmehr darauf schließen, dass der oder die Verfasser oder -in einer solchen Sentenz es immer noch nicht glauben können, dass selbst Angestellte des DFB bereits im Jahr 2010 (oder sogar erst 1995) angekommen sind? Gar deshalb, weil sie selbst dort noch nicht so wirklich verweilen?

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