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Schlagwort: Sönke Wortmann

Der Regisseur geht von Bord

DerWesten: Freuen Sie sich, dass am Wochenende die Bundesliga wieder losgeht?

Sönke Wortmann: Ehrlich gesagt: Nein! Ich habe das Interesse an der Bundesliga verloren. Ich finde es so langweilig, wenn immer dieselbe Mannschaft Meister wird.

Fußball schaut er allerdings noch, wie hier zu lesen ist.

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Filmkritik: „Das Wunder von Bern“

Ja, damit ist man sehr, sehr spät dran. Der Film erschien 2003 und hätte eigentlich schon längst mal konsumiert werden müssen. Allerdings gab es zwei Gründe, warum das bislang nicht erfolgte: Erstens kennt man den Ausgang des Turniers ohnehin und nachgestellte Fußballszenen sind nicht unbedingt allzu reizvoll. Zweitens ist es nun mal kein Fußballfilm. Trotzdem taucht er in Wikipedias Liste der Fußballfilme auf, also wurde er dann doch mal probiert.

Was nicht heißt, dass er nicht sehenswert sein könnte, doch die Art, wie hier das Schicksal eines nach über einem Jahrzehnt aus Kriegsgefangenschaft in Russland in einen stark veränderten Alltag zurückkehrenden Familienvaters eingeflochten wird, kratzt doch arg an der Oberfläche. Ein einziger längerer Vortrag seitens seiner Frau macht den zuvor prügelnden, verbitterten und überforderten Protagonisten plötzlich zu einem liebenswerten Vater. Echte Konflikte zeigt der Film ansonsten kaum, so dass manche Szenen wie beliebig aneinander gereiht wirken, ohne Veränderung voranzutreiben.

Da sich der Film nicht mal in den Details rund um die Nationalmannschaft an Fakten hält, sondern die Geschichte des kleinen Sohns jenes Protagonisten als lebendes Maskottchen von Helmut Rahn erfindet, kann man sich auch aus fußball-historischer Sicht das Ansehen sparen. Wieso für die wenigen Szenen, in denen Fußball gespielt wird, unbedingt Kicker mit Oberliga-Erfahrung her mussten, wird auch Wortmanns Geheimnis bleiben, denn diese Szenen tragen nichts Entscheidendes zur Qualität des Films bei.

Welcher an sich schon in unnötiger Hektik erzählt wird, wo ein schwaches Drehbuch die vielleicht nicht unfähigen, aber in hölzerne Dialoge gepressten Schauspieler in diesem Film wenig glänzen lässt. Dass er einige Preise gewann, zeigt wohl vor allem, wie schlecht es um den deutschen Film bestellt ist oder zu jener Zeit war.

Kaum Tiefe bei den Charakteren, so ist das ganze Produkt vielleicht ein nettes Puppenstübchen zum Reingucken, mit viel Liebe zum Detail in der Ausstattung des Jahres 1954, ansonsten aber weder ein Film über Fußball (oder auch nur die Entwicklungen und Dynamiken innerhalb eines Kaders), schon gar keine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema der späten Kriegsrückkehrer. Und nicht mal ein anrührender oder bewegender Streifen, was die Macher wohl selbst spürten, weshalb sie eine ordentliche Portion süßliche Musik an allen Ecken und Enden drüberschütteten.

Prädikat: Für wen ist so ein Film? Für Fußballfans definitiv nicht, aber auch Freunde der Ästhetik der 50er Jahre werden da sicher Besseres kennen. Wirkt eher wie ein Samstagsabends-Fernsehfilm, der es mit den Fakten nicht so genau nehmen will und nur irgendeine rührige Geschichte im „Damals“ zu Bewegtbildern erwecken möchte.

Ein in dieser Form völlig überflüssiger Film, der nicht mal zur reinen Unterhaltung geeignet ist.

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Filmkritik: Trainer!

„Trainer!“ heißt das neueste Werk des Regisseurs Aljoscha Pause, der schon mit „Tom meets Zizou“ zu begeistern wusste (Kritik siehe hier). Es wurde bereits vor einigen Monaten in einer kürzeren TV-Fassung im WDR gesendet. Vor wenigen Tagen zeigte das Metropol-Kino in Düsseldorf die Kinoversion in 136 Minuten Länge. Zusammen mit einer Matinee, zu der einer der Protagonisten des Films, André Schubert, geladen war, ergänzt mit Norbert Meier und 11-Freunde-Mensch Thorsten Schaar, der das Gespräch leitete, bot das einen willkommenen Anlass, diese Bildungslücke in Form des Films „Trainer!“ zu schließen.

Portraitiert werden drei im deutschen Profifußball eher weniger bekannte Trainer: André Schubert, zunächst beim FC St. Pauli, später beurlaubt, Frank Schmidt vom 1. FC Heidenheim sowie Stephan Schmidt beim SC Paderborn, am Ende ebenfalls beurlaubt. Dazu immer wieder Interviewschnipsel mit Jürgen Klopp, Armin Veh, Michael Oenning, Hans Meyer, DFB-Trainer-Ausbilder Frank Wormuth, Thomas Schaaf sowie dem in diesem Film unsagbar grauselig gewandeten Peter Neururer.

Erkenntnis Nr. 1: Trainer fahren allezeit Auto. Ständig zeigt der Film seine drei Protagonisten, wie sie am Steuer durch Landschaften oder Städte kutschieren. Obwohl Gunnar vom Stehblog mich bat, bei der anschließenden Diskussion die Frage zu stellen, ob die Trainertätigkeit tatsächlich zu 70% aus Autofahren bestünde, verzichtete ich darauf.

Denn gleich die erste Aussage von André Schubert im Anschluss an den Film war, dass diese Autofahrten ein dramaturgisches Mittel darstellten, um von Szene zu Szene überzuleiten. Bei 70% Autofahrzeit landet der Film ohnehin nicht, aber es sind deutlich zu viele Szenen, in denen nur gesprochen wird, wo man lieber noch mehr vom Trainingsalltag gesehen hätte. Selbst wenn Autofahren dazu gehört: für welchen Job mit wechselnden Einsatzorten gilt das nicht? Nun denn, diese kleine Schwäche macht den Film ohnehin nicht wirklich schlechter. Denn er geht hautnah an die Arbeit der Trainer heran, beim 1. FC Heidenheim sogar bis ins im Fußball immer noch so Heilige: die Kabine und die Ansprachen vor Anpfiff und in der Halbzeit.

„Wenn du gewinnst, wirst du gefeiert, wenn du verlierst, bist du der Loser. So einfach ist das.“

Frank Schmidt betont es zu Anfang einmal explizit: Dass ihm bewusst ist, wie wenige Menschen in Deutschland diesen Job ausüben können, Profitrainer im Fußball zu sein. Weshalb er ausnahmslos jeden Tag mit großer Freude zur Arbeit gehe. Freude, die im späteren Verlauf des Films nur noch sporadisch auftaucht, wenn alle in Stress gebadet um Punkte und vor allem ihren Job kämpfen müssen. Der nicht ganz unwichtige Faktor des riesigen Geldes, das man hier mit einem reinen Spiel verdient, kommt quasi überhaupt nicht zur Sprache. Und auch wenn den Trainern bewusst ist, dass sie einen Luxusjob ausüben: im Alltag ist davon nicht mehr viel über, denn dann fordert das Rad in Form des Spielplans seinen Tribut an Aufmerksamkeit.

Alle drei Trainer reden ständig vom großen Druck, der unaufhörlich vorhanden sei. Immer nur Stress durch die ganze Saison hindurch. Klar, man kann bei der Arbeit immer noch mehr machen und insbesondere in kleineren Vereinen gibt es schlicht weniger Schultern, auf die die zu erledigenden Aufgaben verteilt werden können.

Alle reden von Druck, außer Armin Veh.

Vielleicht ist seine oft aufreizend daherkommende Distanz zur Arbeit mit seinem Klub aber der richtige Umgang mit dem ständig vorhandenen Stress. Auch mal etwas nicht erledigen können, nicht alles bis zu Ende gedacht haben, dafür aber psychisch frisch zu bleiben. Besonders auskunftsfreudig zeigt sich Armin Veh im Film allerdings nicht, sein meist vom bekannten Grinsen umspielter Mund wahrt auch hier die Distanz und lässt nicht allzu tief ins Innere blicken.

Zu Anfang wird von DFB-Trainerausbilder Frank Wormuth gleich klargestellt: jene Trainer, welche ausschließlich über die Motivation kommen, seien passé, die heutigen Trainer seien alle im Wortsinne Fußballlehrer. Leider zeigt der Film dafür dann aber trotz 136 Minuten Laufzeit viel zu wenig von der täglichen Trainingsarbeit, stattdessen immer wieder diese nervigen Autofahrten. Hier hätte man gerne mehr Details des Trainings gesehen, statt die Trainer über ihre Arbeit reflektieren zu hören. Zumal alle drei nicht auf den Kopf gefallen und zu spannender Reflektion in der Lage sind — am Ende aber doch mit sehr ähnlichen Erkenntnissen bezüglich ihrer Position im Fußball und im Leben aufwarten.

Dafür zeigt der Film sehr anschaulich, wie groß der Einfluss des Zufalls auf die Resultate ist. Bei fast allen erzielten Toren ist noch eine Hand des Torwarts am Ball, der Torwart oder ein Verteidiger begehen einen Fehler oder der Ball wird schlicht abgefälscht. So viel Druck und so viel Zufall — passend in Relation gesetzt.

„In welchem anderen Job gibt es das, dass die Arbeit eines Menschen jeden Tag öffentlich bewertet wird?“

Thomas Schaaf

Auch weitere weniger angenehme Seiten am Trainerleben kommen nicht zu kurz. Meist besitzen die Trainer kaum Einfluss auf die Kaderzusammenstellung. Besonders erschreckend ist aber die große Macht der Boulevardmedien auf die Stimmung rund um den Trainer. Verständlich, dass sich André Schubert im Film nach seiner Entlassung im neuen Job eine Vereinsführung wünscht, die zusammenhält, also Präsident, Manager, Spieler. Selbst der Pressesprecher des FC St. Pauli betont, dass ein Trainer tatsächlich einige Wochen länger im Amt bleibt, wenn die zuständigen Journalisten ihn mögen, der Trainer einen guten Draht zu ihnen aufgebaut hat — was für eine erschreckende Bankrotterklärung des Businesses, die man nicht unbedingt an dieser Stelle des Profifußballs erwartet hätte, beim FC St. Pauli.

Dazu gelingt es allen drei Trainern kaum ein Mal, wirklich abzuschalten. Wobei die Frage nach Henne und Ei hier nicht beantwortet wird: Können sie nicht abschalten, weil der Job es so erfordert? Oder gelingt es ihnen nicht, weil sie nicht die Typen dafür sind? Armin Veh scheint damit keine Probleme zu haben, ebenso wenig wie Hans Meyer, der aber ohnehin nur seine altbekannte Rolle des altväterlichen Erklärbärs spielt, aus der er nicht mehr herauszufinden scheint. Sein Beitrag besteht aus zwei, drei Anekdoten von früher, die insgesamt wenig Erkenntnis ermöglichen (der Trailer unten täuscht da etwas).

Auch wenn sie schließlich auf dem Platz über den Job des Trainers entscheiden, stehen die Spieler im Film eher im Hintergrund. Einzig eine Auseinandersetzung über die Spielauffassung zwischen Deniz Naki und André Schubert findet einigen Raum im Film, schließlich ebenfalls Bestandteil der Trainertätigkeit.

„Ich trainiere später Erste Liga, das ist Fakt.“

Stephan Schmidt

Klar wird aber auch: Der Job als Fußballprofi mit täglichem Training mutet doch extrem langweilig und geistig unterfordernd an. Innerhalb dieses Sports hat sich zudem eine Monokultur an Typen Mensch herausgebildet, die Folge der Professionalisierung zu sein scheint. Alle tragen die gleichen Klamotten, alle leben den selben Stil, alle fahren auch fast die gleichen Autos, haben den selben Teint — ein ein wenig abschreckender Uniformierungsdruck innerhalb einer sehr speziellen Nische, wenn auch fürs Spiel auf dem Platz eher irrelevant.

Oliver Bierhoff selbst ist übrigens an jener Agentur beteiligt, welche André Schubert als Trainer vermarktet, sprich: ihn bei anderen Vereinen positiv präsentiert. Dass es solche Agenturen überhaupt gibt, ist schon ein Aha-Moment. U. a. sind auch Bruno Labbadia und Jürgen Klopp (?) bei dieser Agentur. Unweigerlich tritt der Geruch von Nepotismus in die Nase, wenn Oliver Bierhoff Einfluss darauf nehmen kann, die Spieler welches im Profifußball tätigen Trainers für Auswahlmannschaften nominiert werden, die wiederum gleichzeitig seine Kunden sind. Diese Agenturen präsentieren die Trainer bei Vereinen insbesondere in Zeiten der Abwesenheit einer sportlichen Krise, um den Eindruck kreisender Geier zu vermeiden.

Stephan Schmidt ist ein ebenso interessanter Typ wie der hemdsärmelige Frank Schmidt, stammt aus einem Spandauer „Problembezirk“ und hat etwas Mourinho-für-Trainingsanzugträger-Haftes, strahlt eine Arroganz und Überzeugung aus, die unerschütterlich scheint. Ein ganz schwaches Bild gibt hingegen Rachid Azzouzi bei der Begründung des Rauswurfs von André Schubert ab. Noch schwächeres Verhalten legt Paderborns Präsident Dingsbums beim Rauswurf von Stephan Schmidt an den Tag. Diesen erklärt der Präsident zuerst der Presse … statt seinen Trainer persönlich zu informieren. In beiden Fällen gewinnt der Film hier aber enorm an Authentizität und genau das macht ihn so wertvoll wie einzigartig.

„Wir haben früher oft gar nicht gemerkt, dass der Trainer keine Ahnung hatte.“

Armin Veh

Weiter zeigen alle drei Trainer jene Verbissenheit, die für diesen Job wohl nötig ist, die aber auch stets das Unangenehme, leicht Anwidernde im Fußballsport darstellt: Disziplin, Gehorchen, Disziplin, Chefhörigkeit, Disziplin, der Gruppe dienen, Disziplin. Es ist nun mal ein Mannschaftssport, auch wenn alle drei Trainer betonen, dass sie nicht mehr autoritär wie frühere Trainer vorgehen. Jürgen Klopp erklärt das Funktionieren damit, dass ein Team nun mal einen Entscheider benötige, der die Richtung bestimme und zudem Fußballer es seit dem 4. oder 5. Lebensjahr gewohnt seien, derartigen Anweisungen zu folgen.

Leidenschaft ist überdeutlich bei allen Beteiligten zu erkennen — dass es ihnen Spaß macht, müssen sie aber jedes Mal immer erst explizit aussprechen, damit man es überhaupt bemerkt. Ein wenig scary, aber Arbeit bedeutet eben dann Befriedigung, wenn sie von Erfolg gekrönt ist.

Fazit: Die Dokumentation „Trainer!“ zeigt das Bild eines wirklich verrückten Berufs in vielen Facetten, von denen insbesondere die Arbeit mit den Spielern bislang so noch nicht beleuchtet wurde. Die konkrete Trainingsarbeit kommt etwas zu kurz, dafür sind die Protagonisten wohl ausgewählt. Ein verrückter Beruf ist es, ausgeübt von Menschen, die dafür prädestiniert sein müssen. Ihre Familien und ihr soziales Umfeld werden zumindest von ihnen gefühlt schwer beansprucht, in Form von Abwesenheit nämlich. (Ob dies von den von der Abwesenheit Betroffenen überhaupt genauso empfunden wird, an diese Frage wagte sich der Film allerdings nicht.)

Gut herausgestrichen wird, dass die Trainer am Ende abhängig von den Zufällen des Fußballs, Latte, Pfosten, Platzfehler, etc. und von der örtlichen Medienlandschaft sind. Womit sie am Ende eben doch extrem austauschbar werden, selbst wenn bewiesen ist, dass Trainerwechsel kaum etwas bringen. Erhellende Einblicke in ein Leben, das trotz der Dramatik und der Erfolgserlebnisse geprägt ist von viel Arbeit, die auch auf den zweiten Blick nicht nach Vergnügen aussieht. Ein Trainer ist heute jedenfalls ein Fußballlehrer. Und abzuschalten lernt man wohl erst in späteren Jahren der Karriere, so scheint es. „Trainer!“ spielt den Pass in die Gasse der bislang für Fußballinteressierte unzugänglichen Bereiche. Prädikat „äußerst sehenswert“.

Dazu der Trailer zum Film, der nicht zu viel verspricht:



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