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Schlagwort: Sepp Herberger

Sepp Herberger: Wie ein kleiner König

Helmut Schön wäre heute 100 Jahre alt geworden, das Erste hat dazu eine Doku verfasst, die allerdings wenig Tiefe besitzt, was eben dabei rauskommt, wenn man (u. a.) Sepp Maier und Uwe Seeler befragt. Muss man also nicht gesehen habe, hier dennoch der Link für den Fall der Fälle.

Viel besser kann man da seine Zeit mit einem Auszug aus einer Biografie Sepp Herbergers verbringen, die Jürgen Leinemann verfasste, aus der der Spiegel zitiert. Ein wenig Lesezeit benötigt man, dafür wird man aber mit vielen Details belohnt, auch aus Herbergers Tagebuch, und vor allem einer Einordnung seines Wirkens in den Rahmen der Zeit, welche bekanntlich zu Beginn seiner Tätigkeit eine finstre war.

Hier geht’s zu Sepp Herbergers Biografie und zu Teil II. Wirklich sehr erhellend und auch durchaus die Schwachstelle des Mediums Film aufzeigend. In den 40 Minuten, die die Schön-Doku dauert, hat man den Herberger-Text zwei Mal gelesen und dabei viel mehr über Zusammenhänge und nicht zuletzt den Charakter Herbergers erfahren, als dies in der Doku bezüglich Schön auch nur annähernd der Fall ist.

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Filmkritik: „Das Wunder von Bern“

Ja, damit ist man sehr, sehr spät dran. Der Film erschien 2003 und hätte eigentlich schon längst mal konsumiert werden müssen. Allerdings gab es zwei Gründe, warum das bislang nicht erfolgte: Erstens kennt man den Ausgang des Turniers ohnehin und nachgestellte Fußballszenen sind nicht unbedingt allzu reizvoll. Zweitens ist es nun mal kein Fußballfilm. Trotzdem taucht er in Wikipedias Liste der Fußballfilme auf, also wurde er dann doch mal probiert.

Was nicht heißt, dass er nicht sehenswert sein könnte, doch die Art, wie hier das Schicksal eines nach über einem Jahrzehnt aus Kriegsgefangenschaft in Russland in einen stark veränderten Alltag zurückkehrenden Familienvaters eingeflochten wird, kratzt doch arg an der Oberfläche. Ein einziger längerer Vortrag seitens seiner Frau macht den zuvor prügelnden, verbitterten und überforderten Protagonisten plötzlich zu einem liebenswerten Vater. Echte Konflikte zeigt der Film ansonsten kaum, so dass manche Szenen wie beliebig aneinander gereiht wirken, ohne Veränderung voranzutreiben.

Da sich der Film nicht mal in den Details rund um die Nationalmannschaft an Fakten hält, sondern die Geschichte des kleinen Sohns jenes Protagonisten als lebendes Maskottchen von Helmut Rahn erfindet, kann man sich auch aus fußball-historischer Sicht das Ansehen sparen. Wieso für die wenigen Szenen, in denen Fußball gespielt wird, unbedingt Kicker mit Oberliga-Erfahrung her mussten, wird auch Wortmanns Geheimnis bleiben, denn diese Szenen tragen nichts Entscheidendes zur Qualität des Films bei.

Welcher an sich schon in unnötiger Hektik erzählt wird, wo ein schwaches Drehbuch die vielleicht nicht unfähigen, aber in hölzerne Dialoge gepressten Schauspieler in diesem Film wenig glänzen lässt. Dass er einige Preise gewann, zeigt wohl vor allem, wie schlecht es um den deutschen Film bestellt ist oder zu jener Zeit war.

Kaum Tiefe bei den Charakteren, so ist das ganze Produkt vielleicht ein nettes Puppenstübchen zum Reingucken, mit viel Liebe zum Detail in der Ausstattung des Jahres 1954, ansonsten aber weder ein Film über Fußball (oder auch nur die Entwicklungen und Dynamiken innerhalb eines Kaders), schon gar keine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema der späten Kriegsrückkehrer. Und nicht mal ein anrührender oder bewegender Streifen, was die Macher wohl selbst spürten, weshalb sie eine ordentliche Portion süßliche Musik an allen Ecken und Enden drüberschütteten.

Prädikat: Für wen ist so ein Film? Für Fußballfans definitiv nicht, aber auch Freunde der Ästhetik der 50er Jahre werden da sicher Besseres kennen. Wirkt eher wie ein Samstagsabends-Fernsehfilm, der es mit den Fakten nicht so genau nehmen will und nur irgendeine rührige Geschichte im „Damals“ zu Bewegtbildern erwecken möchte.

Ein in dieser Form völlig überflüssiger Film, der nicht mal zur reinen Unterhaltung geeignet ist.

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Mit Legenden aufräumen: dem Fritz sei Wetter

Der Sommer geht, die ersten Herbstlüfte ziehen auf, der Regen wird häufiger. Apropos Regen. Da gibt es doch etwas im deutschen Fußball mit Regen Verknüpftes, obwohl man Regen eher mit der britischen Insel in Verbindung bringen würde. Regen also …

Mit Legenden aufzuräumen kann weh tun. „11 Freunde müsst ihr sein“ stammt nicht von Sepp Herberger. Das weltberühmte Foto von Maradona gegen 6 Belgier erzählt nicht die Geschichte, die man zu kennen glaubte. Jens Lehmann fuhr nicht mit der Straßenbahn von Leverkusen nach Schalke. Und jetzt bitte festhalten, meine Damen und Herren:

Regen ist nicht dem Fritz sei Wetter.

Denn an jedem Tag ist dem Fritz sei Wetter!

Das zumindest berichtet Paul Lavan, damaliger Radiomensch, im Jahre 1968 in der Publikation „fair play – neue Folge“. Hier glaubte man bislang an die Legende, dass Fritz Walter sich im Kriege Tuberkulose eingefangen habe, deshalb Probleme mit den Atemwegen hatte und ihm Regen oder feuchte Luft nicht in erster Linie wegen der dann nötigen besseren fußballerischen Technik zugute kam, sondern weil er dann besser atmen konnte.

Tatsächlich war dieser Spruch von Sepp Herberger wohl eine Art früher „Running Gag“ in den Reihen des deutschen WM-Kaders für 1954. Denn Paul Lavan beschreibt die Anwendung des Spruches folgendermaßen:

… unser Sepp hatte in seiner verhaltenen Art dieses zitierte Wort immer bei der Hand. Als Selbstberuhigung? Gehört es zu seinem „Führungsprogramm“, das ja auch eine behutsame Stimmungsmache umschließt?

Regnete es in Strömen auf dem Platz in Thun, auf dem trainiert wurde, fragte man: „Na, Sepp?“ – Pause. Dann: „Ha no, s‘isch dem Fritz sei Wetter.“ Ein anderes Mal brach die Sonne hintern den Wolken hervor. Es war heiß und drückend beim ersten Sieg über die Türken. Herberger stand still und beobachtete alles vor dem Spiel. Wir stellten ihn: „Na, Sepp, heiß heute!“ – Pause. Nach einiger Zeit, etwas gedämpft: „Ha no, s‘isch dem Fritz sei Wetter.“ Wie war das doch in Genf windig, Wolkenhimmel und drohender Regen. Die Jugoslawen marschierten, kampf- und siegesentschlossen in die Bahn. „Sepp, der Wind pfeift stark, der Regen droht. Die Jungens sind doch auch bei dem Wetter gewappnet?“ – Pause. Nach längerer Zeit ruhig und still: „Ha no, s‘isch dem Fritz sei Wetter, des hat er gern.“

Da sind wir alle geplättet, die Bundesrepublik in ihren Grundfesten erschüttert und Herberger ein Mann, der — obwohl er auf die Urheberschaft von „11 Freunde müsst ihr sein“ verzichten muss — dann auf andere Art die Geschichte prägt: mit einem ganz frühen Running Gag. Unweigerlich fühlt man sich hier erinnert an jenen einstigen Mitspieler, der stets vor Anpfiff beider Halbzeiten verkündete, dass man nun „auf unserer starken Seite“ spielen werde, ganz egal, ob man nun in Richtung Mekka oder in Richtung Grönland rennen musste.

Ein kleines Mantra, vielleicht auch nur ein Spielchen, nicht zuletzt mit den Journalisten, aber sicher keine Spätfolge von TBC und noch nicht mal besonderes Geschick von Fritz Walter sind also Grundlage dieses doch so ungemein bekannten Ausspruchs im Fußball.

Die Grundfeste der Bundesrepublik wackeln noch ein bisschen, dann fangen sie sich wieder ein.

Alles nur ein Gag.

Besser als andersherum.

(Großer Dank an blavont.)

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Mit Legenden aufräumen: „Elf Freunde müsst ihr sein“

Hatte jemand Zweifel, dass dieses Zitat von Sepp Herberger stammt? Ich nicht.

Doch seit man täglich in diesem Internetdingen rumgucken kann, fällt eigentlich vor allem eins auf: dass nichts stimmt, was man zu wissen glaubt. Egal, welche Nachricht man verfolgt, ist sie doch total verkürzt und vom Autoren mutwillig zurechtgebogen worden. Bei Dokus sammeln sich die handwerklichen Fehler und die Eitelkeit der Autoren steht der Wahrheitsfindung oder zumindest -darstellung im Wege. Statistiken sind zwar fachlich korrekt hergestellt, aber falsch interpretiert worden. Und Zitate, ja, Filmzitate sind gar nie so gefallen, wie man sie gerne tradiert, und alle anderen werden fälschlicherweise Urhebern zugeschrieben, welche sie entweder so nie gesagt haben oder nicht mal annähernd.

Insofern hätte man so langsam eigentlich mal ahnen können, dass natürlich auch die gesammelten Aussprüche zum Fußball in aller Regel nicht von jenen stammen, welchen sie zugesprochen werden.

„Elf Freunde müsst ihr sein“ war also laut Wikipedia, welche sich auf das Buch von den „Populären Fußballirrtümern“ beruft, kein Motto von Reichs- und Bundestrainer Sepp Herberger für seine Mannschaften, sondern stammt aus dem Buch „Fußball. Theorie, Technik, Taktik“, welches Richard Girulatis (interessanter Fußball-Lebenslauf) 1920 veröffentlichte.

Immerhin ein Deutscher, somit bleibt das Zitat in diesem Lande, aber eben nun mal nicht Weltmeistertrainer Sepp Herberger. Welcher an sich ja ohnehin schon ausreichend Wahlsprüche geäußert hatte. Wobei, wenn man sich an die Einleitung erinnert, auch das nicht sicher sein muss.

„Elf Freunde müsst ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen“

Leider widerspricht sich auch der Wiki-Beitrag hier: Genau jene Worte sollen bereits 1903 auf der Viktoria geprangt haben, welche, Kenner wissen das, die frühere Trophäe für die Deutsche Meisterschaft war.

Urheber des Textes war wahrscheinlich der Kunstprofessor, der seinerzeit die „Viktoria“ entworfen hatte.

Ja wat denn nu? Nicht Sepp Herberger, aber auch nicht Richard Girulatis? Wer entwarf denn die „Viktoria“ und ist somit der tatsächliche Urheber des Fußballmottos „Elf Freunde müsst Ihr sein“?

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Endlich Neues zum Dummschwätzer (XV)

Der indirekte-Freistoss bringt es mal wieder ans Tageslicht. Es gibt noch immer Menschen, die den Kaiser, in hiesigen Regionen auch Dummschwätzer genannt, verehren. Manche Menschen verehren den Kaiser so sehr, dass sie sogar eine Webseite zu dessen Ehren online stellen.

Toll finde ich diesen Text zu des Dummschwätzers Leistung als Teamchef der deutschen Nationalmannschaft:

„Von 1986 bis 1990 war der Kaiser Trainer der Deutschen Nationalmannschaft und bis 1996 Trainer beim FC Bayern München. 66 Länderspiele liefen unter seiner Regie. Davon hat die Nationalmannschaft 36 Siege, 17 unentschieden und nur 13 Niederlagen gehabt.“

Lassen wir mal das schlechte Deutsch bei der Formulierung außer Acht, so fragen wir uns, wie man bei einem deutschen Bundestrainer/Teamchef überhaupt zu solch einer Formulierung kommen kann: „nur 13 Niederlagen.“ Also bitte.

Erstens sagt die FAZ doch eindeutig in ihrer Auflistung der Bilanzen der deutschen Bundestrainer, dass der Dummschwätzer nur 12 Spiele verloren hat.

Zweitens hat der Dummschwätzer mit seinen 12 Spielen doch massig Spiele verloren. Relativ gesehen tut sich folgende Rangordnung an Prozent der verlorenen Spiele auf:

1. Erich Ribbeck 33,3%
2. Sepp Herberger 27,5%
3. Dr. Otto Nerz 25,7%
4. Rudi Völler 24,5%
5. Franz Beckenbauer 18,1%
6. Jürgen Klinsmann 17,6%
7. Jupp Derwall 16,4%
8. Helmut Schön 15,1%
9. Berti Vogts 11,8%

Natürlich ist das bei den jeweiligen Epochen und Anzahl der Länderspiele nicht unbedingt vergleichbar, aber Franz Beckenbauer auf Platz 5 von 9 Bundestrainern auch noch mit der Bemerkung „nur 13 Länderspiele“ verloren zu loben, wenn diese Information a) falsch und b) nicht besonders beeindruckend ist, das zeugt doch arg von dem Stil, in welchem ich hier manches Mal die Informationen beuge, damit eine Pointe dabei rauskommt. Schlimm, dass es überhaupt Leute gibt, die ihre freie Zeit damit verbringen, Webseiten nur zum Zwecke der Würdigung des Kaisers online zu stellen.

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Die Kirche im Dorf lassen

Der „zweite“ Torhüter des Weltmeisterkaders von 1954, Heinrich Kwiatkowski, hat ein herrlich entspanntes Verhältnis zu den Überhöhungen, die die Vielzahl der Schreiberlinge zu unserem Lieblingsthema nötig gemacht hat, nur damit auch jeder was Bedeutungsschwangeres zu schreiben hat.

„Wunder gab es vielleicht zu Jesu Zeiten.“

Das gibt er zu Protokoll, wenn er auf das vermeintliche „Wunder von Bern“ angesprochen wird. Und ähnlich sympathisch — ausnahmsweise — kommt Olli Kahn daher, wenn er auf die Frage, ob es eine Krise beim FC Bayern gäbe, zu Zeiten des zweiten Irakkrieges antwortete:

„Eine Krise ist das, was im Irak passiert.“

Allerdings könnte man auch meinen, dass genau das eine Krise ist, was Oliver Kahn nach der Entscheidung in der Torwartfrage der WM 2006 ereilen wird. Ben wirft mir aber des Öfteren zurecht vor, zu viele Dinge in einen „Kessel Buntes“ zu werfen. Deshalb bleiben wir noch ein bißchen bei Heinrich Kwiatkowski.

Dieser bedauernswerte Mann erlebte zwei Weltmeisterschaften, 1954 und 1958, und kam dabei genau 2x zum Einsatz. Sein erstes Spiel war das als gelungener Schachzug gefeierte 3:8 gegen Ungarn, bei dem Sepp Herberger absichtlich nur die Reserveelf aufliefen ließ, um die Ungarn in Sicherheit zu wiegen. Sein zweiter Einsatz war beim 3:6 gegen Frankreich beim Spiel um Platz 3 bei der WM 1958 nach dem gegen Schweden verlorenen Halbfinale, als wiederum nur mit der zweiten Garde gespielt wurde. 2 WM-Spiele, 14 Gegentore. Es gibt wohl kaum einen WM-Torhüter mit einer schlechteren Bilanz.

Ein weiteres Zitat von Heinrich Kwiatkowski, der immerhin mit Borussia Dortmund deutscher Meister wurde und kein schlechter seines Fachs war, lautet:

„Trainer, bitte stellen Sie mich nicht mehr auf.“

Verständlich, nach solch einer Bilanz. Sepp Herberger entsprach diesem Wunsch dann auch. Zeit, dass Olli Kahn einsieht, dass es auch für ihn das Beste wäre.

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