Zur Vergegenwärtigung, welches Fußballwunders die eigenen Augen gestern im WM-Halbfinale zwischen Brasilien und Deutschland Zeuge wurden, hier erstmal ein paar Daten rund ums Spiel. Jaja, Rethy-Karteikärtchen galore, aber nach der so gelungenen Homestory des ZDF gestern über Rethy im Vorfeld des Spiels darf das auch mal sein.
Rethy ist übrigens, wie er freimütig zugab, beim ersten Versuch durch die Führerscheinprüfung gefallen, und den darf man dann nicht liegen lassen: er wusste also zumindest früher nicht immer ganz genau, wo es langgeht. Gestern aber fiel er definitiv nicht negativ auf, war das aus der Sicht der Bewertung des Sportlichen ohnehin unmöglich, so war er noch dazu überwältigt vom Gesehenen wie fast jeder Zuschauer und immer wieder von Zweifeln an seiner Wahrnehmung befallen, so oft wie er dem Zuhörer versicherte, dass der Spielstand real sei.
Hier konnte man es lange Zeit auch nicht glauben und wähnte sich immer wieder auf dem falschen Kanal, auf dem ein Testspiel und kein WM-Halbfinale übertragen würde.
Hin also zu einigen der Höchstleistungen und Rekorde, die dieses Spiel zeugte:
- es war der höchste Sieg in einem WM-Halbfinale aller Zeiten
- es war die erste Heimniederlage Brasiliens in einem Pflichtspiel seit 1975
- noch nie erzielte eine Mannschaft schneller fünf Tore in einem WM-Spiel als die Deutsche in diesem
- es ist der zweithöchste Sieg einer deutschen Mannschaft bei einer WM
- Miroslav Klose erzielte sein 16. WM-Tor und ist damit alleiniger WM-Rekordtorschütze
- noch nie erzielte die deutsche Mannschaft schneller vier Tore in Folge als in diesem Spiel
- Brasilien hatte bei einer WM noch nie höher als 0:3 verloren, 1998 gg Frankreich
- Deutschland erzielte jetzt die meisten WM-Tore aller Teams aller Zeiten
- erst 1x erhielt eine Mannschaft bei einer WM mehr Gegentore in einer Halbzeit als Brasilien mit seinen 5 in der ersten: El Salvador mit 7 gegen Ungarn 1982
- noch nie hat ein Ausrichter einer WM derart hoch verloren
- in der Liste der höchsten Siege/Niederlagen bei einer WM reiht sich das 7:1 auf Platz 11 ein, in einer Liste, in der Brasilien sich nun nur knapp hinter Nordkorea, El Salvador, Zaire oder eben Saudi-Arabien befindet
- noch nie hat ein Torschützenkönig einer vorangegangenen WM beim nachfolgenden Turnier genauso viele Tore wie beim Turnier zuvor erzielt, was Müller mit seinem Tor gelang
- Müllers Tor zum 1:0 war das 2000. Tor für die DFB-Auswahl
- Deutschland ist damit zum 8. Mal im WM-Finale und baut diesen Rekordwert weiter aus
- Deutschland hatte noch nie zuvor ein Tor gegen Brasilien bei einer WM erzielt (bislang zwei Spiele BRD 2002/DDR 1974)
- Deutschland hatte erst einmal zuvor mit mehr als einem Tor Unterschied gegen Brasilien gewonnen (2:0)
- Deutschland erzielte noch nie zuvor 3 Tore in nur 3 Minuten
- noch nie überhaupt verlor Brasilien höher (bisher: 0:6) als in diesem Spiel
Eine Bilanz des Wahnsinns, eine Bilanz des Schreckens aus Sicht des Gastgebers, der ernsthaft gehofft hatte, den Weltmeistertitel ins Visier nehmen zu können.
Wem noch mehr aufgefallen ist oder nachträglich einfällt, der möge gerne ergänzen.
Doch nun zum Spiel.
Denn was alle diese Rekorde, an denen man sich ergötzen kann, darf und soll, trotz allem nicht beinhalten, ist, welch surreales Fußballspiel auf allerallerhöchstem Niveau man gestern zu sehen bekam. Historisch, episch, für viele Medien gar als „ohne Worte“ bewertet. Nun muss man nicht in die Sprach- und Einfallslosigkeit jener Menschen einstimmen. Es war mehr als eine banale Sensation wie man sie in jeder dritten Runde eines Pokalwettbewerbs erlebt, das wäre unzulässig untertrieben. Nicht mal die Vokabel vom „Erdrutsch“ würde es wirklich treffen. Es war eine Singularität, die der Weltfußball noch nie erlebte. Der völlige Untergang nicht irgendeines zufällig ins Halbfinale gespülten Außenseiters, sondern des Rekordweltmeisters und gleichzeitigen WM-Gastgebers, mag er in den letzten Jahren auch auf dem Platz selten überzeugt haben.
„Das Wunder von Belo“ nannte Rethy die Partie in Anlehnung an die stehende Wendung vom „Wunder von Bern“. Während letztere Partie allerdings eine heiß umkämpfte, bis zuletzt hochspannende war, bestand das „Wunder von Belo“ aus dem totalen Zusammenbruch einer der beiden Kontrahenten, wie man einen solchen im Weltfußball in diesem Stadium eines Turniers noch nie erlebt hat. War das 1:5 des amtierenden Weltmeisters Spanien in der Vorrunde gegen die Niederlande schon eine mindestens herzdicke Überraschung, bei der aber von Auflösung Spaniens auf dem Platz angesichts fragwürdiger Entscheidungen und einiger Torwartpatzer nie die Rede sein konnte, so ist das 1:7 des Gastgebers … und hier verließen den Autor dann die Kräfte nach stundenlanger Extase bei gleichzeitigem Zweifel, ob er die Realität verloren habe und mittlerweile in einer Zwischenwelt angekommen wäre.
Deshalb wird dieser Beitrag später vervollständigt. Am Tag nach dem historischen Tag.
Aber bis dahin sei die Frage in den Raum geworfen: fehlt noch ein Rekord, eine Bestleistung in diesem Spiel aller Spiele?
Welches am Ende dann dennoch ziemlich wertlos gewesen sein wird, wenn van Gaal den Weltpokal in den rionesken Nachthimmel recken sollte und nicht der irgendwie Jogi. Surreal war dieses Ereignis dennoch. Die meisten hier beobachten den Fußball, seit sie vor Jahrzehten als Kind angefixt wurden. Wer hätte etwas Vergleichbares schon einmal gesehen?
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