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Schlagwort: Respekt

Der Irrglaube vom „Respekt“

Es muss ein für allemal endlich ausgesprochen und noch viel lieber befolgt werden:

Wer nicht jubelt, nachdem er ein Tor erzielt hat, hat seinen Beruf verfehlt. Es sei denn, er jubelt ohnehin nie, so wie es Mario Balotelli zumindest mal untergeschoben wurde. Dieser jubele nicht, sagte er, da er nur seinen Job erledige, wenn er Tore erziele:

Man muss verstehen, dass Mario Balotelli nach Treffern eigentlich nicht jubelt. „Tore sind mein Job – jubelt denn ein Postbote, wenn er einen Brief einschmeißt?“, hat er einmal rhetorisch gefragt.

Hat sich dann aber auch nicht zu 100% daran gehalten, als er gegen Deutschland traf. Geschenkt.

Dann wären da noch die seltenen Situationen, in denen Spieler mit ihrer Mannschaft zurückliegen und nach gelugenem Treffer nicht wie wild durchs Stadion hüpfen, sondern sich sofort den Ball aus dem Netz holen und ihn auf den Mittelpunkt legen. Diese beiden Fälle, per se niemals jubeln oder zu busy mit dem Rückstandaufholen, sind entschuldigt.

Alle anderen sollen gefälligst jubeln, egal, ob es gegen die eigene Oma geht, gegen den früheren E-Jugendverein, gegen die Zockerfreunde von abends oder auch gegen den eigenen Zwillingsbruder. Es ist schließlich nur ein Spiel und der Sinn des Ganzen besteht darin, ein Tor mehr zu erzielen als der Gegner. Die Zuschauer kommen, weil sie erwarten, dass die Spieler dies ernst nehmen. Insofern ist es kein Zeichen von „Respekt“, wenn ein Spieler nach einem Tor nicht jubelt, sondern von Respektlosigkeit. Dem Zuschauer, vor allem aber dem Spiel selbst gegenüber. Und in letzter Konsequenz auch demjenigen gegenüber, aus dessen vermeintlichem Schutz heraus man nicht jubelt. Anzunehmen, er oder sie könne sich davon beleidigt oder verletzt fühlen, dass jemand so etwas Profanes tut wie ein Tor gegen ihn oder sie zu erzielen. Würde er dann überhaupt antreten?

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kicker, the psychotic Sportmagazin

Well, nicht ganz psychotic, eher psychological, aber wer Letzteres ist, kennt sich meist mit Ersterem ja auch ganz gut aus.

Der kicker Sportmagazin wird 90. Weshalb er in seiner aktuellen Printausgabe 90 meist minder interessante Fakten zu seiner Geschichte und auch aktuelle Mediadaten veröffentlicht. Und ein paar der deutschen Fußballlegenden zu Lobhudelei kommen lässt, wobei dann natürlich äußerst kreative Aussagen herauskommen („Der kicker ist für mich …“ Philipp Lahm: “ … in Deutschland das Fachmagazin des Fußballs.“), für die man nicht mal den Rechner anmachen würde, wenn man Print denn auf dem Rechner lesen müsste.

Siedend heiße Information Nr. 80 von den wie gesagt 90 Fakten rund um den kicker Sportmagazin lautet:

Private Verfehlungen finden im kicker keine Erwähnung. Es sei denn, sie hätten Auswirkungen auf den sportlichen Bereich.

Das ist faszinierend. An anderer Stelle berichtet der kicker (Sportmagazin?), wie viele Redakteure im Printbereich, wie viele Redakteure Online, wie viele Grafiker und wie viele Lektoren für ihn tätig sind.

Nur wie viele Psychologen er beschäftigt, das wird leider nicht verraten.

Man würde eigentlich mit gesundem Menschenverstand annehmen: Um einschätzen zu können, welche privaten Verfehlungen einen und welche keinen Einfluss auf den sportlichen Bereich haben, sollte man doch schon Mann oder Frau vom Fach sein.

Man muss gar nicht so weit gehen und auf John-Terry’sche Verwicklungen mit Partnerinnen oder Ex-Partnerinnen von Mannschaftskollegen verweisen, die selbstredend keinen Einfluss auf das Mannschaftsgefüge haben. Auch Dinge wie längere Partyfeiereien trotz Niederlage von nur Teilen des Kaders wirken sich nicht sportlich aus. Oder abgetretene Rückspiegel mit folgender Verhandlung, zumindest Vorladung haben sicher keinen Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit, Konzentration und den psychischen Status eines Betroffenen. Wettschulden zum Beispiel sind auch nur eine private Verfehlung, die den jeweiligen nicht anfällig für Spielmanipulationen machen. Eine unglückliche Ehefrau — oder wie im Falle Wolfsburg: Ehefrauen, die erst gar nicht in diese Stadt ziehen wollen — bleiben selbstverständlich auswirkungslos in Fragen der Performance eines Spielers oder gar Zusammenstellung eines Kaders.

Auf der Garagenauffahrt zusammengetretene Betrunkene hemmen nicht die Leistungsfähigkeit, sondern steigern sie wahrscheinlich noch. Bauherren-Modelle aus den 1980ern mit eingebautem Totalverlust des Vermögens, welche zum Beispiel Ewald Lienen dazu zwangen, im biblischen Alter von fast-Mirko-Votava noch selbst auf dem Platz zu stehen, moderieren sicher nicht die Motivation eines Spielers, der eigentlich gerne schon längst nur noch daheim auf dem Sofa säße. Dass ein Trainer, wie alle im Team außer der gehörnten (sagt man das auch bei Frauen?) Ehefrau wissen, eine Geliebte hat, kratzt natürlich nicht an seiner Reputation innerhalb des Teams.

Wir sehen: Es war ein Irrglaube, anzunehmen, dass man einen Psychologen benötigte, um einzuschätzen, welche privaten Verfehlungen einen Einfluss auf den sportlichen Bereich haben:

Natürlich hat überhaupt keine private Verfehlung einen Einfluss auf den sportlichen Bereich. Denn sonst: Würde sie ja im kicker Sportmagazin erwähnt werden.

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Dr. Helmut Kohl bleibt im Amt

Es fällt ja an der Laientastatur immer sehr schwer, einzuordnen, was man an dieser und jener Stelle liest.

In diesem Falle ganz besonders, weil man aus der Ferne gar nicht ahnen kann, wer welche Interessen hat, haben könnte, alte Seilschaften oder auch einfach nur die Freikarten für den Rest der Familie oder gar deren zukünftige Mitglieder pflegen möchte. Das gilt eben auch für jene, die davon berichten, genauso wie für das Folgende: Oder aber: Wer vor 34 Elefantenjahren mal bei einer Sitzung oder einem Interview dem Dr. widersprochen haben könnte und deshalb in Ungnade gefallen war, es nur noch nicht ahnte. Was ein Elefantenhirn samt zugehörigem Wesen früher oder später selbstverständlich heimzahlen würde.

Insofern fiel und fällt es auch weiterhin schwer, einzuordnen, was die vielen Stimmen, die einem gewissen Dr. Helmut Kohl eine gewisse Jähzornigkeit und nach Jahren im Amt auch eine Verquickung der Wahrnehmung der eigenen Person mit der Funktion dieses Amtes vorwerfen.

Nun aber, da das folgende Zitat nach der gestrigen, ähem, Elefentenrunde öffentlich geworden ist, bleiben wohl doch keine diskutablen Sachverhalte mehr ambivalent:

„Die 6,3 Millionen Bürger der BRD brauchen keinen Präsidenten, der alles richtig macht, sondern sie brauchen einen, der Respekt und Anerkennung genießt.“

Offensichtlich sind dem guten Dr. Helmut Kohl da doch ein paar Personalpronomen durcheinandergeraten. Wo „sie“ steht, war eigentlich „er“ gemeint, was sich aber durch Übermittlungsfehler via des atombombensicheren Regierungsbunkers in der Eifel erklären lassen dürfte.

Jetzt, da wir wissen, dass die meisten Stimmen, die man bislang nur hinter vorgehaltener Bunkertür vernehmen konnte, Recht hatten, können wir ganz beruhigt schlafen.

Denn jetzt ist es offziell verkündet:

Wichtig ist nicht, das Richtige zu tun, sondern Respekt und Anerkennung zu genießen.

Wobei klar ist, dass die Anerkennung nur dem Amt zuteil wird, welches man mit solcher Denkweise nicht verdient, der Respekt hingegen ohnehin flöten geht, wenn man so argumentiert.

In der Eifel geht die Welt zugrunde.

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