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Schlagwort: Patrick Battiston

Fred schreibt „Zidane schweigt“

Zidane schweigt Wie passend, dass die Menschen in Basel am Wochenende erzählten, dass man sich in der Deutschschweiz natürlich für die deutsche Bundesliga interessiere. In der Welschschweiz werde hingegen hauptsächlich über die Ligue 1 berichtet; der Blick wandere dorthin, wo man keine Sprachbarriere empfindet.

Dabei fällt auf, dass von allen großen Ligen die französische auch hierzulande am wenigsten Beachtung findet, obwohl sicher mehr Menschen des Französischen mächtig sind als des Spanischen oder Italienischen. Die Wahrnehmung des französischen Fußballs besteht eigentlich nur aus jener der Nationalmannschaft. Deren Stars kennt man, deren immer wieder obskur agierende Trainer ebenso. Allerdings bleibt das Verständnis des Umgangs der Franzosen mit ihrer Équipe Tricolore hart an der Oberfläche, selbst wenn die Grundzüge der Problematik der mal als gelungen, mal als gescheitert bezeichneten Integration (nicht allein im Fußball) bekannt sind.

Da trifft es sich hervorragend, dass jemand viel tiefere Betrachtungen zu diesem Thema anstellt, als man sie sonst irgendwo fand; noch dazu jemand, der selbst dem Fußball empathisch gegenüber steht und zudem die Kunst beherrscht, diese Betrachtungen in lesenswerter Sprache zu servieren. Fred Valin, seines Zeichens als Franzose auch Anhänger dieser Mannschaft, ist gemeint, der vor einigen Monden das Werk „Zidane schweigt“ ablieferte. (Untertitel: Die Équipe Tricolore, der Aufstieg des Front National und die Spaltung der französischen Gesellschaft.) Welches auf der Rückfahrt aus Basel noch einmal konsumiert wurde, mit zunehmendem Genuss und eben solchem Erkenntnisgewinn.

„Zidane schweigt“ verwebt die Entwicklung der französischen Nationalmannschaft mit jener der französischen Gesellschaft und hier zuvorderst mit dem Aufkommen des Front National. Ein Phänomen, wie man lernt, welches noch Mitte der 1970er ein kaum wahrnehmbares Becken für Spinner vom Rand darstellte. Die Zeiten haben sich bekanntlich geändert, wie Valin entlang der Auftritte der Franzosen bei den diversen großen Turnieren, aber vor allem dem folgenden Echo in Frankreichs Gesellschaft und Politik nachzeichnet.

Und während Zidane tatsächlich mehrheitlich schweigt und der große Dirk Gieselmann klagt, dass Fußballer ohnehin nichts zu erzählen hätten, schreibt Valin auf, was das alles bedeutet und wie es sich entwickelte. Nahezu perfekt lektoriert, durchaus erwähnenswert, gehen hier Erhellung und literarischer Gaumenschmaus Hand in Hand. Vom Scheitern der Sozialisten in Frankreich, von Mitterand bis zum die Banlieues kärchern wollenden Sarkozy, von Algerien über den Tausendsassa Tapie bis zu Marine Le Pen; ebenso von Battiston über den 1985 bis zur Unerträglichkeit ignoranten Platini bis zum immer noch nicht erwachsenen Ribéry und — natürlich — dem Fiasko von Knysna geht die Reise, mit allen nötigen Zwischenstationen.

Wer in knappem Umfang wissen will, wie die Nachbarn westlich des Rheins seit dem Krieg zu dem wurden, was sie sind, und ebenso den Fußball als Spiegelbild der Gesellschaft vesteht, kommt an diesem nur als e-Book erhältlichen Werk nicht vorbei. Und wer formidabel eloquent lesen möchte, was Zidane auf dem Platz eigentlich darstellte, was Henrys Handeln bedeutete und wieso Vieira des Urhebers liebstes Kind ist, ebenso wenig.

Kleine Kostproben:

„Thierry Henry spielt Fußball wie ein idealer Gastgeber eine Abendgesellschaft führt: Alles, was er tut, wirkt leicht und mühelos, dabei aber immerzu überraschend.“

„[Zidane] ist das wortlose Zentrum der Erzählungen, eine Hemingway-Figur. Es sind die Anderen, die viele Worte um ihn machen.“

„Die französischen Medien sind nicht in der Lage, diese Vielfalt […] abzubilden. Stattdessen bleiben sie den binären Konstruktionen verhaftet. Es wird dieses eine Feindbild aller herausgeschält: junger Mann mit Migrationshintergrund.“

Aber man möge sich dennoch nicht täuschen (lassen). Denn es ist beileibe kein Buch über Fußball, nicht isoliert, sondern eines über ein in dieser Form hier nahezu unbekanntes Frankreich und nicht zuletzt über die Gegenwart in Europa.

Anders als hier, wo der Blick gelegentlich nach Benelux schweift, ist übrigens heinzkamke dem französischen Fußball, zumindest aber Frankreich schon länger ein wenig zugewandt, weshalb man auch seine Worte zu „Zidane schweigt“ konsumieren kann. Besser aber gleich das ganze, recht kurze Buch, das dennoch so vor Fakten, feinen Flanken, Gedanken und Einordnungen strotzt wie sonst eben nur das Spiel von Zidane voller Aha-Momente für Zuschauer und Gegner war. Das heißt, wenn das bei Zidane nicht doch alles nur Projektion durch die Betrachter war. Aber auch darüber lernt man etwas in

„Zidane schweigt“.

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Das Toni-Schumacher-Lied von „Knochenfabrik“

Wahrscheinlich existieren „da draußen“ eine Menge Lieder über Fußballer, die nie jemand gehört hat und auch nie jemand jemals hören wird, weil die Bands, die sie singen, lokal zu begrenzt bekannt sind. Das selbe Schicksal wäre wohl auch diesem famos getexteten Toni-Schumacher-Lied widerfahren, hätten es nicht die Jungs von der bekannten Deutschpunkband „Knochenfabrik“ geschrieben. Nein, ich hab auch noch nie von der Band gehört.

Interessanterweise beschäftigt sich das Lied aber weder mit Schumachers Buch „Anpfiff“ noch mit seinem Foul an, gähn, Patrick Battiston, sondern mit seiner Zeit beim FC Bayern München, als Schumacher ausgerechnet in der Katastrophensaison 1991/1992 für den verletzten (?) Raimond Aumann ins Tor gestellt wurde.

Durchaus ein besonderer Vorgang der Bundesliga-Historie, denn Toni Schumacher war als Kölner Urgestein damals noch etwas erzfeindiger für den FC Bayern als heute. Der FC Bayern war in Tonis Hochzeit Ende der 1970er und Anfang der 1980er schließlich keineswegs so auf die Meisterschaft abonniert wie noch Anfang bis Mitte der 1970er — und einer der größten Rivalen des FC Bayern damals war nun mal der Double-Gewinner von 1978, der 1. FC Köln. Zudem war es, wie im Lied ja auch besungen, die bis heute größte sportliche Krise des FC Bayern in der Bundesliga.

Deshalb ein Hoch auf die Band Knochenfabrik, die diesem besonderen Moment der Bundesligahistorie das folgende schöne Liedchen widmet. Und, total cleverer Marketingtrick, übrigens jedes Jahr behauptet, dass sie dieses Jahr nun wirklich ihre letzten Konzerte überhaupt geben werden.



Achso, „Knochenfabrik“ stammen natürlich aus Köln. Und „Anpfiff“ kommt doch drin vor.

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Alle EM-Gewinner-Spieler als Karikaturen

[photopress:fussballspieler_karikaturen.jpg,full,alignleft]Es ist nie zu spät, sich gelungene Karikaturen aller bisherigen EM-Gewinner anzusehen. Auf der UEFA-Seite zur EM 2008 gibt es diese. Mir gefallen die aus dem Urlaub geholten Dänen am besten, aber auch die Russen Sowjets von 1960 wissen zu gefallen. Alle dabei, Otto Rehhagel, Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und sein Intimus Jürgen Klinsmann, Horst Hrubesch, Matthias Sammer, Berti Vogts, Klaus Allofs und ja, auch Jupp Heynckes. Offensichtlich bringt es einen im deutschen Fußball recht weit, mal eine Europameisterschaft gewonnen zu haben. Gerne hätte ich allerdings alle deutschen Spieler im Stile der Spanier von 1964 gesehen.

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