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Schlagwort: London

London klarer Sieger in Dortmund

Dortmund. Im recht jungen Stadion „Konzerthaus Dortmund“ trug London gestern ein Gastspiel aus — und siegte am Ende klar und verdient. Standing Ovations vom Dortmunder Publikum, nachdem noch vor der Pause ein holländisches Ausnahmetalent einen klaren Vorsprung herausgespielt hatte. Trotzdem wurde es zum Finale der Begegnung noch mal spannend.

London, das war weder der FC Arsenal noch der FC Chelsea, auch nicht der FC Wimbledon oder West Ham United, sondern das London Philharmonia Orchestra. Anstoß bei dieser einzigen Partie am gestrigen Sonntag war gegen Abend, vor nicht ganz ausverkauften Rängen im futuristisch gestalteten Konzerthaus Dortmund, das wahlweise an einen Hangar auf dem Todesstern oder aufgrund seiner steilen Ränge an eine Arena römischer Machart erinnert.

Merkwürdiger Umstand beim Coaching der Partie: der Trainer der Londoner stellte sich direkt vor seinen Schützlingen auf und gab unablässig Anweisungen, Gesten, Hilfestellungen und Hinweise. Sicher war er der Mann mit dem größten Kalorienverbrauch an diesem Abend. Nicht zu übersehen — er liebt seinen Sport und geht darin auf. Ebenso merkwürdig, dabei ist Fußball doch ein Fehlerspiel: Seinem international zusammengesetzten Team unterlief kein einziger Fehlpass in den über 90 Minuten. Solch ein Profitum hat man selten erlebt.

Doch der Reihe nach: Zunächst hatte einer der Experten der Dortmunder Gastgeber in der Pressekonferenz vor dem Spiel die Marschroute für den Abend erklärt, gar ausgeführt, in welchen Zuständen die jeweiligen Urheber der Strategie sich beim Verfassen dieser befanden. Mit so viel Hintergrundwissen ausgestattet, angenehm eloquent präsentiert, kann sonst kaum eine Pressekonferenz glänzen. Dementsprechend war auch das Dortmunder Publikum äußerst vorfreudig, was es nach Anpfiff erwarten würde und strömte ein leichtes, warmes Flirren verbreitend, in die Arena, welche vor Öffnung der Tore noch aussah wie im Bild unten rechts. Lockere Einlasskontrollen, feinstes Catering, doch der Höhepunkt stand ja noch bevor.

Wie so oft bei solchen Partien: Die ersten Sekunden sind gleich entscheidend, um ein Gefühl für den weiteren Verlauf des Abends zu bekommen. Das gilt normalerweise für Zuschauer wie Spieler gleichermaßen, hier darf man davon ausgehen, dass es nur für die Zuschauer galt. Und die Londoner hatten einen glänzenden Start erwischt, gleich nach wenigen gespielten Momenten war das Publikum in ihren Bann gezogen.

Nach dem ersten Drittel der ersten Hälfte brachte der finnische Starcoach der Londoner dann ein hochdekoriertes holländisches Ausnahmetalent auf den Platz, welches keine Zweifel mehr am Ausgang des Abends aufkommen ließ. Das mag auch am vorzüglichen Equipment gelegen haben, das dieser Star nutzte. Eine Barrere-Stradivarius von Antonio Stradivari aus dem Jahr 1725, trotz ihres hohen Alters offensichtlich der Konkurrenz technisch um Längen voraus, erfreute die Sinne des Publikums.

Zur Halbzeit bereits tosender Applaus für die vielen Treffer ins Gemüt des Publikums, Blumen wurden gar überreicht, während der Star hinter den Kulissen zu Protokoll gab, mit Mentalcoach Prokofiew stets gut zusammenzuarbeiten und darin einen der Gründe für den nun schon lange anhaltenden Erfolg zu sehen. Mittlerweile war der Vorsprung so groß, dass der finnische Trainer das in leuchtendem rot gedresste Ausnahmetalent gefahrlos für die nächsten Partien schonen konnte.

Wie sich nach der Pause zeigte, tat das dem Spielfluss der Londoner keinen Abbruch, die nun die von Hector Berlioz ausgearbeitete Strategie perfekt umsetzten. Wäre man durch Filmmusiken in seiner Phantasie nicht so verdorben worden, wären beim Zuschauer vielleicht andere Bilder entstanden als jene von über bedrohliche See fahrenden Piraten, von Horden von Orks, die Türme und Schlösser belagern, von romantischem Kitsch mit enttäuschten Liebschaften, die für einen von beiden Beteiligten auf dem Grunde eines Sees enden oder von zwischenmenschlichem Furor, der ebenso selten ein gutes Ende nimmt.

Die von den Akteuren ins Hirn gezauberten Bilder nahmen jedenfalls beständig an Tempo und Intensität auf, wozu nicht zuletzt die voll besetzte Bank der Londoner beitrug. Ständig konnten Spieler mit Oboe, mit Saxophon, mit Tuba, Kontrabass, Fagott auf dem Feld beliebig hin und hergewechselt werden. Anders als üblich verunsicherten die vielen Rochaden allerdings keinen der Beteiligten, im Gegenteil wurde die Schönheit des Spiels dadurch noch betont.

All die Geschichten erzählten die Londoner nun jedenfalls in fluider Sprache, welche im Fußball bekanntlich ohne Worte auskommt und glücklicherweise international verstanden wird, ohne dass eine einzige Vokabel fallen muss. Zum Finale furioso schließlich waren alle Zuschauer so gebannt, dass der ältere, rundliche Herr neben dem Reporter Ihrer Wahl noch im Moment des Schlusspfiffs laut „Wow!“ rufend aufsprang und begeistert jubelte, woraufhin es ihm der Großteil des Dortmunder Publikums gleichtat und den Londoner Gästen die verdienten Standing Ovations kredenzte. Ein vorzüglicher Abend und gelungene Werbung für den Fußballsport.

Nur Verlierer gab es komischerweise keine bei diesem deutlichen Sieg des so hochkarätigen Teams aus London.

Daten zum Spiel:

1. Halbzeit

Brett Dean (1961)
„Testament“ für Orchester (2008)

Sergej Prokofiew (1891-1953)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-moll op. 63 (1965)
Allegro moderato
Andante assai – Allegretto
Allegro ben marcato

2. Halbzeit

Hector Berlioz (1803-1869)
„Symphonie fantastique“ op. 14 (1830)
„Épisode de la vie d‘un artiste“
Rêveries — Passsions. Largo — Allegro agitato e appassionata assai
Un bal — Valse. Allegro non troppo
Scène aux champs. Adagio
Marche au supplice. Allegretto non troppo
Songe d‘une nuit de sabbat. Larghetto — Allegro

Zuschauer: 1.400.
Karten: keine.

Die Einladung zu dieser ungewöhnlichen Partie erfolgte durch die vom Blog Orchestrasfan (auf Twitter) betriebene Reihe „Konzertcouch“, in der klassischer Musik weniger zugeneigte Gäste zu einem solchen Erlebnis kommen sollen. Das erst im Jahr 2002 eröffnete Konzerthaus Dortmund lud uns dankenswerterweise zu diesem Gastspiel der Londoner ein und ist — nicht selbstverständlich — auf Twitter recht aktiv.

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Alle Halbfinals im UEFA-Pokal/Europa League/Messe-Pokal mit mehr als einem Teilnehmer aus dem selben Land

Inzwischen ist die Genese eines Blogeintrags häufiger so, dass angesichts irgendwelcher äußeren Ereignisse ein Gedanke durch das huscht, was man gerne als sein Bewusstsein empfindet, welcher oft aus einer Fragestellung besteht. Diese wird schnell bei Twitter wahlweise hineingetutet oder herausposaunt, woraufhin sich die Bewusstseine anderer Menschen ebenfalls mit dieser Frage beschäftigen, und ihre Erkenntnisse oder Vermutungen in ihren eigenen Twitterkanal schreiben.

Früher liefen all diese Schritte nur im Kopf respektive Haus des Autors ab, möglicherweise noch gewürzt durch Kommunikation mit anderen Mit-Fußball-im-TV-Schauern, heute eben auf diese Weise. Weshalb sich die Fälle häufen, dass aus einem Tweet ein Blogbeitrag wird.

Der gestrige Anlass war das Halbfinale des UEFA-, ärghs, der Europa League. Es führte zur Frage, ob es neben dem bekannten rein deutschen Halbfinale aus der Saison 1979/1980 je ein anderes mit Teams allein aus einer Nation besetztes Halbfinale im UEFA-Pokal oder der Europa League gegeben habe. Wobei es neben England, Spanien, Deutschland und Italien schon schwierig wäre, ernsthafte Kandidaten für diesen Umstand zu finden. Allerdings fand sich ein solch weiterer ernsthafter Kandidat dann doch, da muss man nicht lang zurückblicken, das war im letzten Jahr Portugal mit drei Teilnehmern.

In der Phantasie hätte ein rein schwedisches oder rein ungarisches Halbfinale natürlich extremen Charme, in der Realität konnten seit Einführung dieses Wettbewerbs wie erwähnt nur deutsche Teams 1979/1980 dieses Kunststück vollbringen, alle vier Teilnehmer des Halbfinales zu stellen.

Mit Hilfe der Herren breitnigge, bunkinho, KBauer11, Tasmane1985, Mahqz sowie der Dame KatarinaWerderf machte ich mich also hinab in die gar nicht mal so tiefen Tiefen der Fußballhistorie des UEFA-Pokals. Dieser Wettbewerb existiert schließlich erst seit 1955, mit regelmäßiger Durchführung sogar erst seit 1960. Der englische Pokal zum Beispiel wird seit 1871 ausgespielt.

Langer Rede, kurzer Sinn:

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Zum Spiel mal eben nach Hause fliegen

Musiker, die sich für Fußball begeistern, gibt es wie Sand am Meer, Bob Marley, Campino, Robert Smith, etc. pp. Die treten dann mal kamerawirksam vor einen Ball oder werden in diverse Sportsendungen eingeladen, um sie ein wenig aufzuhübschen und ein bisschen von ihrem Fantum zu quaken.

Musiker, die in ihrer Jugend aktiv Fußball spielten, und beinahe eine Profikarriere ergriffen hätten, gibt es ebenfalls viele. Julio Iglesias, Rod Stewart oder Steve Harris. Über den gleich mehr zu berichten sein wird, denn:

Musiker, die während ihrer Musikerkarriere selbst noch Fußball spielen, sogar an einem Ligabetrieb teilnehmen und diese Angelegenheit so ernst nehmen, dass sie für die samstäglichen Spiele von weit her einfliegen und noch dazu eine eigene Webseite zum Team pflegen, mit allen Aufstellungen, Torschützen und Terminen, die gibt es kaum.

Umso erstaunlicher ist die Geschichte von Steve Harris‘ Hobbyteam, dem „Maidonians FC“, dessen Name auch gleich mal verrät, in welcher Band Steve Harris eigentlich musiziert. Der Bassist von Iron Maiden hatte in seiner Jugend bei West Ham United gespielt und besaß die Chance auf einen Profivertrag. Stellte dann aber fest, dass Profifußballersein eigentlich nicht das ist, was er mit seinem Leben anfangen möchte.

Weshalb er sich an die Musik hielt und den Fußball nur als Hobby weiterlaufen ließ. Dies aber seit Jahrzehnten mit ungebrochenem Ehrgeiz. 1999 z. B. war er Torschützenkönig seines Teams mit 18 Toren in einer Saison (von der man nicht weiß, wie viele Spiele sie umfasste), obwohl er einige Partien wegen Verpflichtungen mit Iron Maiden verpasste.

In jener Saison gewannen seine Maidonians FC dann auch den Titel dieser Liga. He regularly flies home from working in Europe to play on Saturdays – there’s dedication for you!

Respekt und sportliche Anerkennung. Nicht jeder, der es sich leisten könnte, fliegt zu den Spielen seiner Hobbymannschaft nach Hause. Von den Millionen Hobbyfußballern, die die Strecke bis zum Platz mit dem Fahrrad bewältigen könnten und die trotzdem im Bett liegen bleiben, ganz zu schweigen.

Maidonians FC.

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Britische Fußball-Stadien für Olympia 2012

Man merkt, dass die Betreiber der Olympischen Spiele 2012 London tatsächlich als britischen Austragungsort verstehen, im Gegensatz zu einem ebenfalls denkbaren rein englischen: Die Vorrunde des olympischen Fußball-Turniers wird — neben dem Wembley-Stadion in London — in Stadien in ganz Großbritannien ausgetragen werden:

  • Hampden Park, Glasgow
  • Millennium Stadium, Cardiff
  • Old Trafford, Manchester
  • St. James‘ Park, Newcastle
  • City of Coventry Stadium, Coventry

Das kennt man von anderen Olympischen Spielen, dass insbesondere die Fußballer in andere Städte des Landes geschickt werden, welche ansonsten nichts weiter mit Olympia zu tun haben. Auch 2012 wird dies wieder der Fall sein. Mit ein bisschen Pech kann man also 2012 als Fußballer an Olympia teilnehmen, ohne je London zu Gesicht zu bekommen. Andersherum spielt man vielleicht mal in Old Trafford, wohin die meisten der Teilnehmer wahrscheinlich sonst nie kommen würden.

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Typisch deutsches Phänomen

Man kennt das ja, erst ist man Everbody’s Darling, weil man so ein Underdog ist. Und dann plötzlich hat man Erfolg und Geld und keiner kann einen mehr leiden. Ein ganz typisch deutsches Phänomen.

Und deshalb sagt Liam Gallagher, ausgewiesener Manchester-City-Fan, im Interview auch:

There’s a funny English attitude where almost overnight, attitudes change. I‘ve lived in London for 15 years and every time I got in a black cab they‘ve said, ‚Oh you‘re a City fan, we love City,‘ and now they all think we‘re arrogant with ideas above our station. It’s a funny English attitude towards success and money.

Oder war es jetzt doch eher ein dänisches? Ein serbo-kroatisches? Ein honduranisches?

Möglicherweise ein weltweites Phänomen, von dem jeder glaubt, dass es sein eigenes wäre.

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