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Schlagwort: Fußballer des Jahres

Warum den Wächter würdigen

In Deutschland wurde es jüngst wieder mal ein Torwart: Fußballer des Jahres. So richtig weiß man nicht, warum Manuel Neuer, der außer einem Pokalsieg gegen hoffnungslos überfordete Meidericher, na gut, ein bisschen Champions League, nicht viel vorzuweisen hat, es geworden ist. Aber sicher spielte da die natürliche Affinität des deutschen Fußballpublikums zu guten Torhütern eine Rolle. Man kann sich keine Meistermannschaft vorstellen ohne dazugehörigen Torwächter, der zumindest in dieser einen Saison unüberwindbar schien. Aber ist dem überhaupt so? Gibt es eine solche besondere Wertschätzung von Torhütern in hiesigen Landstrichen?

Ja, die besondere Wertschätzung, die Torwächter in deutschen oder deutschsprachigen Landen erfahren, ist kein Mythos, wie die Jagd nach einer zu widerlegenden Legende ergab — siehe Auflistung unten. Sie existiert tatsächlich, nimmt man das zugegeben nicht alleinstehen könnende Kriterium der Wahl eines Spielers auf einer bestimmten Position zum „Fußballer des Jahres“ in einem Land zur Hand.

Die Ergebnisse werfen durchaus eine Henne-Ei-Frage auf: Wird man in bestimmten Ländern lieber Torhüter, weil man dort eine größere Würdigung erfährt — oder erfahren Torhüter in bestimmten Ländern eine größere Würdigung, weil man es dort lieber wird — und es deshalb eine größere Anzahl guter Exemplare davon gibt?

Keine Ahnung, auch keine Tendenz zu einer Vermutung. Auffällig ist aber unbedingt die Häufigkeit der Auszeichnungen zum „Fußballer des Jahres“ in mitteleuropäischen Ländern als da wären die BR Deutschland, die DDR, Österreich und Belgien auf den ersten vier Plätzen. Angesichts der sehr unterschiedlichen Zahlen an durchgeführten Wahlen nicht perfekt vergleichbar, aber aussagekräftig.

Da man hier küchenpsychologisch-historische Betrachtungen zum Fußball ablehnt („Die Uruguayer sind solche Klopper, weil sie 1842 eine Schlacht am Soundso-Berg in Unterzahl mit fiesen Methoden gegen die anrückenden Argentinier gewannen — einer der Gründungsmythen dieser Nation, die sich in das kollektive Gedächtnis des Volkes so sehr eingebrannt hat, dass man die daraus abgeleitete Handlungsmaxime auch beim Fußball nicht übersehen kann, wenn 11 Uruguayer auf dem Platz stehen.“), braucht man auch nicht der Frage weiter nachzugehen, ob man wegen der zentralen Lage in Mitteleuropa und der dazugehörigen großen Zahl an umgebenden Feinden als klassisches „Durchmarschland“ mehr Wert auf Verteidigung legt als in Ländern, die aufgrund ihrer Lage nur sehr wenige (Spanien, Portugal) oder gar keine (England bzw. Großbritannien) direkten Feindesnachbarn haben.

Häufigkeit der Wahl eines Torhüters zum „Fußballer des Jahres“

Land Häufigkeit
absolut
Häufigkeit
relativ
DDR 8/29 28%
BR Deutschland 10/52 19%
Österreich 9/66 14%
Belgien 6/57 11%
Italien 4/36 11%
Argentinien 3/42 7%
Portugal 3/41 7%
UdSSR 2/28 7%
Dänemark 3/48 6%
Brasilien 2/39 5%
England 3/64* 5%
Jugoslawien 1/20 5%
Schweden 3/66 5%
Schottland 2/47 4%
Rumänien 2/46 4%
Spanien 1/36 3%
Frankreich 1/49 2%

* davon 1x ein Deutscher, Bert Trautmann, 1x ein Nordire, Pat Jennings, ohne diese beiden läge England mit 1/64 und damit weniger als 2 Prozent auf dem letzten Platz dieser Liste

Wobei die Frage natürlich ebenso interessant wäre, wie häufig defensive Feldspieler im Vergleich zu offensiven Feldspielern zu „Fußballern des Jahres“ gewählt werden. Der Torhüter ist nun mal auch der besonders herausragende Part, der deutlich heroenhafter agieren kann, als ein schnöder linker Verteidiger, der immer nur Flanken verhindert, woraufhin es Einwurf für den Gegner gibt.

Teil eins dieser Aussage aber, der Einzelkämpfer im Tor, der alles rettet, der die Schlacht allein gewinnt, der über den anderen thront, der die ganze Verantwortung auf seinen Schültern trägt, naja, da möchte man tatsächlich lieber nicht weiter hinabsteigen in küchenpsychologische Deutungen der mitteleuropäischen Nationen und deren Bewohner sowie ihre Vorliebe für derartige Charaktere und die dazu passenden Heldengeschichten.

7 Kommentare

Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro

Ja, der ist nicht unbekannt, den kennt jeder, gerade erst ist er Europas Fußballer des Jahres geworden.

Keiner weiß aber hierzulande, obwohl ich (der große ich!) schon mehrfach darauf hingewiesen habe, dass er nicht Ronaldo heißt. Also, heißen heißt er schon so. Aber ausgesprochen wird er nicht so.

Er heißt, nach deutscher Schreibweise: Runaldu.

Erinnert schwer an Raducanu, spielt aber wohl besser. Wer Fan von ihm sein möchte, sollte über diese Aussprache trotzdem Bescheid wissen. Allerdings kenne ich niemanden, der längerfristiger Fußball-Interessierter ist und sich gleichzeitig für Runaldu begeistert. Den vielen schönen Toren, gewonnenen Dribblings, wenn man denn so will „atemberaubenden“ Antritten stehen allzu viele manisch selbstverliebte Momente und vor allem Momente des Scheiterns gegenüber. Ein siebenhalbfacher Übersteiger hat eben noch niemanden zu einem großen Fußballer gemacht. Es sind eher die großen Momente, die sich vor allem in großen Titeln manifestieren. Nichtsdestotrotz ist auch Jari Litmanen, der außer der Champions League eigentlich nie etwas gewonnen hat, ein größerer Fußballer als Runaldu. Zumindest bislang, ein bisschen Zeit, groß zu werden, hat Runaldu ja noch: Litmanen spielte nämlich Fußball und keine Werbeclip-Egoshow.

Runaldu.

Merken, bitte, wenn schon.

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‚Wort‘ des Jahres 2008: „Durch die Unterhose!“

Man kennt diese — früher nannte ich das fälschlicherweise „rauchig“, richtig aber ist „kehlig“ — man kennt diese kehlige Stimme von Bela Rhethy, und ein jeder, der bei der EM zugegen war (also vor dem heimischen oder kneipischen Fernsehschirm zugegen war), hat auch die tolle Demonstration der Tatsache miterlebt, dass Bela Rhethy nun mal ein eher weniger geeigneter Radioreporter wäre, wenn denn das Bild mal wieder ausfiele.

(Wir erinnern uns.)

Insgesamt, die Meinungen teilen sich wie bei jedem, der nicht an der Spitze der Sympathieskala liegt, ist Bela Rhethy aber nun auch nicht gerade jemand, den man mit Schimpf und Schande vom Hof jagen müsste, nur weil er mal dann und wann ein wenig zu statistikselig ist und uns damit volldröhnt, in welcher Kapelle von Sao Paulo der linke Außenverteidiger des Gegners zu welchen Psalmen geheiratet hat. Er ist halt Bela Rhethy, und liegt damit selbstredend immer noch weit vor JBK und Reinhold Beckmann (die ja übrigens beide, Gottseidank, nicht mehr kommentieren), aber er ist eben auch keine Ikone.

Bela Rhethy also.

Jedes Jahr suchen findige Menschen im Fußball neuerdings einen Spruch des Jahres. Einen Spruch des Jahres. Einen Spruch des Jahres. Inzwischen reicht es nicht mehr, im Mannschaftssport Fußball, bei dem man die Rollen eines Mittelstürmers wohl kaum mit denen eines Außenverteidigers geschweige denn denen eines Torhüters vergleichen kann, einen „Spieler des Jahres“ zu wählen. Diese Vergleiche finden aber immerhin noch innerhalb ein- und derselben Sportart statt. Dann gibt es da aber auch noch den „Sportler des Jahres“, aber selbst das ist nicht genug. Es reicht nicht mal mehr, Wahlen von Sportlern einzuführen, deren Leistungen so vergleichbar sind wie Juristerei und Archäologie, wie Pepsi und Smacks oder wie Frank Zappa und DJ Bobo, Wahlen zur „Sportlerin des Jahres“, bei denen eine Schwimmerin gegen eine Bogenschützin antritt oder gar eine Spielerin eines Mannschaftssports gegen eine Schachspielerin.

Das alles ist nicht mehr genug, inzwischen muss auch noch der „Spruch des Jahres“ gewählt werden in unserem, manchmal gar nicht so schönen Lieblingssportbereich: im Fußball.

Und diese Wahl hat letztens Peppi „Josef“ Hickersberger, damals Trainer der österreichischen Nationalelf, mit einer Aussage gewonnen, die ungefähr so lautete:

„Wir haben nur unsere Stärken trainiert, deshalb war das Training nach 10 Minuten zu Ende.“

Meine Wahl wäre auf einen ganz anderen Spruch gefallen, der allerdings auch im Rahmen der Europameisterschaft 2008 fiel, und zwar von besagtem Bela Rhethy:

„Durch die Unterhose!“

gröhlte er fast schon panisch ins Mikrofon, während wir, nichtsahnend noch an unserem Weizenbier kauend ins Erstaunen gerieten, wieso der Mann am Mikro so ausflippt bei einem normalen Zweikampf von Philipp Lahm mit einem Gegner an der eigenen Eckfahne, der doch, man weiß doch, man kennt doch, Lahm, sicher in Kürze mit Ballbesitz für Deutschland und dem nächsten Angriffsversuch enden würde.

„Durch die Unterhose!“

und man hätte es eigentlich ahnen müssen, es am Tonfall erkennen, am hysterischen Klang, der gar nicht so gewollt reißerisch, sondern ehrlich, leicht bestürzt, stärker schon entsetzt wirkte und wir ahnten trotzdem noch nicht, was passieren würde.

„Durch die Unterhose!“

und mit der damals vorhandenen Verzögerung von ca. 5 Sekunden sahen wir es dann, was „durch die Unterhose“ passierte: die Türkei hatte durch die Unterhose von Jens Lehmann hindurch ausgeglichen, ganz kurz vor Schluss und Aus war es erstmal mit dem Gefühl, sicher im Finale zu sein. Und meine Wahl gewönne der Spruch nicht wegen seiner sprachlichen Fragwürdigkeit (hätte die Unterhose nicht eigentlich Hosenträger sein müssen?), sondern wegen seiner — selten genug — unbestreitbaren Authentizität in dieser besonderen, weil zeitverzögerten Situation.

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Joueur français de l‘année (2007)

Franck Ribéry ist französischer Fußballer des Jahres 2007. Man muss an der Gültigkeit dieser Wahl zweifeln. Wie kann es sein, dass in einem Jahr, in dem der Göttliche, der Auserwählte, der mit den Bällen (und den Roten Karten) tanzt, in dem derjenige, der das Spiel atmet, schläft und isst, in dem derjenige, der schon zwei Minuten vor allen anderen wusste, was als nächstes passieren würde, noch aktiv war; wie kann es da sein, dass ein anderer, ein Weltlicher, einer der sich tatsächlich die Fußballschuhe putzen muss, damit seine Bälle ihr Ziel finden, Fußballer des Jahres in Frankreich wird?

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Was macht eigentlich Hellas Verona?

Wer jetzt heldenhafte Nachrichten über den Ex-Klub von Hans-Peter Briegel erwartet, den dieser genauso heldenhaft zur italienischen Meisterschaft führte und deshalb 1985 als erster Ausländer zu Italiens Fußballer des Jahres gewählt wurde, den muss ich leider enttäuschen. Es sind Zahlen, eigentlich zu grauenhaft, sie hier auch einem minderjährigen Publikum verfügbar zu machen. 19 Spiele hat Hellas Verona in Italiens Serie B hinter sich gebracht. Die Zahl der dabei erzielten Tore überschreitet knapp die Zahl der Zehen an meinem stärkeren linken Fuß: gomorrhische 6 Tore hat Hellas Verona in 19 Spielen erzielt. Das klingt markerschütternd und das Schlimme ist: Das ist es auch.

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Ballack divet nicht

Den „Diver“ aka Clinsfornia wird Ballack an Beliebtheit in England wohl nicht einholen. Als „lästige Pflicht“ bezeichnete er das Ritual, das neue Spieler bei Chelsea durchmachen müssen: ein Ständchen vor versammelter Mannschaft singen. So geht das nicht, Ballack. Wer Sympathien und Herzen gewinnen will, muss genau diesen Kram mitmachen. Da hat er wohl noch nicht genug gelernt bei Jürgen Klinsmann. Der hat vorgemacht, wie es geht. Vor Beginn seiner Zeit bei Tottenham Hotspur angefeindet und nach dem ersten Jahr dort gleich zum „Fußballer des Jahres“ gewählt wurde — in England!

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Gerrard ist Englands Fußballer des Jahres

Steven Gerrard, ein [zensiert] vom FC Liverpool, ist Englands Fußballer des Jahres. Was das mit der WM zu tun hat? Nun, zum einen bedeutet es, dass Jens Lehmann nicht Englands Fußballer des Jahres wird, obwohl er vom renommierten Guardian dazu vorgeschlagen wurde, zum anderen bedeutet es, dass bei der WM ein ziemlich [zensiert] vom FC Liverpool mitspielen wird.

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