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Schlagwort: Frankreich

Live-Blog zur Gruppen-Auslosung der WM 2018 im Kreml

Gruppe A

A1 Sbornaja
A2 As-suqur al-hadra (Grüne Falken)
A3 Fara‘ina (Die Pharaonen)
A4 La Celeste

Gruppe B

B1 Seleção das Quinas
B2 La Furia Roja
B3 Lions de l‘Atlas
B4 Team Melli

Gruppe C

C1 Les Bleus
C2 Socceroos
C3 La Blanquirroja
C4 Danish Dynamite

Gruppe D

D1 Albiceleste
D2 Strákarnir okkar
D3 Vatreni
D4 Super Eagles

Gruppe E

E1 Seleção
E2 Nati
E3 Los Ticos
E4 Beli Orlovi

Gruppe F

F1 Mannschaft ohne Spitznamen
F2 El Tri
F3 Tre Kronor
F4 Taeguk Warriors

Gruppe G

G1 Rode Duivels/Diables Rouges
G2 Los Canaleros
G3 Les Aigles de Carthage
G4 Three Lions

Gruppe H

H1 Bialo-Czerwoni
H2 Les Lions de la Teranga
H3 Los Cafeteros
H4 Samurai Blue

[16.58] Das häufig vorhandene Losglück hat die Deutschen diesmal verlassen. Mexiko und Schweden sind schon eine Konstellation, an der man auch gut scheitern kann. Insofern stimmt das nicht, was unten steht: dass man ohnehin durchkommt. Aber mit Schweden und Mexiko konnte man ja nicht unbedingt rechnen (jedenfalls nicht in den ca. 57 durchgeführten Probeauslosungen). Dazu mit Südkorea ein Team, das immer mal für eine Abnutzungsschlacht gut ist – soweit jedenfalls das Klischee. Es hätte wirklich deutlich einfacher kommen können, zum Beispiel mit der Prognose Peru, Ägypten und eben Südkorea. Immerhin einen Treffer bei diesem Glücksspiel, würde man jetzt aber doch lieber gerne gegen Saudi-Arabien oder Iran tauschen. Geht aber nicht mehr. Die „deutsche“ Gruppe steht fest und könnte schon ein echtes Zähneausbeißen werden, zumal man zuerst gegen Mexiko und dann gegen Schweden spielt. Da könnte man auch gut und gerne bei nur 2 oder 3 Punkten stehen und hätte den Druck, gegen vielleicht noch weiterkommen könnende Südkoreaner (sofern bis dahin noch existent) gewinnen zu müssen. Natürlich sind ebenso 9 Punkte aus diesen drei Gruppenspielen möglich. Dennoch darf man vor allem eins nicht tun: diese Gegner unterschätzen, nur weil Mexiko ja „noch nie weit gekommen“ (Bela, meinte aber das Viertelfinale) ist oder Schweden sich gegen Italien 90 Minuten nur eingeigelt hat. Aber hier nimmt man es sportlich: besser so als eine Gruppe, bei der man schon vorher einschläft, weil es nur um die Höhe des Sieges geht. Spannend wird aber in jedem Fall, wer neben den Deutschen weiterkommt, sofern diese es doch schaffen, ihrer Favoritenrolle in 2,5 Spielen gerecht zu werden. Tippe da am ehesten auf Schweden, aber da spielt wohl vielleicht auch zu viel Sympathie mit rein.

[16.32] Das Prozedere wird erklärt. Dürfte dem hiesigen Publikum allseits bekannt sein. „The explanation is over“. Gut. Los geht’s schon. Jetzt kommt dann das Tableau nach oben.

[16.30] Jetzt kommt endlich Gary Lineker. Die 15 Minuten bislang waren zumindest alles andere als zäh. Das war früher schon mal schlimmer.

[16.26] Pelé erscheint doch nicht. Erster Lospate ist der Engländer Gordon Banks. Russland hat auch einen Lospaten, obwohl noch nie Weltmeister. 91 Jahre alt. Name nicht verstanden. Shame on me. Für Uruguay ist es Diego Forlan, für Argentinien Diego Maradona. „Sah auch schon mal frischer aus“, ätzt Bela. Dabei sieht Maradona eigentlich ganz gut aus. Für Frankreich kommt Laurent Blanc. Cafu für Brasilien. Carlos Puyol, immer noch ohne Frisur, erfrischend, für Spanien. Fabio Cannavaro, der einzige Italiener, der an der WM – in dieser Form als Lospate – teilnimmt.

[16.23] Bela erwähnt die PK heute morgen, bei der die Dopingvorwürfe zur Sprache kamen. Bela nennt den für das Doping verantwortlich gewesen seienden Witali Mutko zunächst Witali Klitschko. Das ist dieses Phänomen, dass Nachrichtensprecher auch Jahre nach dessen Demission immer noch von Bundeskanzler Kohl, äh Schröder sprachen. Einschlägige Berichterstattung zum Verlauf dieser PK gibt es bei Twitter.

Jetzt ein paar nette Jubilbilder von vorigen WM. Am Ende jubelt die deutsche Mannschaft.

Der Kommentator ist aber immer noch nicht Lineker, sondern ein anderen Mann. Begleitet von einer einigermaßen züchtig gekleideten Frau.

[16.21] Die acht Lospaten werden vorgestellt. Der erste ist Pele. Nicht Wollitz, der aus Brasilien. Die Musik wird melancholischer, aber wohl nicht wegen Pelé. Eher nimmt man wohl schon das Scheitern der Russen bei der WM vorweg. Jetzt geht es doch noch rund. Hat man vielleicht noch schnell was eingeworfen.

[16.19] Okay, jetzt wird doch noch ein bisschen Show gemacht. Russischer Volkstanz. Oder so. Jedenfalls immer noch besser als der Schuhplattler bei der Eröffnung der WM 2006. Was aber auch nicht schwierig ist. „Darf ich mal?“, fragt Bela, als er wohl glaubt, sein Mikro ausgeschaltet zu haben. Was will er wohl gedurft haben wollen?

[16.15] Immerhin verschont uns das ZDF mit dem Showteil. Geht direkt los mit „Miroslava Klose“, wie er auf Russisch von der Moderatorin genannt wird. Gefragt, „how did you like the show?“, antwortet Klose auf Deutsch. Hm. Okay, hat ja auch nie in England gespielt. Klose erwähnt auch das dreimalige Scheitern, 2002, 2006, 2010, was er ja als einziger (?) so erlebt hat, mit der Krönung 2014. Lahm kam doch erst später dazu, nicht wahr?

Außerdem gibt er zu, dass ihm auch sein Torrekord bei der WM tatsächlich etwas bedeutet. Leichten Einschlag ins Pfälzerische. Nach knapp einer Minute ist sein Auftritt aber schon wieder vorbei. Zu Kloses großer Erleichterung offenbar.

[Präludium] Auch wenn „Wetten, dass..?“ nicht mehr existiert: Es gibt sie noch, die Lagerfeuer-Momente in deutschen Landen. Natürlich dann, wenn WM oder EM ist und die Nationalmannschaft spielt – oder die Gruppen für ein solches Turnier ausgelost werden. Heute steht wieder die ganze Nation hinter den Live-Streams und wird den ersten schmerzhaften Moment schon vor Beginn der Auslosung hinnehmen müssen. Miroslav Klose, zur Zeit Trainerhospitant ohne Geschäftsfeld bei der DFB-Elf, wird in seiner Eigenschaft als Weltmeister von 2014 den WM-Pokal an den Ausrichter Russland übergeben. Weltmeister bleibt die deutsche Mannschaft zwar bis zum Abpfiff des Finals der WM 2018 im Olympiastadion Luschniki in Moskau. Den Pokal ist man aber schon mal los. (Wobei man den originalen ohnehin nie länger als ein paar Stunden besaß. Den kassiert die FIFA nach der Verleihung nämlich direkt wieder ein, der Sieger geht mit einem Duplikat nach Hause und foppt auf der Reise durch seine Dörfer und Landstriche mit Menschen darin diese und lässt sie im Glauben, sie sähen das Original.)

Moderieren wird der wohl schlagfertigste Ex-Profi am Twitter, Gary Lineker, dessen Bonmot von den 22 Männern und den 90 Minuten schon 1990 von dieser Schlagfertigkeit kündete. Etwas erstaunt sein darf man dennoch, dass dieser ansonsten kein Blatt vor den Mund nehmende kritische Geist sich vom russischen Fußball vereinnehmen lässt. Steht Russland doch in allen erdenklichen Sportarten unter scharfem Dopingverdacht, so auch im Fußball, wie man sich explizit hier noch mal vor Augen führen kann und auch sollte. Der Thread beginnt schon mit den Worten:

„Absurd, dass Gastgeber Russland dabei ist. Denn noch nie waren die Dopingindizien stärker gegen eine aktive Fußballmannschaft.“

Lineker, eingeladen als Torschützenkönig der WM 1986 und eben jener gewandte Moderator, der er inzwischen ist, wird es sich gut bezahlen lassen, und doch wirft seine Teilnahme einen Schatten auf diese Lichtgestalt der Fußballberichterstattung.

Apropos Schatten: Nichts anderes als das, schwarz nämlich, würden die TV-Zuschauer im Iran zu sehen bekommen, sollte Linekers russische Kollegin Maria Komandnaja aus Sicht der Zensoren des Staatsfernsehen im Iran zu unzüchtig gekleidet sein. Dann würde die Übertragung ausgesetzt, der Bildschirm schwarz. Wäre dies weltweit so, hätte man in Moskau genug Gelegenheit, dem trotz des vermeintlichen Dopings der Nationalmannschaft schwächelnden Team der Russen eine möglichst einfache Gruppe zuzuschanzen. Schließlich soll Russlands Nationalmannschaft nicht wie erstmals 2010 Südafrika als Gastgeber schon in der Vorrunde scheitern. Nicht zuletzt, da man im Eishockey-Land Russland ohnehin mangelnde WM-Begeisterung fürchtet. Im Land allgemein und auf den Rängen, die da doch recht leer bleiben könnten, wenn irgendwo in den Weiten Russlands kurz vor den Toren Sibiriens Neuling Panama gegen den Senegal antritt. Da eine solche Ausblendung des TV-Bildes aber nicht kommen wird, muss man zunächst mal annehmen, dass zumindest bei der Auslosung im Kreml alles mit rechten Dingen zugehen wird. Oder wie die SZ schrieb:

„Noch nie wird eine Entscheidung im Kreml so transparent gefallen sein wie diese WM-Auslosung.“

Hier wird diese Auslosung live begleitet, mit dem kleinen Extra-Service, das bei der Auflistung der insgesamt 8 Gruppen von A bis H direkt die Spitznamen der Nationalmannschaften eingetragen werden. Inzwischen ist so etwas ja eine Aufstellung, an der keine Zeitung online mehr vorbeikommt, die Spitznamen aller WM-Teilnehmer in einem eigenen Beitrag aufzulisten.

Hier schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe und präsentiert die Auslosung live und liefert dazu gleich die jeweiligen Spitznamen der 31 Nationalmannschaften, die teilnehmen plus jene eine Mannschaft, welche keinen Spitznamen besitzt, die zufällig amtierender Weltmeister ist. Beim DFB mag man das anders sehen (und im Ausland leider auch), doch hier kann man auf derlei fromme Wünsche keine Rücksicht nehmen und bleibt bei der Realität.

Man darf natürlich gespannt sein, wie die Gruppen nun schließlich aussehen werden. Ohne einen Tipp für die Gruppe der Mannschaft ohne Spitznamen geht es natürlich auch hier nicht. Es wird nicht Gruppe H, welche die einzige wäre, welche eine Partie im ehemaligen Stalingrad nötig oder je nach Sichtweise möglich machte, sondern Gruppe D. Eine Partie im nur 500km von Berlin entfernten Kaliningrad ist übrigens schon vor der Auslosung ausgeschlossen, da die Mannschaft von Jogi Löw als Gruppenkopf gesetzt ist, in Kaliningrad aber keine Partie eines Gruppenkopfes vorgesehen ist.

Gegner in dieser, wie man ganz teutonozentristisch gerne formuliert, „deutschen“ Gruppe werden sein: Peru, Ägypten und Südkorea.

Das klänge immerhin doch ziemlich nach einer _Welt_meisterschaft. Sportlich stellt sich die Frage ohnehin nicht, ob die DFB-Elf die Vorrunde übersteht, selbst für den Fall, dass die „Furia Roja“ in ihre Gruppe gelost würde.

Wer selbst noch seinen Tipp abgeben will, kann das gerne noch in den Kommentaren tun, auch wenn anzunehmen ist, dass das alles längst bei Twitter geschehen ist.

(Anders als früher bei Live-Blogs üblich werden die weiteren Beiträge jetzt nicht oben angefügt werden, sondern hierunter.) Nee, doch oben. Während der Auslosung rutscht dann auch diese Auflistung hier nach oben:

Stand der Dinge bei der WM-Auslosung 2018

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L‘amour en France

Ich wählte Latein.

Als es in der 7. Klasse darum ging, ob man Französisch oder Latein wählte, wählten nur die, die von den Eltern gezwungen wurden, Französisch. Wer will schön Französisch lernen? Es klingt alles total komisch und kein Wort wird so geschrieben, wie man es spricht. Außerdem singt außer Francoise Dings niemand auf Französisch. Popmusik ist Englisch. Latein hingegen würde man sicher später an der Uni brauchen. Und man müsste auch nicht mit den Schülern aus der Parallelklasse (wir hatten nur eine) zusammen bei doofen Lehrern Französisch lernen.

In der 9. musste man es dann aber sowieso dazunehmen und obwohl kein gänzlich unmotivierter Schüler, habe ich in den gesamten zwei Jahren Französisch eigentlich nichts gelernt außer „links“ und „rechts“ und „la rue est grise et triste“. Und Gemüse. Und Plattenspieler. Aber viel mehr Worte kannte ich nicht, als die Schule vorschlug, einen Schüleraustausch mit der Partnerschule zu machen. Da war ich sofort dabei, ich wäre auch nach Timbuktu gegangen, denn Schüleraustausch hieß: zwei Wochen keine Schule, also keinen Unterricht. Außerdem wollte man ja was erleben.

Abenteuer.

Dass unsere „Partnerschule“ der unsrigen allerdings so gar nicht glich, hatte man uns nicht erzählt. Wir kamen aus der „Stadt“, zumindest bildeten wir uns das ein. Als ich Jahrzehnte später durch einen Nebenjob neben der Uni an diese, meine Schule für psychologische Forschungen zurückkehrte, sagte mir ein Lehrer: „Hier passiert nichts, hier ist ja auffem Land.“

Das empfanden wir aber damals überhaupt nicht so, schließlich fuhr der Bus nach Düsseldorf, wo man auf der Kö stolzieren und gucken konnte, was man sich alles nicht leisten kann, nur 90 Minuten, über Meerbusch und dann fuhr man da einmal im Monat hin und versuchte, Schnäppchen zu machen. Geile Klamotten, möglichst mit Markennamen drauf, weil dieser Druck schon existierte. Ich las letztens Generation Golf, und erkannte mich in vielen Dingen wieder. Lamy oder Dings. Alles war an der Oberfläche und ich glaube, Tschernobyl noch nicht passiert. Oder doch, ja, aber Gemüse aß ich eh kaum, also gab es auch kaum Einschränkungen.

Also angemeldet für den Austausch, freiwillig. Die Eltern fanden es ohnehin gut, hach, der Junge interessiert sich ja für so viel. Eigentlich interessierte ich mich für gar nix außer Rock‘n‘Roll, was zu meiner Zeit The Cure und Joy Division und The Smiths hieß und … äh, ja, Mädchen. Das immerhin hatte irgendwann in der Zeit davor begonnen und ich fand Mädchen so mysteriös anziehend.

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Fred schreibt „Zidane schweigt“

Zidane schweigt Wie passend, dass die Menschen in Basel am Wochenende erzählten, dass man sich in der Deutschschweiz natürlich für die deutsche Bundesliga interessiere. In der Welschschweiz werde hingegen hauptsächlich über die Ligue 1 berichtet; der Blick wandere dorthin, wo man keine Sprachbarriere empfindet.

Dabei fällt auf, dass von allen großen Ligen die französische auch hierzulande am wenigsten Beachtung findet, obwohl sicher mehr Menschen des Französischen mächtig sind als des Spanischen oder Italienischen. Die Wahrnehmung des französischen Fußballs besteht eigentlich nur aus jener der Nationalmannschaft. Deren Stars kennt man, deren immer wieder obskur agierende Trainer ebenso. Allerdings bleibt das Verständnis des Umgangs der Franzosen mit ihrer Équipe Tricolore hart an der Oberfläche, selbst wenn die Grundzüge der Problematik der mal als gelungen, mal als gescheitert bezeichneten Integration (nicht allein im Fußball) bekannt sind.

Da trifft es sich hervorragend, dass jemand viel tiefere Betrachtungen zu diesem Thema anstellt, als man sie sonst irgendwo fand; noch dazu jemand, der selbst dem Fußball empathisch gegenüber steht und zudem die Kunst beherrscht, diese Betrachtungen in lesenswerter Sprache zu servieren. Fred Valin, seines Zeichens als Franzose auch Anhänger dieser Mannschaft, ist gemeint, der vor einigen Monden das Werk „Zidane schweigt“ ablieferte. (Untertitel: Die Équipe Tricolore, der Aufstieg des Front National und die Spaltung der französischen Gesellschaft.) Welches auf der Rückfahrt aus Basel noch einmal konsumiert wurde, mit zunehmendem Genuss und eben solchem Erkenntnisgewinn.

„Zidane schweigt“ verwebt die Entwicklung der französischen Nationalmannschaft mit jener der französischen Gesellschaft und hier zuvorderst mit dem Aufkommen des Front National. Ein Phänomen, wie man lernt, welches noch Mitte der 1970er ein kaum wahrnehmbares Becken für Spinner vom Rand darstellte. Die Zeiten haben sich bekanntlich geändert, wie Valin entlang der Auftritte der Franzosen bei den diversen großen Turnieren, aber vor allem dem folgenden Echo in Frankreichs Gesellschaft und Politik nachzeichnet.

Und während Zidane tatsächlich mehrheitlich schweigt und der große Dirk Gieselmann klagt, dass Fußballer ohnehin nichts zu erzählen hätten, schreibt Valin auf, was das alles bedeutet und wie es sich entwickelte. Nahezu perfekt lektoriert, durchaus erwähnenswert, gehen hier Erhellung und literarischer Gaumenschmaus Hand in Hand. Vom Scheitern der Sozialisten in Frankreich, von Mitterand bis zum die Banlieues kärchern wollenden Sarkozy, von Algerien über den Tausendsassa Tapie bis zu Marine Le Pen; ebenso von Battiston über den 1985 bis zur Unerträglichkeit ignoranten Platini bis zum immer noch nicht erwachsenen Ribéry und — natürlich — dem Fiasko von Knysna geht die Reise, mit allen nötigen Zwischenstationen.

Wer in knappem Umfang wissen will, wie die Nachbarn westlich des Rheins seit dem Krieg zu dem wurden, was sie sind, und ebenso den Fußball als Spiegelbild der Gesellschaft vesteht, kommt an diesem nur als e-Book erhältlichen Werk nicht vorbei. Und wer formidabel eloquent lesen möchte, was Zidane auf dem Platz eigentlich darstellte, was Henrys Handeln bedeutete und wieso Vieira des Urhebers liebstes Kind ist, ebenso wenig.

Kleine Kostproben:

„Thierry Henry spielt Fußball wie ein idealer Gastgeber eine Abendgesellschaft führt: Alles, was er tut, wirkt leicht und mühelos, dabei aber immerzu überraschend.“

„[Zidane] ist das wortlose Zentrum der Erzählungen, eine Hemingway-Figur. Es sind die Anderen, die viele Worte um ihn machen.“

„Die französischen Medien sind nicht in der Lage, diese Vielfalt […] abzubilden. Stattdessen bleiben sie den binären Konstruktionen verhaftet. Es wird dieses eine Feindbild aller herausgeschält: junger Mann mit Migrationshintergrund.“

Aber man möge sich dennoch nicht täuschen (lassen). Denn es ist beileibe kein Buch über Fußball, nicht isoliert, sondern eines über ein in dieser Form hier nahezu unbekanntes Frankreich und nicht zuletzt über die Gegenwart in Europa.

Anders als hier, wo der Blick gelegentlich nach Benelux schweift, ist übrigens heinzkamke dem französischen Fußball, zumindest aber Frankreich schon länger ein wenig zugewandt, weshalb man auch seine Worte zu „Zidane schweigt“ konsumieren kann. Besser aber gleich das ganze, recht kurze Buch, das dennoch so vor Fakten, feinen Flanken, Gedanken und Einordnungen strotzt wie sonst eben nur das Spiel von Zidane voller Aha-Momente für Zuschauer und Gegner war. Das heißt, wenn das bei Zidane nicht doch alles nur Projektion durch die Betrachter war. Aber auch darüber lernt man etwas in

„Zidane schweigt“.

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Andere Länder, andere Schlaflieder

Andere Länder, andere Sedativa.

Welche es da bislang so gab, zeigen die unteren Aufstellungen. Natürlich ohne den Anspruch, komplett zu sein. Andorra ist nicht dabei, nein, nicht das von Max Frisch, das echte Andorra. Also Andorra ist hier nicht mit aufgenommen, aber sonst eigentlich fast alle.

Note: berücksichtigt sind hier nur Meisterschaften nach dem Krieg.

Und? Welche Schlaflieder singt man in anderen Ländern so?

Griechenland

1996/1997 Olympiakos Piräus
1997/1998 Olympiakos Piräus
1998/1999 Olympiakos Piräus
1999/2000 Olympiakos Piräus
2000/2001 Olympiakos Piräus
2001/2002 Olympiakos Piräus
2002/2003 Olympiakos Piräus

Norwegen

1992 Rosenborg BK
1993 Rosenborg BK
1994 Rosenborg BK
1995 Rosenborg BK
1996 Rosenborg BK
1997 Rosenborg BK
1998 Rosenborg BK
1999 Rosenborg BK
2000 Rosenborg BK
2001 Rosenborg BK
2002 Rosenborg BK
2003 Rosenborg BK
2004 Rosenborg BK

Italien

2005/2006 Inter Mailand
2006/2007 Inter Mailand
2007/2008 Inter Mailand
2008/2009 Inter Mailand
2009/2010 Inter Mailand

Portugal

1994/1995 FC Porto
1995/1996 FC Porto
1996/1997 FC Porto
1997/1998 FC Porto
1998/1999 FC Porto

Bulgarien

1953/1954 ZSKA Sofia
1954/1955 ZSKA Sofia
1955/1956 ZSKA Sofia
1956/1957 ZSKA Sofia
1957/1958 ZSKA Sofia
1958/1959 ZSKA Sofia
1959/1960 ZSKA Sofia
1960/1961 ZSKA Sofia
1961/1962 ZSKA Sofia

Rumänien

1992/1993 Steaua Bukarest
1993/1994 Steaua Bukarest
1994/1995 Steaua Bukarest
1995/1996 Steaua Bukarest
1996/1997 Steaua Bukarest
1997/1998 Steaua Bukarest

Polen

1962/1963 Gornik Zabrze
1963/1964 Gornik Zabrze
1964/1965 Gornik Zabrze
1965/1966 Gornik Zabrze
1966/1967 Gornik Zabrze

Finnland

2009 HJK Helsinki
2010 HJK Helsinki
2011 HJK Helsinki
2012 HJK Helsinki
2013 HJK Helsinki
2014 HJK Helsinki

Frankreich

2001/2002 Olympique Lyon
2002/2003 Olympique Lyon
2003/2004 Olympique Lyon
2004/2005 Olympique Lyon
2005/2006 Olympique Lyon
2006/2007 Olympique Lyon
2007/2008 Olympique Lyon

Schottland

1988/1989 Glasgow Rangers
1989/1990 Glasgow Rangers
1990/1991 Glasgow Rangers
1991/1992 Glasgow Rangers
1992/1993 Glasgow Rangers
1993/1994 Glasgow Rangers
1994/1995 Glasgow Rangers
1995/1996 Glasgow Rangers
1996/1997 Glasgow Rangers

Spanien

1961/1961 Real Madrid
1961/1962 Real Madrid
1962/1963 Real Madrid
1963/1964 Real Madrid
1964/1965 Real Madrid
1985/1986 Real Madrid
1986/1987 Real Madrid
1987/1988 Real Madrid
1988/1989 Real Madrid
1989/1990 Real Madrid

Weißrussland

2005/2006 BATE Baryssau
2007 BATE Baryssau
2008 BATE Baryssau
2009 BATE Baryssau
2010 BATE Baryssau
2011 BATE Baryssau
2012 BATE Baryssau
2013 BATE Baryssau
2014 BATE Baryssau
2015 BATE Baryssau

Schweiz

2009/2010 FC Basel
2010/2011 FC Basel
2011/2012 FC Basel
2012/2013 FC Basel
2013/2014 FC Basel
2014/2015 FC Basel

Offensichtlich ist der Fußball dort tatsächlich noch nicht gestorben. Hier muss man allerdings abwarten.

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Ist die EM-Quali wörklöch so schröcklöch öde?

Nun, das wissen wir noch nicht, ob die EM-Quali öde sein wird. Aber wir wollen es retrospektiv einschätzen können, ob sie es gewesen sein wird.

Jaja, der neue Qualifikationsmodus macht alles langweilig. Doch auch wenn man die Reform der EM (das dicke Ende kommt ja erst am, äh, Ende, also beim eigentlichen Turnier) hier nicht entschuldigen möchte: Schaut man sich die Gruppen genauer an, sind in den meisten zumindest die Plätze hinter dem vermeintlich sicheren Gruppensieger keineswegs so vorhersehbar, wie vielleicht anzunehmen war.

Deshalb das folgende Spielchen zur Einschätzung der Vorhersehbarkeit dieser EM-Quali. Auch wenn jetzt schon ein Spieltag rum ist, dürfte es für dieses Vorhaben noch nicht zu spät sein. Flugs noch mal nachgelesen: Die ersten beiden Teams qualifizieren sich direkt. Der punktbeste Gruppendritte ebenfalls. Die übrigen acht Gruppendritten spielen in den gehabten Playoffs gegeneinander die vier verbliebenden Endrunden-Teilnehmer aus.

Wer wird in den Gruppen jeweils Erster oder Zweiter und wer wird Dritter? Auflösung leider erst in anderthalb Jahren, aber dann sicher interessant zu sehen, wie viel man heute ahnte. Also bitte einmal für jede Gruppe die zwei sicheren direkten Qualifikanten und einen Dritten in den Kommentaren tippen. Danke.

Zur Einfachheit hier die Liste aller Gruppen mit ihren Teilnehmern:

Gruppe A: Niederlande, Tschechien, Türkei, Lettland, Island, Kasachstan.

Gruppe B: Bosnien und Herzegowina, Belgien, Israel, Wales, Zypern, Andorra.

Gruppe C: Spanien, Ukraine, Slowakei, Weißrussland, Mazedonien, Luxemburg.

Gruppe D: Deutschland, Irland, Polen, Schottland, Georgien, Gibraltar.

Gruppe E: England, Schweiz, Slowenien, Estland, Litauen, San Marino.

Gruppe F: Griechenland, Ungarn, Rumänien, Finnland, Nordirland, Färöer.

Gruppe G: Russland, Schweden, Österreich, Montenegro, Moldawien, Liechtenstein.

Gruppe H: Italien, Kroatien, Norwegen, Bulgarien, Aserbaidschan, Malta.

Gruppe I: Portugal, Dänemark, Serbien, Armenien, Albanien.

Gewinne gibt’s keine, außer einer imaginären vergoldeten Glaskugel, aber wie gesagt — erst in anderthalb Jahren. Eine sinnvolle Investition in die Zukunft also, hier mitzuraten/-expertisen.

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Gewinnspiel: Zwei Tore in der Verlängerung aufholen

Heute endlich wieder eine neue Folge der beliebten Reihe „Gewinnspiel ohne Gewinne“, bei dem es nur um den sportlichen Ehrgeiz geht, die aufgeworfene Frage möglichst umfassend zu beantworten.

Einem Amerikaner Fußball schmackhaft zu machen, sollte man vielleicht nicht unbedingt bei Fortuna Düsseldorf versuchen. Verstehn‘S mich nicht falsch: das ist ein tolles Stadion mit super Stimmung. Aber die Rede ist hier nicht von 2013, der Versuch liegt schon einige Jährchen zurück. Der Herr kannte Fußball aber ohnehin schon vorher und hatte sein Urteil für sich bereits seit geraumer Zeit gefällt und war wohl eher aus Höflichkeit dann doch mit ins Stadion gekommen.

Das Kernproblem des Fußballs lautet seiner Auffassung nach:

„Wenn eine Mannschaft 0:2 hinten liegt, ist das Spiel eigentlich immer entschieden.“

In vielen Fällen mag das zutreffen. Das 5:3 in Schweden der deutschen Mannschaft war der erste Sieg nach einem 0:2-Rückstand in einem Pflichtspiel seit 1954 (!), seit jenem 3:2 gegen Ungarn nämlich. 50 Jahre sind dann schon mal gut zwei Drittel eines Menschenlebens.

Noch dramatischer wird der Fall, wenn man statt insgesamt 90 Minuten nur noch 30 Minuten oder in unserem Fall, siehe unten, zwangsläufig sogar weniger Zeit hat, einen Zwei-Tore-Rückstand wenigstens zu egalisieren. Wenn man nämlich von der Verlängerung spricht.

Von einer der ganz wenigen Verlängerungen im hochklassigen Fußball, in der es einer Mannschaft gelang, in der Verlängerung einen Zwei-Tore-Rückstand aufzuholen, spricht übrigens heinzkamke in wunderbarer, feinster Detailarbeit (das kann man gar nicht genug loben, so gelungen ist dies) zusammengestellter Worte in seinen Fünf Zeilen, die der Fußball schrieb (XLVII).

Die Rede ist von jener Partie, welche auch die Leser von Trainer Baade jüngst zu einer ihrer beiden liebsten Partien aller Zeiten gewählt hatten. Es geht um das WM-Halbfinale 1982 zwischen Deutschland und Frankreich.

Drüben bei angedacht warf wiederum Gunnar vom Stehblog die Frage auf, in welchen anderen relevanten Partien es dieses Phänomen schon mal gegeben habe. Hier fiel kein Beispiel ein (nein, im „Jahrhundertspiel“ gab es nie einen Zwei-Tore-Rückstand), weshalb Hilfe mal wieder sehr willkommen wäre:

In welcher Partie gelang es einem Team, in der Verlängerung einen Zwei-Tore-Rückstand aufzuholen?

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„Es ist ein Pokal“ — das Logo der EM 2016 in Frankreich

Hm, Fußball also. Ein großes Fußballturnier in der nicht so großen Fußballnation Frankreich, was könnte man da als Logo nehmen?

Vielleicht etwas ohne jeglichen Inhalt? Ja, eine gute Idee. Also abgesehen von dem, was ohnehin klar ist. Die besten Fußballer Europas spielen in Frankreich (die haben eine Nationalflagge in drei Farben) um die Europameisterschaft. Der Gewinner erhält einen Pokal. Dann … nehmen wir doch einfach den Pokal und machen drumherum ein bisschen was in den Farben Frankreichs. Auf dass sich schon im August 2016 niemand mehr an dieses Logo wird erinnern können. Denn das wollen wir ja erreichen, totale Beliebigkeit, in der jeder etwas für sich findet, aber niemand sich an irgendetwas am Logo stören kann.

Also ganz anders als das Logo der WM 2006 und damit wurde wieder einmal bewiesen, dass die Franzosen eben Stil im Blut haben — und die Deutschen, also das Organisationskommitee der WM, da irgendwo einen Freund hatte, der doch auch mal was mit Grafikdesign … und herauskommt etwas, für das die Vokabel Fremdschämen noch zu niedrig gegriffen ist.

Für die EM 2016 also ein großes dickes Nichts. Nichts, was mit dem Turnier, einer Vision, einer Idee, der Kultur des Ausrichterlandes zu tun hätte, so harmlos wie harmlos nur geht. Beliebig und ohne Inhalt. Das aber immerhin so geschickt fabriziert, dass wer möchte, ein lachendes Gesicht im gezeigten EM-Pokal erkennen kann.

Positive Emotionen wecken, nicht anecken. Man könnte sich diese Logos inzwischen sparen, könnte man nicht?

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Das älteste Fußball-Stadion der Welt

Gemeinhin gilt der Hampden Park im schottischen Glasgow als das älteste Stadion der Welt. Leserinnen und Leser von Trainer Baade wissen es ab heute besser. Im französischen Örtchen Autun im Depertament Saône-et-Loire im Burgund spielt der lokale Fußballklub seine Spieler in einem Stadion, naja, auf einem Fußballplatz, der von einem alten römischen Amphitheater gesäumt ist, womit seine Tribünen ungefähr 2000 Jahre alt sein dürften und dadurch einiges älter als das am 9. Juni 1867 eröffnete Stadion Hampden Park.

So sieht es dann aus, wenn man in Autun Fußball spielt, der Platz im Hintergrund rechts, vorne das Amphitheater, welches offensichtlich auch für profane Veranstaltungen wie Musikkonzerte genutzt wird. Da darf man annehmen, dass man sich auch bei Fußballspielen auf die Jahrtausende (zwei, um genau zu sein) alten Steintribünen des Amphitheaters von Autun setzen darf. Womit es das älteste Fußballstadion der Welt sein dürfte, wenn auch nicht zu diesem Zweck errichtet. Oder weiß jemand von einem noch älteren Stadion, in welchem heute dieser neumodische Fußball gespielt wird? Älter als das Stadion aka Amphitheater des Football Club Autonios?

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Die Plakate der Gastgeberstädte der WM

Ohne besonderen Anlass wandert der Blick hier auf die WM-Plakate der Austragungsstädte der vergangenen Weltmeisterschaften. Warum es diese Einrichtung manchmal gab und manchmal nicht, ist bislang nicht eruiert. Eine Quelle spricht davon, dass es diese erst seit 1998 gibt, dem widerspricht aber die Existenz der Plakate der WM-Städte von 1982. Und Gründe sind auch keine bekannt.

Jene der WM 2010 — obwohl vorhanden — sind völlig an mir vorbei gegangen. Bei jenen von 1982 kannte ich nur das Plakat von Gijon (Gijon!) und Oviedo, in jenes von Bilbao hab ich mich spontan verliebt, bin aber zu sehr Banause, um möglicherweise enthaltene Assoziationen entdecken zu können.

WM 1950 in Brasilien
WM 1954 in der Schweiz
WM 1958 in Schweden
WM 1962 in Chile
WM 1966 in England
WM 1970 in Mexiko
WM 1974 in Deutschland
WM 1978 in Argentinien
WM 1982 in Spanien
WM 1986 in Mexiko
WM 1990 in Italien
WM 1994 in den USA
WM 1998 in Frankreich (leider nur 5 von allen)
WM 2002 in Japan und Südkorea
WM 2006 in Deutschland
WM 2010 in Südafrika

Falls jemand Links zu den Plakaten der Austragungsorte der fehlenden WM findet, würde ich mich sehr freuen, dies in den Kommentaren zu erfahren.

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Eric Cantonas besonders schlappe Variante des Panenka



1. Runde im französischen Pokal, Eric Cantona vergibt für Girondins Bordeaux gegen AS Beauvaix im Januar 1989 (ohne Gewähr).

Ein dermaßen schlapper „Panenka“, dass der Torwart es sogar schafft, nach seinem Hecht in die eine Ecke noch einmal aufzustehen, in die andere Ecke zu laufen und den Ball aufzunehmen. So schlapp, dass man zwei Mal hingucken muss, um zu begreifen, wie gurkig dieser Elfmeter geschossen wurde.

Eric Cantonas späterer glänzend inszenierten Selbstvermarktung hat dieser doch beinahe peinlich anmutende Fehlschuss dann allerdings nicht geschadet.

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Cool retourniert Valérien Medienschelte

In der letzten Woche führte eine plötzliche Eingebung während einer „nächtlichen Internetsafari“ (© Stadioncheck) dazu, nachzuschauen, was denn eigentlich Harry Valérien macht. Er lebte in Bayern und freute sich seines Lebens, war zu erfahren, er sei zwar nicht mehr sehr kameraaffin, treibe aber regelmäßig noch Sport, zumindest Wandern. Das war in der letzten Woche. Nun ist er tot.

Harry Valérien ist gestorben, für jede und jeden in meiner Generation und drumherum wohl der Sportreporter schlechthin, noch weit vor Manni Breuckmann, Adi Furler oder Jochen Hageleit.

Mir war damals immer klar, dass Harry Valérien entweder ein Alien oder ein Österreicher oder ein Luxemburger sein musste. Ein Deutscher konnte er nicht sein, weil er a) so einen französischen Nachnamen trug, der zusätzlich zum Akzent auf dem erste E in meiner Muttersprache auch keine Bedeutung transportierte, b) einen so herben Akzent sprach, dazu immer wieder stakkato-artige Aussetzer in seinen Satzmelodien hatte, dass er nun mal kein Deutscher sein konnte. Oder vielleicht zwar vom Pass her Deutscher, aber in Monaco aufgewachsen, vielleicht auch in Rumänien, aber niemals ein eingeborener Deutscher. Und dass sich ein Ausländer so sehr für deutschen Sport interessiert und das sogar zu seinem Beruf machte, das war natürlich schon eine besondere Auszeichnung dessen, über was er dort berichtete.

Mittlerweile weiß man, in München geboren und aufgewachsen, mit der für jene Generation typischen Zeit in alliierter Kriegsgefangenschaft, war er eigentlich dann doch absolut deutsch, nur eben kein Preuße. Daher auch der mit westdeutschen Ohren gehört fast unnatürliche, starke Akzent. Sicher Rumäne. Oder Ungar. Nein, Münchner, aha. Die durch all diese Umstände von meinem Hirn nur konstruierte Besonderheit hätte Harry Valérien allerdings gar nicht nötig gehabt, schließlich war er durch sein Tun ein außergewöhnlicher Sportberichterstatter, wie wir gleich noch unten sehen werden.

Was mich bei all den bislang konsumierten Nachrufen wundert, ist das Fehlen einer — jedenfalls für „uns“ damals — ganz wichtigen Komponente des Schaffens von Harry Valérien. Nun gut, dass er womöglich nur seinen Namen fürs Cover hergab und mit den Inhalten eventuell gar nichts zu tun haben könnte, das ahnte man erst später. Aber Harry Valérien ist uns allen — und ich kenne niemanden, der wirklicher Fußballfan ist, der nicht eine Ausgabe davon besitzt oder besaß — bekannt ist er uns allen natürlich wegen seiner WM- und EM-Bücher, wie Benny Berger hier seines zeigt und ich selbst auch diverse besaß (bis sie mir in einer Nacht- und Nebel-Guerilla-Aktion während der WM 1998 geklaut wurden, aber das ist eine andere Geschichte). Solch eines, solch eines oder auch solch eines.

Dazu hatte er natürlich das Glück, dass er in einer Zeit tätig war, in der einerseits das Volk in Deutschland nur drei Sender hatte, die Chance, das man ihm abends zusah, also bei etwa einem Drittel lag, so man an jenem Abend fernschaute. Außerdem bewirkte dieses dünne Medienangebot, dass man sich auch als Flachlandtiroler für Skiabfahrten oder Golfturniere im fernen Florida interessierte, in Ermangelung an Alternativen im sportlichen Fernsehprogramm. Und Harry Valérien andererseits in einer Zeit wirkte, in der das Fernsehen sich noch nicht als Partner der Bundesliga verstand, sondern eben als neutraler Berichterstatter. Und da die meisten sein Wirken nicht selbst miterlebt haben, wollen wir mal schauen, wieso Harry Valérien so sehr geschätzt und als derart integer wahrgenommen wurde.

Da gibt es sicher viele Beispiele, aber weil hier das Thema Fußball lautet und nicht Golf, Schwimmen oder Ski, soll es eben auch ein Fußballbeispiel sein. Et voilá, ein weiteres Resultat jener eingangs erwähnten nächtlichen Internetsafari stand dann auch sofort bereit: Harry Valérien im Gespräch mit einem der schwierigsten Charaktere, die es im deutschen Fußball gibt. Auch und erst recht damals schon, ohne dass Valérien locker lässt oder aber arrogant wird. Von beeindruckender Konsequenz, wobei man den heutigen Reportern zugute halten muss, dass es unter den heutigen Aktiven gar niemanden mehr gibt, an dem man sich derart abarbeiten könnte, wie Valérien diese Gelegenheit damals zuteil wurde, im Sommer 1982, als er an einem spanischen Hotelpool vor johlenden Touristen dieses Enfant Terrible des deutschen Fußballs vors Mikrofon bat. Ein echtes „Musssehen“, dieser Link:

Harry Valérien interviewt einen grantigen, medienscheltenden Fußballer.

Beziehungsweise für den Fall, dass der Link irgendwann nicht mehr funktionieren sollte, das Video auch gleich hier im Bild.



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Erste schwarze Spieler in Fußballnationalmannschaften

Anlass war ein Link von Lizas Welt zu einem Blog-Beitrag des Independent, der sich mit einer italienischen (!) Karikatur von Mario Balotelli als King Kong (welcher ein Affe ist) beschäftigt. In diesem Beitrag fällt auch der Name Viv Anderson, welcher der erste schwarze Spieler in der englischen Nationalmannschaft war.

Landläufig wurde dem Zuhörer Mario Balotelli während der EM als erster schwarzer Spieler in der Nationalmannschaft verkauft. Als geübter Korinthenkacker glaubt man das natürlich nicht, ohne es selbst geprüft zu haben. Der erste schwarze Spieler der Squadra Azzurra war im Jahr 2001 Fabio Liverani. Angesichts der Entwicklung der Menschenströme in und durch Europa ist auch 2001 immer noch sehr spät, aber eben nicht erst 2012.

Davon inspiriert begann der Blick auf die Jahreszahlen, in denen andere Fußballnationen zum ersten Mal einen Spieler mit dunkler Hautfarbe in ihre Nationalmannschaft beriefen und auch aufstellten. Die Zahlen sprechen erst einmal für gar nix, außer für sich selbst. Chronologisch sortiert bietet sich folgende Liste:

1881 Schottland: Andrew Watson
1914 Brasilien: Artur Friedenreich
1931 Frankreich: Raoul Diagne
1931 Wales: Eddie Perris
1937 Portugal: Guilhermo Esperito Santo
1950 USA: Joe Gatjens
1951 Schweiz: Raymond Bardel
1960 Niederlande: Humphrey Mijnals
1965 Österreich: Helmut Köglberger
1970 Australien: Harry Williams
1974 BR Deutschland: Erwin Kostedde
1978 England: Viv Anderson
1979 Irland: Chris Hughton
1987 Belgien: Dimitri M‘Buyu
1990 Schweden: Jean-Paul Vondenburg
1994 Dänemark: Carsten Dethlefsen
1994 Griechenland: Daniel Batista
1998 Spanien: Vicente Engonga
1998 Norwegen: John Carew
2000 Polen: Emmanuel Olisadebe
2001 Italien: Fabio Liverani
2002 Japan: Alex
2004 Kroatien: Eduardo
2006 Türkei: Mehmet Aurelio
2011 Tschechien: Theodor Gebre Selassie
Russland, Ukraine: Fehlanzeige.
Argentinien, Uruguay: keine Antwort gefunden.

Alle Daten ohne Gewähr. Falls also jemand bessere Informationen hat, gerne her damit.

Dann allerdings sprechen die Zahlen doch dafür, dass ehemalige Kolonialmächte qua Möglichkeit deutlich früher begannen, Schwarze in ihren Nationalteams aufzustellen, während ehemalige Ostblockstaaten die Nachzügler bilden, wohl da Immigration lange Zeit nicht möglich war.

(Etwaige Diskussionen, dass Hautfarbe ein Kontinuum ist, und es genauso wenig Klassen bei Hautfarben geben kann wie es Rassen unter den Menschen gibt, dazugedacht.)

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Ganz großer Sport: Das Olympiafinale 1984

Heute beginnt — wie üblich bereits vor der Eröffnungsfeier — das Fußballturnier der Olympischen Sommerspiele 2012 in London, mit dem ersten Spiel des Wettbewerbs der Frauen. Großbritannien tritt als Ausrichter zufällig gegen ein Land an, in dem die Queen weiterhin Staatsoberhaupt ist: Neuseeland. Wäre die Queen nicht Staatsoberhaupt von beiden Nationen, sondern Besitzer, wäre diese Paarung also in der Champions League so nicht möglich. Morgen folgen die Männer mit der Partie Honduras — Marokko, welche bereits um 12h angestoßen wird.

Doch eigentlich, wenn man ehrlich ist, ist Fußball bei Olympia bei den Männern ein ganz merkwürdiges Surrogat, schmeckt nicht so richtig und die Zusammenstellung der Teams ist auch fragwürdig. Nur Spieler unter 23, damit die FIFA-WM nicht entwertet wird, gleichzeitig dürfen aber 3 Spieler über 23 im Kader stehen, damit dann wohl doch der eine oder andere namhafte Spieler teilnehmen kann.

Doch Surrogatgeschmack und Farblosigkeit, das muss nicht immer für Fußball bei Olympia gelten. 1984, jene großen* Olympischen Sommerspiele in Los Angeles, bei denen der komplette Ostblock außer Rumänien** nicht teilnahm, sahen ein ebenso großes Fußballturnier mit einem Finale, das ausgerechnet in den USA über 100.000 Menschen in der Rose Bowl, Endspielort der WM 1994, verfolgten. Welche einen Vorgeschmack auf eines der besten Spiele der WM 1986 bekommen sollten, denn es trafen sich zum Spiel um die Goldmedaille(n):

Frankreich und Brasilien.

Hier ein viel zu kurzes Video, das die Atmosphäre von dieser Finalpartie dennoch ganz gut transportiert. Erstaunlich übrigens, dass der Vater von Ben Redelings mal in Brasilien als TV-Moderator arbeitete.



Hier die selben Tore mit jubelndem französischem statt brasilianischem Kommentar.

Wesentlich mehr interessante Details zum Olympia-Finale im Fußball 1984 bei Pitch Invasion.

** Welches prompt Platz 2 des Medaillenspiegels hinter den USA und vor der Bundesrepublik Deutschland erreichte.

* Groß natürlich aus zwei Gründen.

PS: Was ich immer schon mal angemerkt haben wollte: Auch wenn das bei Videos aus den 1980er Jahren oft so wirkt, als hätte damals noch jemand auf dem Fahrrad neben dem Fernseher für Strom sorgen müssen: Die Bildqualität war nicht so schlecht, wie es derartige Videos vermuten lassen. Man konnte auch damals schon ganz normal Fernsehn gucken, ohne Schnee, ohne Rauschen. Sogar aus LA.

(Fang ich jetzt an wie Opa ausm Krieg zu klingen? Dann bitte das PS einfach streichen.)

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