Zum Inhalt springen

Schlagwort: Fans

Pfeiffer mit drei f

Ich muss zugeben, dass ich nicht pfeifen kann. Als Schiedsrichter bin ich sowieso eine Null, viel zu schnell muss man Entscheidungen treffen, obwohl einem manchmal die Sicht versperrt ist oder das zu bewertende Ereignis 40m entfernt stattfindet. Es ist erstaunlich, wie stark die Krümmung auf Fußballplätzen ist, die man extra angelegt hat, damit Regenwassser und natürlich die riesigen Bäche von Schweiß, die die Spieler auf den Rasen ergießen, seitlich ablaufen können. Die Krümmung ist so stark, dass man meint, man sähe schon die Erdkrümmung, wenn sich ein Spieler in der anderen Spielhälfte befindet. Der Faktor der mangelnden Sicht bleibt aber nicht alleine. Noch dazu bewegt sich der Ball so schnell, teilweise mit 100km/h und mehr, dass er in einer Sekunde 30m zurücklegt und in vier Sekunden theoretisch von einem Ende des Spielfeldes zum anderen fliegt. Somit kann in einer Sekunde ein Ereignis mit Ball an einem Ort und nur eine Sekunde später an anderen Ort stattfinden, der vom Ursprungsort fast ein Drittel des Spielfeldes entfernt liegt.

Nun sind von den zwölf Hauptnervensträngen, die das Hirn in Richtung Rest des Körpers verlassen, zwar sage und schreibe sechs alleine für die Steuerung der Augen zuständig; es reicht aber nicht aus, die Ereignisse allein zu sehen, man muss sie erfassen, um sie bewerten zu können. Und diese Ereignisse laufen auf einem Fußballplatz für mich einfach viel zu schnell ab, selbst wenn man von den untersten der unteren Ligen spricht, wo mit ein paar älteren Herren und ein paar Bewegungslegasthenikern auf dem Platz das Tempo meist so atemberaubend nicht ist.

Hinzu kommt noch, dass Regelverstöße ja nicht nur dort stattfinden, wo sich der Ball gerade befindet, sondern zu jeder Zeit an allen Orten des Spielfeldes (ein illustres Beispiel ist Zidanes Tätlichkeit im WM-Finale, als der Ball ganz woanders war und der Hauptschiedsrichter in Richtung des Balles schaute). Deshalb müsste man eigentlich alle 22 Spieler gleichzeitig im Auge behalten und noch dazu den Ball. Dass das mit nur zwei Augen und einem Gehirn unmöglich ist, ist klar. Selbst wenn vier weitere Augen hinzukommen — de facto sind es dann meist doch nur zwei, weil einer der beiden Assistenten stets weit weg vom Geschehen ist — sind das immer noch nur sechs Augen für 22 Spieler und einen Ball. Ziemlich wenig. Hut ab also vor jener seltsamen Gattung Mensch, die lieber über ein Spiel richtet, statt es selbst zu spielen. Ein für mich ähnlich unverständliches Phänomen wie die Gattung Musik- (Kino-, Theater-, ad lib) Kritiker, die lieber über ein Erzeugnis mäkelt, als dergleichen selbst zu produzieren. Während ich die Musik- (und so weiter) Kritiker aber nicht so würdige, gebe ich den Herren Schiedsrichtern allen meinen Respekt.

Eigentlich wollte ich aber darüber schreiben, dass ich nicht pfeifen kann, in dem Sinne wie Fans im Stadion pfeifen, wenn sie ihre Mißbilligung ausdrücken wollen. Pfeifen wie man unter der Dusche pfeift kann ich hingegen, und tue es auch. Aber so wie die Zuschauer in den Arenen (wie sie ja inzwischen alle heißen) pfeifen, das kann ich nicht. Ich kann nur so pfeifen, wie man eben ein Liedchen trällert. Das hört man über ca. 15 Meter hinweg, weiter nicht. Und da ich meistens weiter als 15 Meter vom Rasen weg bin und es noch dazu reichlich lächerlich wirkte, mit der Phonstärke eines unter der Dusche Pfeifenden im Stadion seine Meinung kund tun zu wollen, lasse ich es sein.

Aber selbst wenn ich es könnte, würde ich nicht ins Stadion gehen und pfeifen. Nein, ich bin nicht der Gutmensch vom Dellplatz, der niemals ein böses Wort sagt. Ich verstehe nur nicht, wie man sich anmaßen kann, auch wenn man Eintritt bezahlt hat, die Leistung eines Spielers so zu bewerten, dass man zu dem Schluss kommt, dieser habe es verdient, ausgepfiffen zu werden.

Ebenso bin ich immer peinlich berührt, wenn neben mir geifernde Menschen in tatkräftiger Mißachtung der vom Dummschwätzer immer wieder angemahnten Kinderstube nichts anderes fordern als die Entlassung eines Arbeitnehmers. „Trainer raus“, brüllen sie direkt in mein Ohr und ich frage mich, wie sie es fänden, wenn vor ihrem Arbeitsplatz eine Menschenmasse skandierte „Busfahrer Karl entlassen!“ oder „Schlosser Manfred raus!“ Aber so ist es eben, die Masse geht ins Stadion, weil sie brüllen will. Es gibt Stadien, die man euphemistisch Orte mit „besonders kritischem Publikum“ nennt. Tatsächlich sind das Stadien, in denen ein großer Teil der Zuschauer nur deshalb kommt, um zu fordern, dass ein Spieler oder Trainer gefeuert respektive ausgewechselt, geteert und gefedert, dennoch aber anschließend mit größtmöglichem Gewinn verkauft werden soll.

Selbst wenn man die Tatsache außer Acht lässt, dass sie einfach nur fordern, dass einer entlassen werden soll, ohne dass sie wüssten, wer denn dann stattdessen die Arbeit macht, ohne dass sie eine Alternative vorschlagen: Es ist abschreckend anmaßend, die Entlassung von jemandem zu fordern, dessen Arbeit man in den meisten Fällen nur 180 Minuten pro Monat begutachten kann und dann sogar nur in jenen Momenten seiner Arbeit, in denen er am wenigsten regulierend eingreifen kann. Was er unter der Woche mit seinen Schützlingen übt, einstudiert oder bespricht, kann man in diesen 180 Minuten doch nicht einschätzen.

Pfeifen.

3 Kommentare

Faule Praktikanten, faule Redakteure

Ich weiß, manchmal ist man einfach zu „foul“ zum Googlen. Dass man aber bei Spiegel Online so etwas einfach ungeprüft online stellt, riecht schon fast nach Privatblog.

Ein gewisser Elmar schreibt über seinen FC Bayern und die Gründe dafür, deren Fan geworden zu sein — eine Serie die wir nun schon seit Wochen über jeden x-beliebigen Bundesligaverein ertragen müssen.

Dabei schreibt er über die relative Harmlosigkeit der Reaktionen, die ein Fan des VfL Wolfsburg im Vergleich zu einem Fan des FC Bayern angeblich auslösen würde:

„Für die Einen bin ich ab sofort Abschaum, war das Verhältnis zuvor auch noch so herzlich. Die Anderen reagieren begeistert, was allerdings eher selten vorkommt. Dazwischen gibt es … nichts. Aber wer will schon die neutrale Mitte? Die soll mal schön in Wolfsburg bleibe.“

Selbst der letzte Hinterwäldler muss hier leicht keuchen, wenn nicht gar hüsteln, wenn nicht gar aufhusten: Gibt es ein größeres Sinnbild für republikweite Unbeliebtheit als den VfL Wolfsburg? „Neutral“ sind Vereine (jeweils außerhalb ihrer direkten Nachbarschaft) wie Hannover, Stuttgart oder Bochum. Den VfL Wolfsburg verachtet jeder normale Fußballfan, dem noch nicht der gesunde Menschenverstand abhanden gekommen ist.

Zweiter Fauxpas, der leichter zu beheben gewesen wäre:

„Dafür haben wir Real dann wie immer aus dem Europacup gekegelt.“

Ein kurzer Blick in die auch von mir gestern bemühte Bilanz bei fussballdaten.de hätte genügt, um zu wissen, dass bei einem zweitmaligen „Rauskegeln“ nach einem erstmaligen „Rauskegeln“ nur willentliche Verfremder von einem „wie immer“ sprechen können.

Aber was soll man schon von einem Artikel eines Fans erwarten, wenn selbst die Redakteure manchmal zu foul sind?

10 Kommentare

Zweite Liga Nord

Erinnert sich noch jemand an die Tabellensituation der Regionalliga Nord der letzten Saison? Selbst im fortgeschrittenen Stadium der Saison war man mit zwei Siegen in Folge auf einem Aufstiegsplatz, mit zwei Niederlagen in Folge dann wieder in Abstiegsgefahr. Natürlich ist es nach vier Spieltagen zu früh, um ein ähnliches Szenario für die zweite Liga zu befürchten bzw. zu erhoffen. Angesichts der andernorts schon ausreichend beschriebenen Fülle an Vereinen, die den Weg in die erste Liga anstreben (und „zurück“ gilt hier für die meisten von ihnen), wäre es doch äußerst prickelnd, wenn wir auch im April 2008 erst 1860 München oben sähen, eine Woche später den FSV Mainz, in der folgenden Woche Alemannia Aachen, danach den SC Freiburg ad lib.

So wenig Spannung die erste Liga — scheinbar — ganz oben verspricht, so dramatisch und eng könnte diese Zweitligasaison verlaufen.

Die Überschriften der verlinkten Spieltage lauten übrigens folgendermaßen:

Dichtes Gedränge um Rang Zwei
Spieler von eigenen Fans bedroht
St. Pauli plötzlich dabei
Lotterie um den Aufstieg
Wuppertaler Reifeprüfung
VfB kippte VfL vom Sockel
Osnabrück schon wieder zurück
Sachsen im Aufschwung
Völlig neues Spitzenfeld
Magdeburg vor dem Durchmarsch
Pauli plötzlich obenauf
Feiertag in Magdeburg
Fast alles gelaufen
Letzter Strohhalm für Osnabrück
Immer noch ein Vierkampf
Später Jubel in Osnabrück

1 Kommentar

Der Pessimist ist der Realist

Der Optimismus in Österreich scheint keine Grenzen zu kennen, wie dieser Screenshot von einer Umfrage bei sport1.at beweist.

[photopress:_fb_aus_nach_vorrunde.jpg,full,centered]

„at“ steht übrigens für Austria, und man darf davon ausgehen, dass diese Umfrage nicht mehrheitlich von deutschen oder schweizerischen Fans gekapert wurde. Oder wie oft seid Ihr auf der österreichischen Ausgabe von Sport1?

7 Kommentare

No-Go-Area

Bei der WM gab es einst No-Go-Areas für ausländische Touristen, bei der EM gibt es solche für inländische Krawallmacher: No-Go-Areas für Hooligans in Zürich.

2 Kommentare

Der Ferrari unter den Fanshops …

… steht definitiv bei der SG Wattenscheid 09:

[photopress:ferrari_der_fanshops.jpg,full,centered]

Wohlgemerkt entstand diese Aufnahme während eines Spiels der SG mitten im Stadion. Man kann nur vermuten, ob der Mülleimer, der direkt vor dem Verkaufsfensterchen des Fanshops aufgestellt ist, auf die Qualität der dort zu erwerbenden Produkte schließen lässt oder ob er der beste Freund des links im Bild befindlichen Zuschauers ist. Danach beurteilt, wie dieser Sympath mir wenige Sekunden nach Erstellung des Fotos auf die Füße latschte und dann aus einer Mischung aus Verlegenheit und auf-keinen-Fall-abzugebender-Überlegenheits-Gestik verzerrt grinste, befürworte ich letztere Möglichkeit.

Vielleicht öffnet der Fanshop auch mal wieder seine Pforten, wenn er sich angesichts der auf ihn einströmenden Massen (und Geruchsemissionen, Fotos mit Geruch lassen noch auf sich warten) nicht ganz so eingeschüchtert fühlen muss. Oder wenn die SG Wattenscheid 09 mal wieder Bundesliga spielt. Dann also doch eher nie.

9 Kommentare

Aus 50 Euro 40.000 machen

Wie kommen eigentlich die Wettquoten im Fußball zustande? Eine Frage, die man sich immer wieder stellt, wenn die drei getippten Begegnungen erneut falsch waren. Dass die Quotensammler selbst Fans sein dürfen, überrascht in diesem Beitrag der ZEIT. Mein Höchstgewinn bei Oddset liegt übrigens bei 36,80 Euro. Kann jemand überbieten?

9 Kommentare

Getz ma wieder Aktionismus

Bei SPON lesen wir in den ansonsten nicht sehr weit reichenden Kurzpässen:

Beginnend mit dem Endspiel der U21-Europameisterschaft morgen, werden künftig alle Partien sofort abgebrochen, wenn Fans die Spieler mit rassistischen Gesängen beleidigen. Das teilte die Uefa heute mit.

Ich bin gespannt, wie lange das durchgehalten wird, wenn es nicht mehr ein im Endeffekt wirklich nur für die UEFA bedeutendes Turnier ist, sondern wenn es auch um reguläre Profiligaspiele geht.

Theoretisch müsste man dann 98% aller (Profi-)Spiele abbrechen, deshalb halte ich es für unwahrscheinlich, dass diese Regelung durchgehalten werden kann. Nette Idee, wird aber wieder nicht umgesetzt werden. So wie so viele andere Regeln, die zwar irgendwann mit großem Getöse eingeführt, dann aber selten auch nach dem Turnier, bei dem sie eingeführt wurden, konsequent angewendet wurden [1]: eine Minute Nachspielzeit pro Einwechslung und Tor, Rot für Grätschen von hinten, verletzte Spieler werden außerhalb des Spielfeldes behandelt, die Liste scheint fast endlos zu sein. Aber Konsequenz — ach, wo wären wir, wenn man Regeln konsequent umsetzte? Jedenfalls nicht auf dem Planeten Fußball.

[1] Natürlich darf man hier nicht UEFAs mit FIFAs vergleichen. Der UEFA traue ich da durchaus noch mehr Konsequenz zu. Sicher bin ich mir aber nicht.

2 Kommentare

Drama Queen

Man sagt, dass es zwischen zwei und drei Jahren dauert, bis ein Mensch, der zuvor sehend war und dann erblindet, vergisst, wie Farben aussehen. Schwierig vorzustellen für uns Sehende, dass man vergessen könne, wie Farben aussehen. Analog wird man, nehme ich an, auch nach Ertaubung innerhalb dieses Zeitraums vergessen, wie sich Musik, Geräusche, Sprache anhören; eine schreckliche Vorstellung — bezogen auf alle Sinnesmodalitäten. Man stelle sich vor, man verlöre seinen Tastsinn und wüsste irgendwann nicht mehr, wie sich Berührungen anfühlen, ganz gleich, ob nun die der Liebsten oder die des Wassers aus dem Duschkopf.

Zwei bis drei Jahre sind je nach Alter des Lesers viel oder nicht so viel, in meinem Alter klingt es eher nach ziemlich wenig. Wüsste ich jetzt schon, dass ich mich in zwei Jahren nicht mehr an den Geschmack von Erdbeeren noch an überhaupt irgendeinen Geschmack erinnern könnte, ich wüsste nicht damit umzugehen.

Zwei bis drei Jahre also, und genau diese drei Jahre ist es her, dass wir eine echte Sommerpause erlebt haben. EM 2004, Confed-Cup 2005, WM 2006. Jetzt ist es 2007 und meine, unsere letzte Fußball-Sommerpause war 2003. Davor war sogar noch WM 2002, an die ich mich wegen der ungewöhnlichen Anstoßzeiten besonders intensiv erinnere. Meine letzte Fußballsommerpause war also 2003, vier Jahre her. Ich muss zugeben, ich kann mich a) nicht mehr an das Gefühl des Fußballentzugs erinnern und b) nicht daran erinnern, was ich überhaupt stattdessen in jenem Sommer getan habe.

Nun rufen einige schon das Ende dieser Sommerpause aus, weil die Bundesligisten wieder mit dem Training beginnen. Tatsächlich endet die Sommerpause aber — Ligapokal hin oder her — erst mit dem ersten Bundesligaspieltag. Und das ist immer noch ein gutes Weilchen hin.

Eine völlig neue, zwei bis drei Jahre, Erfahrung mache ich zur Zeit: Ich erlebe die Wochenenden so wie ca. 50 Millionen andere Deutsche und unzählige weitere Nicht-Sportinteressierte auf der ganzen Welt. Das Wochenende ist frei.

Frei bedeutet: Es gibt keine Höhepunkte, es gibt keinen Plan, es gibt nichts, was Dramatik verspricht, es gibt nichts, was entschieden oder zumindest vorentschieden wird. Es plätschert so dahin, und zwar dermaßen laut, dass man vor Plätschergeräuschen kaum schlafen kann.

Sicher ist es eine interessante Erfahrung, zu sehen, wie andere Menschen das Wochenende erleben. Als Zeitraum der Muße, der Entspannung, vielleicht auch des aktiven Sports (Läufer, Volleyballer und Tennisspieler interessieren sich ja eher selten wirklich für Fußball), Zeit dafür, liegen gebliebene Dinge zu erledigen oder einfach nichts zu tun.

Diese Ereignislosigkeit des Wochenendes wird von den Nicht-Sportinteressierten bestimmt gar nicht so erlebt, im Gegenteil passiert gerade deshalb viel am Wochenende, weil man Abwechslung von der Arbeit findet, die Gelegenheit zu einem Städtetrip oder zu einem Spaziergang im Wald nutzt. Vielleicht besucht man mal wieder Oma in Gütersloh, vielleicht den Neffen in Finsterwalde, vielleicht macht man gar einen Kurs, der einem Spanisch, Koreanisch oder Tai Chi beibringt. Es ist also alles keine verlorene Zeit und noch nie hörte man einen Nicht-Sportinteressierten über die Langeweile seines Wochenendes klagen.

Für uns Fußballjunkies ist das aber gänzlich anders: Normalerweise lebt die ganze Woche davon, sich auf das Spiel am Wochenende vorzubereiten, sei es, weil man Karten hat, sei es, weil an jenem Tag das Derby (welches auch immer) ansteht, man den Abstieg oder den Verlust des Meistertitels fürchtet. Jede Woche ein Orgasmus frei Haus, ja, auch Enttäuschung, aber auch Jubel, Freude, Adrenalin und Endorphin satt und genug. Mag sein, dass am selben Wochenende das Date mit der heißen Rothaarigen ansteht, ein neues Auto gekauft oder der Sohn nach Fahrradunfall ins Krankenhaus eingeliefert wird: Entscheidend und dominierend bleibt das Spiel am Wochenende.

Ohne ein solches Spiel erscheint das Wochenende leer und überflüssig. Man könnte eigentlich die ganze Zeit im Bett bleiben. Es wird ja doch nichts entschieden und es werden auch keine Punkte vergeben. Es passiert nichts. Regungslos sitzt das Wochenende da und blickt uns an. Wir starren zurück, aber wir können nichts in ihm erkennen.

Jetzt, da die Sommerpause ein paar Wochen alt ist, muss ich konstatieren: Was für ein seltsames Leben diese anderen Menschen doch führen — frei von Höhepunkten, frei von Spannung. Ein in jeglicher Hinsicht freies Wochenende. Nein, ich möchte nicht tauschen.

7 Kommentare

Verdrießlichster WM-Moment

So.

Die Saison ist vorbei.

Die WM auch, schon länger.

Wer sich noch erinnert: Das waren vier Wochen Fußball galore in 12 Stadien in Deutschland. Schöne Spiele gab’s kaum, dafür viel schönes Wetter in den Schau-Arenen. So habe ich auch nicht bereut, nicht in Urlaub gefahren zu sein.

Viele ließen sich von der Begeisterung anstecken, die sonst nie auf die Idee kämen, in ein Stadion zu gehen. Für manchen ist das ein Unheil, ich fand’s toll, dass Leute, die sonst eher die Augenbraue heben (je nach Lateralisierung links oder rechts), wenn man über die Bundesliga schwadroniert, plötzlich heiß interessiert waren, wie denn wohl die Aufstellung Tschechiens sein wird und ob Portugal mehr zu bieten hat als hübsche Männer.

Allerdings gab es trotz des kollektiven Taumels auch im Gallien zwischen Rhein und Elbe noch ein kleines, sich tapfer wehrendes Dorf von Fußballignoranten. Und ein Mitglied genau dieser Fraktion sitzt ausgerechnet beim allerspannendsten deutschen WM-Spiel seit Jahren genau hinter mir und rhabarbert sein niederträchtiges Gesülze ausgerechnet genau in mein Ohr.

So geht das nicht, liebe Fußballhasser.

Wer sich selbst bei einer rauschhaften WM im eigenen Land nicht für Fußball interessiert, der soll doch bitte diesen Fernsehübertragungen fern bleiben, und nicht nur deshalb dort aufkreuzen, weil ja eigentlich alle hingehen und fußballfreie Orte ziemlich menschen- und — O Wunder — bei einer WM sogar ziemlich frauenleer sind. Wen das nicht interessiert, der soll zu Hause bleiben, und nicht rumnörgelnd anderen den Spaß verleiden.

Als strikter Verfechter einer zivilisierten Gesellschaft mit einem Recht auf körperliche Unversehrtheit, welches auch Mörder oder sonstige Körperverletzer mit einschließt, wurde ich an diesem Abend auf eine harte Probe gestellt.

Ein Deutscher, auch ob seiner phänotypischen Erscheinung aller Wahrscheinlichkeit nach kein immigrierter, der mir 90 Minuten lang erzählt, wie gerne er die Deutschen verlieren sehen würde, wie scheiße die deutsche Mannschaft doch spielt und dass es eigentlich ohnehin nur eine Frage der Zeit sei, bis das erste Gegentor fällt, läuft Gefahr, dieses Recht kurzzeitig zu verwirken. Einfach auch aufgrund seiner Ignoranz der Verhältnisse vor Ort: von 100 Anwesenden sind 99 gefesselt, bestens amüsiert und noch dazu alle für Deutschland. Wäre er polnischer Abstammung gewesen und hätte er für den Gegner mitgefiebert: geschenkt. Wäre er einfach nicht an Fußball interessiert und hätte zum Ausdruck gebracht, wie sehr ihn diese Übertragung langweilt: geschenkt. Hätte er es beim einmaligen Ausdruck seiner Niederträchtigkeit belassen: geschenkt.

Er aber, den niemand gebeten hatte, zu diesem Fußballspiel zu kommen, der nicht mal selbst anwesend sein wollte, konnte nicht ablassen, ständig ein Tor für Polen heraufzubeschwören. Wäre ein solches erfolgt, wären auch meine Überzeugungen für kurze Zeit außer Kraft gesetzt worden. Ich bin froh, dass wir beide so schadlos aus dieser Situation herausgekommen sind. Er und ich.

Ich und Arschloch.

4 Kommentare

Für den Sofa-Fan

Hat man erstmal die 12 Jahre überschritten, ist es irgendwie albern, sich in Fanklamotten zu Hause vor den Fernseher zu setzen, um ein Fußballspiel des Vereins des Herzens (wegen Ausgelutschtheit zensiert) der Wahl zu schauen. Meist ist man dann ohnehin nur mit weniger Menschen vor dem Fernseher versammelt als die Hand Gottes Finger hat und außerhalb von Stadien und/oder Karneval haben infantile Verkleidungen von erwachsenen Menschen immer einen Anflug des Wunsches, sein Leben rückwärts leben zu wollen.

Wer aber überhaupt nicht darauf verzichten möchte, sich farblich mit den bunten Flecken auf dem Bildschirm zu identifizieren, der kann jetzt diese Fan-Pantoffeln [Link leider tot] überstreifen und nicht ganz so albern wirken, wenn die Nachbarn von gegenüber durchs Wohnzimmerfenster reinglotzen.

4 Kommentare