Wie es zuletzt eben immer so ist, habe ich gerade bei Twitter eine Aussage in diesem Text aufs Korn genommen, die da verkürzt lautet:
In der Bundesliga gibt es immer wieder selbstironische Gesänge.
Mir sind kaum welche bekannt, sieht man von der dann und wann auftretenden vermeintlichen Selbstabwertung als „Karnevalsverein“ oder „Penner, die unter Brücken schlafen“ ab, wobei da in beiden Fällen nicht sicher ist, ob überhaupt Ironie im Spiel ist.
Wie sich bei diversen Antworten bei Twitter zeigte, gibt es da aber doch so einiges, was vielleicht weniger bekannt ist, weil es sehr isoliert (nur beim FC St. Pauli) oder nur in unteren Klassen (beim FC St. Pauli oder Union Berlin) auftritt. Ist aber bekanntlich auch Bundesliga.
Damit nicht wieder alles im Twitter-Orkus verschwindet, erlaube ich mir, die Tweets hier als Kommentare einzufügen, sieht nicht schön aus, aber liest sich schön, denn da sind dann doch einige Perlen dabei. Wer sonst noch gelungene Ironie rund um die Bundesliga kennt, möge es gerne ebenfalls eintragen.
Klar, es war kein ganzer Tag, nur ein Abend, aber ein bisschen Liebe zur Alliteration ist hier natürlich verblieben. Für Unwissende: Die Turnhalle ist die Schalker Veltins-Arena, so wird sie jedenfalls gern gedisst, eben weil man das Dach schließen kann.
Ein Angebot, das man nicht abschlagen kann, flatterte ins Haus, nämlich das Schalker CL-Heimspiel gegen Real Madrid im Stadion zu sehen, und das kostenlos. Kann man wirklich nicht ablehnen, selbst wenn man keiner der 1000 Freunde ist, die dort stets zusammenstehen, in der Stadt der 1000 Feuer, von denen an jenem Abend allerdings nur noch ein paar wenige im Abendhimmel loderten. Strukturwandel und so. Apropos Wandel, Wandel auch der Fußballwelt, das gute, alte Parkstadion ist ja schon länger Geschichte und doch war dies mein erstes Spiel in dieser nicht mehr ganz neuen, aber noch frischen Veltins-Arena.
Sitzplatz Südkurve, recht weit oben im ersten Rang, also beste Sicht auf den ausfahrbaren Rasen und die sich darauf tummelnden Akteure. Beste Sicht auch auf die Nordkurve, die den besonderen Anlass des wahrscheinlich letzten CL-Heimspiels in dieser Saison mit einer gebührenden Choreo bzw. Spruchband und Konfetti feierte. Bewegte Bilder davon hat FANartisch gepostet.
Beste Sicht auf die Nordkurve und auch auf die Spieler, von denen einer besonders herausstach, nicht optisch (Real Madrid in grässlichem leuchtenden Pink gedresst), aber qua seiner Stellung selbst bei Real Madrid. Und hätte man dies nicht gewusst, so hätten einem die Schalker Fans schon klargemacht, um wen es geht. Bei jeder Ballberührung ging ein massives Pfeifkonzert auf Cristiano Ronaldo nieder, viele standen extra auf, um ihm einen oder zwei Stinkefinger zu zeigen und die Abneigung, der Hass beinahe, war physisch spürbar, so laut wurde gepfiffen. Tosender Jubel (!) im Stadion, als Ronaldo einmal etwas härter gefoult wird, allein, es nützte nichts.
Hatten die Schalker wenigstens schon mal die ersten 10 Minuten ohne Gegentor überstanden, so blieben sie auch in der folgenden Zeit einigermaßen im Spiel, wobei trotz des Einsatzes von Klaas-Jan Huntelaar, der immer wieder anzeigte, dass er frei bzw. sein kommender Laufweg frei wäre, es im Spiel nach vorne doch recht haperte. Angesichts des aktuellen Gegners wusste man aber nicht zu entscheiden, ob es an mangelnder eigener Durchschlagskraft lag oder an der Stärke der Defensive des Gegners. Diese war aber heute durchaus nicht komplett sattelfest, wie sich in der zweiten Halbzeit noch zeigen sollte.
Allein, es nützte nichts, Ronaldo auszupfeifen, denn kurz nachdem die Schmähungen ihren Dezibel-Höhepunkt erreicht hatten, war er schneller als alle Schalker in der Luft und netzte ins quasi leere Tor ein, weil Wellenreuther etwas weiter hinten die Flanke in Empfang nehmen wollte. Wozu es nicht kam, sondern zur kalten Dusche des Rückstands. Erstaunlicherweise aber keine kalte Dusche für die Stimmung, Sekunden nach dem Tor skandierte die Nordkurve umso lauter, wer hier Heimrecht habe etc. und insgesamt war das alles schon ein sehr würdiger Rahmen für ein CL-Heimspiel.
Kritisieren muss man dann aber doch den mangelnden Mut der Schalker, in der 2. Halbzeit nicht stringenter auf ihre Chancen zum Ausgleich zu spielen. Huntelaar war verletzt ausgewechselt worden, der ihn ersetzende Felix Platte machte seine Sache aber erstaunlich gut. Ebenso erstaunlich, als selten Schalke-Sehender, dass Kevin-Prince Boateng doch noch kein alter Mann ist, der tatsächlich ein wenig ordnende Hand im Vorwärtsspiel sein kann und sogar das eine oder andere nett anzusehende Trickchen mit einstreut.
Für mich ebenfalls äußerst überzeugend: Uchida. Der in der Presse teils die Note 4 bekam, da haben manche wohl ein anderes Spiel gesehen als ich. Die eine oder andere Flanke mehr hätte es durchaus in den Strafraum sein dürfen, statt sich allzu häufig dabei blocken zu lassen, aber wer so viel Alarm gegen Real Madrid in dessen Hälfte macht, dem kann man keine unterdurchschnittliche Leistung attestieren. Oder ist er an anderen Tagen noch deutlich besser? Okay, dann ist der Gegner aber wahrscheinlich auch ein anderer.
Nicht in Champions-League-Form war hingegen der auffällig indisponierte Roman Neustädter. All das, was man eigentlich von jedem Profi erwartet, nämlich Pässe über 10 Meter in 98% der Fälle ans Ziel zu bringen sowie eine gewissen geistige Wachheit über den gesamten Spielverlauf hinweg, ließ er völlig vermissen. Immer wieder seltsam, wie eigentlich fähige Leute in solche Löcher fallen können, wie man sie in anderen Sportarten doch eher selten sieht. Natürlich ist die Präzision mit den Füßen immer eine andere als mit den Händen, aber genau deshalb spielen diese Spieler doch dort in einer Profimannschaft und nicht wir oder der Fan, der letztens meinte, dass er auch nicht schlechter als Ibisevic sei. Was natürlich völliger Quark ist, und doch sieht man dann solch einen Abend wie jenen von Neustädter.
Völlig mit dem falschen Fuß ins Spiel gegangen war auch Max Meyer, der spät eingewechselt wurde. Wie er in seinen Dribblings zwar durchkam, dann aber immer weiter dribbelte und kaum Sinnvolles zusammenstöpselte, erinnerte er in seiner Art, ein Versprechen auf die Zukunft zu sein, an Marko Marin. Der dieses Versprechen auch nie einlöste. Allerdings hat Meyer dafür noch ein wenig mehr Zeit als Marin, und an 20 Minuten gegen Real Madrid sollte man wohl nie einen Spieler messen.
Schalke traf dann zwar noch die Latte, hatte eine weitere Szene im Fünfmeterraum, als eigentlich nur noch jemand den Ball reinstochern hätte müssen, aber es gelang nicht. Stattdessen entschied ein Gewaltschuss von Marcelo fast in den rechten Winkel die Partie, da war die Messe gelesen in der Turnhalle. Sehenswert, wie das Video zeigt, auch wenn man sowas nicht sehen will in einem Heimspiel.
Ob das jetzt deutlich besser war als beim 1:6 unter Jens Keller, vermag ich nicht zu beurteilen. Offensichtlich war aber, dass Real Madrid nicht die Stärke aus jenem Schmach-Spiel mitbrachte und dann hätte man doch ein klein wenig mutiger unterwegs sein dürfen. Hinterher ist man natürlich immer schlauer, und dass man nach 9 Gegentoren in 2 Partien gegen diesen Gegner bevorzugt nicht ins Messer laufen möchte, ist verständlich. Ein Ausscheiden lässt sich aber auf diese Weise nun mal nicht annähernd verhindern.
Was ich ansonsten nicht so gut fand, war, dass die Schalker ihre Fansongs fast alle vom MSV geklaut hatten. Steht auf, wenn ihr Schalker seid und FC Schalke olé und sowas. Unproblematischer als erwartet verliefen übrigens An- und Abreise, zwar in vollgedrängten Straßenbahnen, aber sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg in positiver Fußballstimmung, auch mit eingesprenkselten Madrid-Fans, auch vielen weiblichen, dazwischen. Deren „Support“ hatte sich übrigens das gesamte Spiel über auf ein paar seltene „Madrid! Madrid!“-Rufe beschränkt. Beim ersten Hören dachte ich noch, dass Joel Matip seinen eigenen Fanclub mitgebracht hatte und die Leute würden „Matip! Matip!“ rufen. So wenige waren es jedenfalls und so schwächlich, dass man hätte annehmen können, es sei nur der private Fanclub eines einzelnen Spielers. Schon traurig, diese nicht existente Fankultur bei einem der besten und wohl dem berühmtesten Fußball-Club der Welt. Aber das zu dissen wäre auch nur das harte Brot eines Unterlegenen, der sportlich wenig zu bestellen hatte an diesem Abend. Weshalb es kein Gedisse ist, nur eine Erwähnung. Einmal sind sie dann doch aufgewacht, als Cristiano Ronaldo nach Abpfiff in die Madrid-Kurve lief und sich von den Fans vehement beklatschen ließ. Naja.
Der Herr, auf dessen Einladung ich auf Schalke weilte, schrieb zum Spiel übrigens: „Ein Spiel zum Schönsaufen“. Das ging nun aber nicht, denn an CL-Abenden gibt es kein Bier mit Alkohol in der Arena. Und das in einem Stadion, das nach einer Biermarke heißt …
Alles in allem ein sehr ansehnliches Fußballspiel in stimmungsvoller, äh, Stimmung, bis auf diese gleißende Abneigung gegen Cristiano Ronaldo. Wenn da nur das Problem nicht wäre, dass man immer schon vorher weiß, wer gewinnt und dieses Kribbeln wie vor wenigen Jahren noch einfach fehlt.
Noch mal Herr Wieland dazu:
Die Art des Spiels war die Wahl Schalkes. Schalke bestimmte, dass es ein Spiel mit wenigen Chancen werden würde. So war die Spielanlage. Bezogen darauf gewann Real Madrid vergleichsweise locker.
Leider wahr.
Was das Stadionerlebnis an sich angeht, muss ich sagen, dass mich die Turnhalle in gefülltem Zustand dann doch eher anturnt (no pun intended), als wenn man sie leer betrachtet. Letzteres ist möglich, wenn man das Schalke-Museum besucht, wie einst getan. Dann sieht sie mit den zahllosen Verstrebungen am Dach doch recht kühl aus und nicht so, als wenn man hier Fußballfeste feiern könnte. Gestern war es tatsächlich eines, wenn auch der passende Spielverlauf fehlte. Aber dass irgendwo das ganze Stadion singt, klatscht, etc., das gibt es wohl selten genug im Weltfußball. Schalke ist in Bezug darauf in Deutschland zwar nicht einzigartig, aber sicher ganz oben in Fragen der Fankultur.
Auf dem Rückweg traf ich dann auch gleich noch Mitglieder des Supporterclubs, die aus Duisburg kamen und auch mit dem Zug heimfuhren. Weiteres Fachsimpeln war also gewährleistet und die größte Sorge bestand vornehmlich darin, was wohl mit Huntelaars Verletzung sein würde. Dass man so ein 0:2 zu Hause mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis nimmt, ist ein weiteres unschönes Kapitel der dynamischen Konzentrierung der Spielstärken im Fußball, stark unterschiedlichen Spielstärken, wie gestern gesehen.
Denn so richtig anstrengen musste sich Real Madrid irgendwie nicht. Was durchaus schade war, zum Beispiel Gareth Bale hätte man doch gerne etwas öfter als nur jenes eine Mal sprinten sehen, als er im Nu von der Mittellinie zum Strafraum gerannt war, als hätte er Superkräfte. Die hatte Madrid an dem Tag nicht, aber aufgrund des Gegners wahrscheinlich auch nur nicht zeigen müssen.
Ah, Fußball und Rivalität. Ein immergrünes Thema, quasi eine unauflösbare Symbiose, ohne die der Fußball als solcher gar nicht seine immense Popularität als Passivsport besäße.
Heute erlaube ich mir mal, einen Beitrag quasi komplett zu klauen, denn ich habe nicht viel hinzuzufügen. Twitterer schomberg, seines Zeichens Anhänger von Borussia Mönchengladbach, merkte gestern treffend an, als Augsburg in letzter Minute noch gegen den Erzrivalen 1. FC Köln gewann und damit Mönchengladbach in der Tabelle überholte:
Unsere #Nordkurve ist so dumm, dass die Elbe dampft! Freuen sich über das 2:1 von #Augsburg, die vor uns stehen. Wichtig ist auffem' Platz.
Nun kann man vielleicht ein wenig straferleichternd hinzufügen, dass man in Gladbach davon ausgeht, Augsburg in jedem Falle im Laufe der Saison noch hinter sich zu lassen. Da das aber nicht zwangsläufig so sein muss, bleibt der gesamte Vorgang nur ein kleines, aber feines weiteres Kapitel aus der Rubrik: Manche gehen nicht wegen des Fußballs zum Fußball, sondern um ihre Rivalität und damit Identität zu festigen und zu zelebrieren.
Schön und gut, aber dass man dabei sogar in Kauf nimmt, selbst schlechter abzuschneiden, nun da dampft die Elbe wirklich gewaltig, wie schomberg so schön formulierte.