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Schlagwort: Fan

Selber singen: Ein Wachtraum

Eines Tages wird es doch noch passieren. Eines Tages fallen Freddie Mercury am Klavier bei den ersten Tönen des Intros von „We Are The Champions“ die Finger ab. Dann ist endlich Ruhe.

Den einen oder anderen Finger wird man später zu horrenden Preisen bei eBay ersteigern können. An der herrlichen Ruhe ändert dieser ansonsten nicht weiter erwähnenswerte Umstand allerdings nichts mehr.

Nicht nur die Fans, sondern auch die Spieler müssen ihre Jubellieder wieder selbst singen. Es könnte sogar sein, dass sie sich dabei etwas einfallen lassen, was Bezug zum Siegerclub, zum gewonnenen Wettbewerb oder gar zu den einzelnen Spielern hat.

Plöck, plöck, fallen ihm die Finger ab, einer nach dem anderen, schlagen auf der Tastatur des Klaviers auf, die Band verstummt und im Fußball singt man endlich wieder Zeilen und Melodien, die etwas bedeuten.

Wachtraum zu Ende.

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New York, Madrid, Heilbronn oder
Warum ein Finale in Berlin doch ganz ok ist

1. Nirgendwoanders wäre es so sicher, dass das eigentliche Heimteam nie ins Finale einzieht. Herthas letzte Finalteilnahme datiert aus dem Jahr 1979. Die anreisenden Fans können sich also schon auf den Autobahnraststätten aneinander gewöhnen, in der Stadt selbst bleibt es garantiert friedlich.

2. Die Atmosphäre im Olympiastadion ist wider Erwarten bei ausverkauftem Haus — welches das Stadion meint, kein Haus — mehr als akzeptabel. Man hätte sein erstes Spiel im Olympiastadion vielleicht nicht gerade vor Jahren als Zeuge der Partie Hertha BSC — VfL Bochum verbringen sollen, dann wäre man jetzt nicht so überrascht davon. Nicht ganz unerheblich für die gelungene Atmosphäre ist auch der Einbruch der Dämmerung und anschließende Dunkelheit („Nacht“) am Austragungsort, weshalb der Autor auch von seiner Forderung „Pro 18h“ zurücktritt. Das gilt für jene Fälle, in denen der Autor selbst vor Ort ist.

3. Es gibt nun mal nur ganz wenige Städte, deren Namen aus nur zwei Silben bestehen, von denen die zweite Silbe betont wird. Hier die bescheidene Liste der deutschen Städte, die deshalb als Alternative per se ausscheiden:

Dórtmund, Bóchum, Schálke, Brémen, Hámburg, Núrnberg, Fréiburg, Wólfsburg, Róstock, Fránkfurt, Stúttgart, Múnchen, Áachen, Dúisburg, Éssen, Múnster, Áugsburg, Léipzig, Drésden, Mánnheim, Bráunschweig, Chémnitz, Kréfeld, Hálle, Érfurt, Kássel, Hágen, Múlheim, Pótsdam, Wúrzburg, Bóttrop, Rémscheid, Kóblenz, Jéna, Síegen, Cóttbus.

Es kämen einzig in Frage an anderen weltweit relevanten Städten: New Yórk, Madríd und eben das bereits ausgewählte Berlín. Da ist Berlin auch aus ökologischer Sicht die beste Wahl.

(Okay, New York, Madrid, Berlin — und Heilbrónn. Das Frankenstadion dort hat zwar einen schönen Namen, ist aber leider nicht pokalfinaltauglich.)

4. Nur die Berliner S-Bahn kann derartige Fanaufkommen, wie sie bei einem ausverkauften Olympiastadion auftreten, bewältigen. (Da Nörgeleien über langsame Abfertigungen nach Spielende etwas zäh zu lesen sind (und außerdem eher janus‘ Metier sind), endet dieser Punkt hier. Schließlich ist es das erste Mal in Berlin gewesen, dass 75.000 Menschen nach Abpfiff vom Stadion wegwollen, also sollten auch 1-2 S-Bahnen alle halbe Stunde ausreichend sein, klar.)

5. Die Fangruppen fallen in der Stadt enorm auf, egal, wo man seinen wagemutigen Aufenthalt in Berlin beginnt. Ob Bahnhof Zoo, Warschauer Straße oder Sophie-Charlotte-Platz, überall begegnen dem Reisenden Fans der beiden Mannschaften, die dann stark aus den übrigen Umherlaufenden herausstechen. Das hat zwei Gründe: a) Fußball spielt an den anderen 364 Tagen im Jahr in Berlin keine Rolle, b) gerne getragene und dementsprechend gepflegte Fußballtrikots stellen intakte Oberbekleidung dar.

[photopress:pokalfinale_in_berlin_bvg_wir_danken_dir_1.jpg,thumb,alignleft] 6. Nirgends kann man so herrlich unbequem seine EC-Karte loswerden wie bei der BVG. Ist es bei Geldautomaten seit Jahrzehnten Usus, das Geld erst rauszurücken, wenn der Kunde seine EC-Karte aus dem Automaten entnommen hat, um so täglich Tausende an neuen EC-Kartenanträgen zu vermeiden, fährt man in Berlin eine gegensätzliche Strategie. Dort wird man nach Bezahlung am Fahrkartenautomaten extensiv darauf aufmerksam gemacht: Billet nicht vergessen! Eine Empfehlung, der der Autor gerne folgte, ganz glücklich in die U-Bahn sprang, um nur wenig später genauso glücklich mit der EC-Karten-Sperrungsstelle zu telefonieren. Kein Geld = keine Sorgen, eine geschickte Einfädelung der Stadt Berlin und ihrer Verkehrsbetriebe eines völlig unbeschwerten Pokalfinalaufenthalts. Zudem lernt man ohne Kohle in den Taschen auch gleich das Berliner Lebensgefühl sehr anschaulich kennen.

7. Franziska van Almsicks Anreise zum Stadion wäre nirgendwo anders so kurz, nur in Berlin also kann sie barfuß zur Pokalverleihung erscheinen. Und darum geht es schließlich beim Fußball: um die Füße.

 
 
 
 

photo credit: fudj

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Heimtückisches Mem bedroht Bundesliga

Ja, es ist wahr: Der Fußball in seinem Bestand ist in großer Gefahr. Bald wird es niemanden mehr geben, der ihn ausübt, weil ein beängstigendes Mem bei den Aktiven umgeht. Wie man weiß, sind diese neumodischen Meme besonders tückisch. Denn sie brauchen weder Wasser noch Sauerstoff zum Überleben, nicht einmal Zuneigung oder eine stillende Brust. Das einzige, was sie benötigen, ist ein menschliches Gehirn. Darin machen sie sich breit und zwingen ihre Träger dazu, ständig den Inhalt des Mems wiederzugeben. Verbal, auf T-Shirts, in Zeitungen und neuerdings sogar über Twitter und Facebook.

Während Zuschauer und Sponsoren Wochenende für Mittwoch für Donnerstag für Montag darauf warten, dass die Spieler in die Arenen einlaufen und ihrem eigentlichen Job nachgehen, Kinder um Autogramme betteln möchten und Sponsoren gespannt den Auftritt ihres Logos im Fernsehen verfolgen wollen, macht das neue Mem weder vor Zweitligaspielern noch vor Weltstars Halt.

Immer weniger Spieler laufen noch selbst auf dem Platz auf. Man sei schließlich „schon immer Fan“ gewesen, ist allerorten zu lesen. Ob aus Nuri Sahins Mund, Manuel Neuers Herz oder Helgi Kolvidssons Hirn. „Ich werde immer Fan bleiben“, tönt es unisono bei den ehemals ehrgeizigen Profis. Offensichtlich verschwinden immer mehr aktive Fußballer von der Bildfläche und reihen sich wieder in die Stehplätze ein. Was auch passiere, im Herzen werde man immer Fan bleiben. Und Fans stehen nun mal nicht auf dem Platz, sondern in der Kurve.

Die Zuschauer gehen entgeistert nach Hause, beim DFB schrillen die Alarmglocken: Niemand will mehr selbst spielen. Dass Fansein gefährlich für Leib und vor allem Seele ist, ahnen die vielen befallenen Profis nicht; das Mem bewirkt umfassendes Ausblenden der Risiken. Am schlimmsten sei jedoch, dass es sich durch die ständige Wiederholung auf allen Kanälen unablässig vermehre.

Noch ist kein Gegenmittel gegen das hinterhältige Fansein-Mem bekannt. Pay-TV-Sender und die ARD ließen verlautbaren, dass es bei gleichbleibender Ausbreitungsgeschwindigkeit des Mems in der nächsten Saison wohl nur noch die ersten zwei bis drei Spieltage geben werde, danach sei das Reservoir an nicht infizierten Ersatzspielern aufgebraucht. Das Szenario, welches Memforscher an die Wände der Konferenzräume projizieren, sei bedrückend: Wo man auch hinschaue, überall nur noch Fans.

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Bis dass der Tod uns

Eins verstehe ich wirklich nicht, vielleicht kann mir jemand der Betroffenen es erklären. Warum muss man seinem Verein, der einen irgendwann in ganz jungen Jahren erwählt hat — schließlich sucht man ihn sich nicht selbst aus — ein Leben lang treu bleiben?

Er tut nichts für einen, nimmt nur dankend die Kohle an, die man für (Dauer-)Karte und Bier und Bratwurst raushaut, im Gegenzug lässt er einen macht- und mittellos dastehen, führt einen meist durch tiefe Täler des Leids, manchmal führt er einen nach diversen Abstiegen gar in die entlegensten Orte des Landes, er lässt einen ewig warten, erfüllt aber so gut wie nie die in ihn gesetzten Erwartungen.

Er beutet einen aus, man selbst aber soll stets treu sein? Man darf keine andere neben ihm haben, man darf sein Herz nicht mal Liebeleien-like mal kurz woanders hin ausleihen, man wird nicht ernst genommen mit seinen Anliegen, Wünschen und Forderungen und dennoch wird man als ureigener Bestandteil, quasi als basaler Rechtfertigungsgrund für diesen Club genommen.

Abwenden aber darf man sich nicht, egal welche Missverhältnisse herrschen, welche Fehleinkäufe und -strategien angewendet werden.

Kein Mensch würde eine solche Nibelungentreue im wahren Leben fordern. Schließlich kann man sich immer noch selbst aussuchen, wen man heiratet.

Warum aber existiert dieser Ritus, Glaube, Brauch von der absoluten Treue, geradezu faschistisch-führer-esk, von dem man niemals abfallen dürfe, beim Fansein zu Fußballvereinen?

Erklärt es mir.

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