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Schlagwort: Elfmeter

11. September 1965 — 5 Elfmeter in einem Spiel

1965 wurde noch wesentlich härter gepfiffen als heute. Da war nicht erst beim Trikotzupfen oder Hüfteumschlingen — ohne Umfalleritis — Schluss. Damals wurde Strafstoß schon gepfiffen, wenn der Gegner selbigen -punkt nur überquerte oder berührte. Resultat dieser heute keinem vernünftig Fußball spielenden Menschen mehr zu rechtfertigenden Politik am erst seit Kurzem geschichtsträchtigen 11. September, allerdings im Jahre 1965: die bis dato (in der Bundesliga) unerreichte Rekordzahl von 5 Strafstößen in einem Spiel.

Borussia Mönchenglabach — Borussia Dortmund 4:5

mit je zwei verwandelten Strafstößen und auf Gladbacher Seite einem vergebenen Strafstoß. Ein gewisser Günter Netzer war auch schon beteiligt. (Beide Informationen immer gut merken, für Günter Jauch, aber auch private Quiz-Spiele.)

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Grateful Jens — Now, I‘ve had the time of my life

Kurz bevor er seine Nationalmannschaftskarriere beenden wird — ein Abschiedsspiel wird er wohl noch bekommen — hören wir noch mal jenem Manne zu, den Klinsmann als besser als den Welttorhüter des Universums erachtete, womit er mir, uns und den Zeitungen eine lange Diskussion um die „T-Frage“ vor der WM ermöglichte. Eine schöne Zeit, in der man sich die Finger wund tippen konnte, wer warum besser ist und wieso. Apropos Zeit.

Wer ein bisschen Zeit mitbringt — die ja nicht nur ohnehin, sondern ganz besonders hierzulande sehr rar geworden ist — kann sich knappe 10 Minuten Mad Jens Lehmann anschauen, wie er auf englisch (nein, es heißt nicht „in englisch“) über die WM, das Elfmeterschießen gegen Argentinien, den Horst-Eckelesk-unvermeidlichen-Zettel und überhaupt parliert, wobei unbekannt bleibt, wer der Fragesteller eigentlich ist.

Leider nicht als Pottcast erhältlich, in dem Falle wäre es dann aber auch nur halb so interessant. Und trotz des hammerharten accents muss man sagen: so relatively guud englisch hat man schon lange keinen deutschen Fußballer (und wohl auch nicht Kanzler/in) sprechen hören. Was daran liegen könnte, dass PISA nicht lügt, wenn die schulische Ausbildung in Deutschland international nur als mittelmäßig betrachtet werden kann. Und ob jetzt Migrantenkinder, wie jene von Jens es für die Zeit bei Arsenal waren, haupt-ursächlich für das schlechte PISA-Ergebnis sind oder nicht: dieses schlechte Englisch ist immer noch das beste, was man seit Langem von einem deutschen Emmigranten auf einem Schirm oder sonstwo zu sehen bekam.

Achso, es geht übrigens um die WM 2006, nicht um die EM, insbesondere ums Elfmeterschießen. Wir erfahren zum Beispiel, dass Jens Lehmann bei jedem Elfmeter tatsächlich in die richtige Ecke geflogen ist, dass er nach dem Spiel zusammen mit Oliver Kahn als erster in der Kabine war und somit von der kleinen Boxerei mit den Argentiniern nichts mitbekommen hat, dass er einen kleinen Check von dem argentinischen Torwart bekam, und dass er angeblich keine Ahnung hat, wie er es schafft, sich 90 Minuten lang zu konzentrieren. Aber nach dem Sehen und Hören weiß man das ja dann auch.

Außerdem erfahren wir, dass englischsprachige Zungen „ahdíhdas“ sagen statt „áddidass“. Funny.

Und ganz außerdem bekam ich beim zweiten gehaltenen Elfmeter mit dem jubelnden, geradezu orgiastisch anmutenden Olympiastadion im Hintergrund eine Gänsehaut und das ist selten. Bin ich etwa Fußballfan?

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Tollhaus

„Wenn der Schiedsrichter gleich abpfeift, wird sich die eine Hälfte des Stadions in ein Tollhaus verwandeln.“

So sagte es Thomas Wark justameng und wir sind noch froher, keine Karten bekommen zu haben, denn wie Wikipedia weiß:

„Ein Tollhaus ist der Vorläufer des Irrenhauses. Meist wurden die Geisteskranken oder geistig Behinderten unter schlechtesten Bedingungen untergebracht. Sie erhielten nur unzureichend Nahrung und Wasser, waren angekettet, wurden geschlagen und gequält und von der Bevölkerung verachtet. Mit Folterwerkzeugen versuchte man, sie „zur Vernunft zu bringen“

Anketten, schlagen, quälen — das kennt man ja aus Österreich[1], dass aber auch die Schweizer schon zu diesen Methoden greifen, um die Leute im Stadion zu halten, hätten wir nicht gedacht.

[1] 5 SFr. in die Nicht-am-Elfmeter-vorbeigehen-können-Kasse.

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Alleinstellungsmerkmal

Aus dem Lexikon der Dingsbumsologie:

Als Alleinstellungsmerkmal, veritabler Kundenvorteil (engl. unique selling proposition, USP) oder Komparativer Konkurrenzvorteil wird im Marketing und in der Verkaufspsychologie das Leistungsmerkmal bezeichnet, mit dem sich ein Angebot deutlich vom Wettbewerb abhebt.

Rekordelfmeterschütze.

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Kleine Typologie der Fußballliebhaber

Come, Armageddon, come.

In der Spezies der an Fußball interessierten Grundgesamtheit gibt es grob geclustert drei Typen:

Typ I

Typ I spielt sehr gut Fußball, ist aber auch in jeder anderen Sportart grandios. Mit bewundernswertem Talent für Bewegungen, Raum-Zeit-Koordination und Ballgefühl ausgestattet, steuert er geradewegs auf eine Profisportlerkarriere zu, es ist nur nicht klar, in welcher Disziplin. Manchmal wird es Tennis, manchmal Zehnkampf oder Volleyball, meist aber Fußball. Wenn schon nicht Bundesliga, dann zumindest Verbandsliga. Typ I lernt keine Sportarten, sie sind ihm angeboren. Aus irgendeinem Film ist das Zitat „Typ Mittelstürmer, der macht jeden rein“ bekannt, allerdings ging es dort eher um Frauen und nicht um Sport. Nichtsdestotrotz charakterisiert dieses Zitat Typ I ganz gut. Er macht nicht nur jeden rein, er gewinnt auch jedes Tischtennisturnier, sogar, wenn er ohne Schläger spielt. Zum ersten Mal ein Snowboard unter den Füßen, ist er schon in beneidenswerter Eleganz den Hang heruntergefahren.

Beruflich lässt Typ I es meist etwas langsamer angehen und wird, wenn er Glück hat, Sportlehrer (plus ein x-beliebiges weiteres Fach, von welchem er Zeit seines Lebens so viel Ahnung haben wird, wie ein Steuerberater vom Fußballspielen), wenn er Pech hat Versicherungskaufmann, Fliesenleger oder Bademeister.

Typ II

Typ II verfügt nicht über derlei Talent, ist aber immer noch als relativ sportlich zu bezeichnen. Typ II bringt zumindest das mit, was man im Fußball ebenso gut gebrauchen kann wie Ballgefühl: Kampfkraft, Ehrgeiz, läuferische Ausdauer und den Willen, sich der drohenden Niederlage auf keinen Fall zu beugen. Auch wenn er selten Tore erzielt, ist Typ II nicht unbrauchbar im Mannschaftsgefüge. Typ II fabuliert gerne über das Spiel als solches, kaschiert damit aber nur wenig effektiv seine technische Unzulänglichkeit, während Typ I jede Reflektion oder Introspektion bezüglich des ausgeübten Sports fremd ist. Wie gesagt: angeboren. Sehende Menschen denken auch selten darüber nach, wie es kommt, dass die Netzhaut dem Gehirn einen optischen, noch dazu dreidimensionalen Eindruck der Umgebung vermittelt. Was selbstverständlich ist, wird nicht hinterfragt. Deshalb redet Typ II ja so gerne über das Spiel. Für ihn ist nicht selbstverständlich, dass die Flanke tatsächlich ankommt oder der Hackentrick nicht im Aus landet. Nichtsdestotrotz funktioniert das Spiel auch mit seiner Teilnahme, schließlich weiß er, dass man schnell passen oder einfach mal aus der viel zitierten zweiten Reihe abziehen sollte. Typ II sieht man später beim Joggen im Park, nachdem er gerade aus dem Büro, der Kanzlei oder aus dem Bundestag heimgekommen ist.

Typ III

Typ III interessiert sich ebenso intensiv für Fußball wie Typ I und Typ II, doch, ach, es hapert sowohl am Ballgefühl als auch am Raumgefühl, zudem hat er manchmal Angst vor dem Ball respektive heranrauschenden Gegner und nein, nach der E-Jugend ist dann doch Schluss damit. Wenn es hochkommt, darf Typ III in seiner gesamten Karriere zwölf Mal von Anfang an spielen, wird dabei sieben Mal ausgewechselt und darf als Höhepunkt seiner aktiven Karriere in einem unbedeutenden Freundschaftsspiel einen Elfmeter mit seiner unnachahmlich schlechten Technik zum Torwart zurückschieben, bis Mutter entscheidet, dass das Ganze keinen Sinn hat, wenn der Sohn immer nur auf der Bank sitzt. Auf Proteste seitens des Fußballvereins ob der Abmeldung des Typ III wartet man vergebens. Es folgen Schwimmverein, Hockeyverein, Basketball, Speerwurf, Turnen, Tischtennis. Das fehlende Bewegungstalent lässt es nicht zu, dass sich Typ III irgendwo durchsetzt. Irgendwann ist ganz Schluss mit den Bewegungsversuchen unter Wettkampfbedingungen, doch die Liebe zum Fußball erkaltet nie. Weiterhin Fan eines Bundesligaclubs, macht Typ III jedes Tippspiel mit, meist ist der kicker abonniert, zumindest liest er den Sportteil der Tageszeitung als Erstes. Natürlich wird Fußball im Fernsehen verfolgt und es hängt auch das eine oder andere Trikot im Schrank. Nur Fußballschuhe, die braucht Typ III ja nicht.

Bis etwa 1985 muss es so gewesen sein für die bedauernswerten Mitglieder des „Typ III“. Dann wurde alles anders. Typ III war erlöst. Irgendjemand hatte Computerspiele erfunden. Fußball als Computerspiel. Fehlendes Ballgefühl, fehlende Ausdauer, fehlendes Durchsetzungsvermögen waren gänzlich irrelevant geworden, wenn man nur diesen Joystick mit seinen acht Bewegungsrichtungen und dem einen Knöpfchen richtig bedienen konnte. Alle, die es im Vereinsfußball nicht weit brachten, deren Liebe zum Fußball dennoch nie endete, konnten nun endlich demonstrieren, dass sie durchaus verstünden, fabelhafte Kombinationen auf den Rasen zu zaubern und als gefeierter Turniersieger vom Platz zu gehen. Was konnten sie dafür, dass die Füße nicht so wollten wie sie und dass die Angst und das Unwohlsein angesichts matschigen Fußballuntergrunds ihre ständigen, ungebetenen Begleiter waren? Nichts natürlich. Und mit der erstaunlichen Perfektion, die Typ III in seinen Kombinationen auf den Schirm warf, ging ein ebenso erstaunlicher Zuwachs an Reputation einher. „Klar, er trifft aus drei Metern keinen Supertanker“, raunen sich die Mitspieler vom Typ II zu, „aber im Halbfinale unseres EA-Sports-Turniers möchte ich lieber nicht auf ihn treffen.“

Typ I wird nie verstehen, was er mit diesem Ding namens Joystick eigentlich anfangen soll, wenn er doch viel besser in echt den Ball ins Tor schießen kann, und zwar mit traumwandlerischer Sicherheit. Er wird nie wieder auf derlei elektronischen Fußballturnieren gesehen.

Typ III hingegen ist mit der Erfindung des elektronischen Computerspiels erlöst. Er kann endlich erfolgreich seinem liebsten Hobby, dem Fußball, frönen, und erfährt die Anerkennung in den dafür relevanten Kreisen, von der er immer geträumt hat. Irgendwann wird es zum Alltag, dass Menschen des Typ III aufwachsen, die sich gar nicht erst lange mit der Schmach des Versagens auf einem realen Fußballplatz herumschlagen müssen. Typ III-Menschen leben (fußball-)sozial sicher. Sie haben nichts zu befürchten, sind ihre Fähigkeiten doch, jeder sieht es ja bei den Turnieren, unbestritten. Alle sind glücklich.

Typ I ist sich dessen nicht mal bewusst, genießt aber die Anerkennung dafür, immer ins Tor zu treffen. Typ II weiß, dass er nie die Fähigkeiten von Typ I haben wird, hat aber mit Typ III genug Möglichkeiten zum abwärts gerichteten Vergleich. Typ III hingegen bezieht seine Selbstsicherheit aus den langen Abenden vor dem Schirm, in denen er selten bezwungen wird. Kurzum: die psychosoziale Sicherheit der Fußballinteressierten ist gesichert. Ein Paradies für alle, die Fußball lieben, ganz gleich welcher Kategorie.

Wie jeder Zustand reinen Glücks ist aber auch dieser nur von kurzer Dauer. Im Jahr 2006 bricht über alle Angehörigen des Typ III Armageddon herein.

Auch beim Fußball in elektronischer Form muss man wieder selbst schießen.

Fies veranlagte Angehörige des Typ II — der Ehrgeiz reichte bis zum Software-Entwickler in renommiertem Hause — stellen für elektronische Fußballspiele ein Shootpad vor. Typ III ist hochgradig verzweifelt und erlebt seine Traumata aus der E-Jugend erneut. Dass, man ist ja erwachsen, nur noch hinter dem Rücken der hilflos vor den Ball Tretenden gelacht wird, macht die Sache kaum besser. Wurden die bedauernswerten Versuche im echten Fußball so lange ausgeblendet, wie man am Rechner Erfolg hatte, ist nun eine erneute Konfrontation mit den eigenen Unzulänglichkeiten unausweichlich.

Plötzlich nimmt auch Typ I wieder an den Fußballturnieren vor dem heimischen PC oder der Konsole teil. Zwar ist auch Typ I mittlerweile eine Dekade älter und immer noch mit diesem elektronischen Schnickschnack überfordert, ohne seine Treffsicherheit verloren zu haben. Fragt man ihn nach seiner Emailadresse, antwortet er beharrlich mit „weh-weh-weh-punkt“ und hat man endlich die tatsächliche Emailadresse herausgefunden, bekommt man postwendend die Email-Einladung zum PC-Turnier mit dem Hinweis zurück, dass „dieser Email-Account inaktiv“ sei: Seit über drei Monaten wurde er nicht mehr abgerufen, aber als Gas-Wasser-Scheiße-Mensch braucht er ja auch keine Emails.

Typ II ist begeistert davon, Typ III endlich auch am Rechner überlegen zu sein und setzt all seine Energien in die Organisation möglichst vieler solcher Turniere, bei denen Typ III der Lächerlichkeit preisgegeben wird.

Typ III hingegen ist wieder dort angekommen, wo er vor Beginn der Videospiele schon war: Trotz seiner großen Liebe zum Fußball wird er als Bewegungslegastheniker verhöhnt, ist zunehmend entmutigt und auch nicht mehr zur Hoffnung in der Lage, dass sich nach der Einführung des Shootpads daran noch etwas ändern könnte.

Später wird man der Entwicklung des Shootpads eine Reihe von Suiziden zuschreiben. Typ II schämt sich ein wenig, aber nicht zu sehr. Schnell packt ihn wieder der Ehrgeiz zu neuen Projekten.

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