Zum Inhalt springen

Schlagwort: Dynamo Kiew

Alle Halbfinals im UEFA-Pokal/Europa League/Messe-Pokal mit mehr als einem Teilnehmer aus dem selben Land

Inzwischen ist die Genese eines Blogeintrags häufiger so, dass angesichts irgendwelcher äußeren Ereignisse ein Gedanke durch das huscht, was man gerne als sein Bewusstsein empfindet, welcher oft aus einer Fragestellung besteht. Diese wird schnell bei Twitter wahlweise hineingetutet oder herausposaunt, woraufhin sich die Bewusstseine anderer Menschen ebenfalls mit dieser Frage beschäftigen, und ihre Erkenntnisse oder Vermutungen in ihren eigenen Twitterkanal schreiben.

Früher liefen all diese Schritte nur im Kopf respektive Haus des Autors ab, möglicherweise noch gewürzt durch Kommunikation mit anderen Mit-Fußball-im-TV-Schauern, heute eben auf diese Weise. Weshalb sich die Fälle häufen, dass aus einem Tweet ein Blogbeitrag wird.

Der gestrige Anlass war das Halbfinale des UEFA-, ärghs, der Europa League. Es führte zur Frage, ob es neben dem bekannten rein deutschen Halbfinale aus der Saison 1979/1980 je ein anderes mit Teams allein aus einer Nation besetztes Halbfinale im UEFA-Pokal oder der Europa League gegeben habe. Wobei es neben England, Spanien, Deutschland und Italien schon schwierig wäre, ernsthafte Kandidaten für diesen Umstand zu finden. Allerdings fand sich ein solch weiterer ernsthafter Kandidat dann doch, da muss man nicht lang zurückblicken, das war im letzten Jahr Portugal mit drei Teilnehmern.

In der Phantasie hätte ein rein schwedisches oder rein ungarisches Halbfinale natürlich extremen Charme, in der Realität konnten seit Einführung dieses Wettbewerbs wie erwähnt nur deutsche Teams 1979/1980 dieses Kunststück vollbringen, alle vier Teilnehmer des Halbfinales zu stellen.

Mit Hilfe der Herren breitnigge, bunkinho, KBauer11, Tasmane1985, Mahqz sowie der Dame KatarinaWerderf machte ich mich also hinab in die gar nicht mal so tiefen Tiefen der Fußballhistorie des UEFA-Pokals. Dieser Wettbewerb existiert schließlich erst seit 1955, mit regelmäßiger Durchführung sogar erst seit 1960. Der englische Pokal zum Beispiel wird seit 1871 ausgespielt.

Langer Rede, kurzer Sinn:

17 Kommentare

Weiße Elefanten am russischen Horizont

Ganz groß zwischen Kimme und Korn ist ja zur Zeit Katar, wo man 6 Stadien in eine einzige Stadt bauen möchte, in welcher schon zu Länderspielen zwischen der am meisten gehypten Nationalmannschaft des bekannten Teil des Universums, Brasilien, und dessen Testspielgegnern gerade mal schlappe 6.000 Zuschauer erscheinen.

Der große Vorteil Russlands ist wohl, dass im Schatten dieser skandalösen WM-Ausrichter-Auswahl die Entscheidung für Russland beinahe fußballaffin wirkt. Erste Europapokalgewinner aus diesem Land, die nicht Dynamo Kiew heißen, gibt es bereits seit einigen Jahren und der russische Fußball macht den Eindruck, als wachse die Begeisterung und erlange er wie auch in Mitteleuropa immer besseren Zugang zur Mitte der Gesellschaft (nicht dass das per se wünschenswert wäre).

Dass der Hooliganismus in den Regionen, die jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs liegen, genau jene 20 Jahre nachholen möchte, die er unter der Knute stand und sich nicht rühren konnte und deshalb noch in einer (was man so liest) viel dramatischeren Form vorliegt, als er hier je existierte, ändert nichts daran, dass man dort über das Geld verfügt, Stadien zu bauen so schön wie russische Prinzessinnen.

Weshalb man das auch unbedingt tun möchte, ganz gleich, wie sinnlos verprasst diese Gelder sind, die für — man muss sich das immer wieder vergegenwärtigen — eine effektive Nutzungsdauer von 360 Minuten gebaut werden. Also ungefähr 1 Million Euro Baukosten pro Minute Nutzungszeit. Zählt man An- und Abfahrt und derlei Brimborium am Spieltag hinzu, sind es immer noch nur 4 ganze Tage.

4 mickrige, einzelne Gelegenheiten.

Da ist die Frage nach den Schulen, Kindergärten, Teddybären und Schulbüchern doch viel weniger polemisch als sie beim ersten Gong noch klang.

Weil man es (sich leisten) kann, baut man nun also laut dieser Aufstellung bei SPON zur WM 2018 in Russland nicht weniger als 13 der als Ausrichtungsort vorgesehenen 16 Stadien neu. Von welchen 9 wiederum an Orten entstehen sollen, an denen man zur Zeit nur über Zweitligaklubs verfügt. Zwar sind es bis 2018 noch Glückszahl Jahre hin, da kann natürlich der eine oder andere Klub, insbesondere wenn man das möchte, auch noch aufsteigen — nur darauf bauen kann man nicht.

Was aber wäre so schlimm daran, einigen Zweitligisten ein schickes Stadion zu bauen? Immerhin würden diese dann anders als in Korea oder Südafrika überhaupt genutzt. — Ganz einfach: Es mag für die Zweite Bundesliga sinnvoll sein, über solche Riesen zu verfügen. Die Zweite Bundesliga, in der man in Frankfurt in einem WM-Stadion spielt, in Berlin bis vor wenigen Monaten dasselbe tat, und die Ränge trotzdem entsprechend ihres Umfangs gefüllt werden.

Die russische 2. Liga hingegen besuchen im Schnitt 5.243 Zuschauer pro Partie, wobei der bestbesuchte Verein knapp über 14.000 Zuschauern erreicht. Die zwei letzten der Zuschauertabelle schaffen es nicht mal auf durchschnittlich 2.000 Besucher.

Offensichtlich benötigen nicht gerade diese russischen Zweitliga-Städte 9 Stadien mit einer Kapazität von über 40.000 Zuschauern, aber die Frage der Nachnutzung zählt bei diesen Projekten nun mal nicht. Und wenn, dann nur auf dem Papier in einer schöngerechneten (der Gedanke als Sohn des Wunsches) Version im Vorhinein.

Im Einzelnen sind dies folgende für die WM 2018 als Ausrichtungsort eingeplanten Städte Russlands:

  • Kaliningrad mit dem FC Balitka Kaliningrad
  • Jaroslawl mit dem FC Schinnik
  • Nischni Nowgorod mit dem FC Wolga und dem FC Nischni
  • Saransk mit dem FC Mordowia
  • Samara mit dem FC Krylja Sowetow Samara
  • Jekaterinburg mit dem FC Ural Swerdlowsk
  • Wolgograd mit dem SC Rotor Wolgograd, der zur Zeit wegen Finanzproblemen nirgendwo spielt
  • Krasnodar mit dem FC Kuban und dem FC Krasnodar
  • Sotschi mit zur Zeit keinem Verein von Belang

Das alles ist ein eher kleiner Skandal im Skandal-Feuerwerk der wohl korrupten Vergabe beider kommender Weltmeisterschaften, deshalb aber nicht weniger erwähnenswert.

Ähnlich lief es zwar bereits 2002 ab. Damals allerdings aus einer ganz anders aufgestellten Volkswirtschaft heraus. Was man als ordentlicher Blogger jetzt nachprüfen müsste. Wenn man es hier einfach behauptet, hat wenigstens jemand Grund, zu widersprechen.

Dem ansonsten völlig unsinnigen Bau von 9 Stadien mit einer Kapazität von über 40.000 Zuschauern für eine Liga mit einem Zuschauerschnitt von 5.000, in einem Land, das trotz aller wirtschaftlichen Fortschritte beim Pro-Kopf-Einkommen auf Platz 71 der Welt liegt (und bei der Jugendarbeitslosigkeit auf Platz 174), kann ja wohl keiner bei Trost widersprechen.

For the swank, for the pomp.

10 Kommentare

Das Kollektiv oder Dynamo Kiew

Nachdem ich letztens (warum hatte mich niemand gewarnt?) in dem wirklich schwuppigen, nah an der totalen Banalität strauchelnden DDR-Museum war, muss ich doch mal, trotz des Wissens darum, dass Einzeldisziplinen mit viel größerer Wahrscheinlichkeit Medaillen versprachen (als wenn Medaillen bei Olympischen Spielen auch nur annähernd den Wert eines Weltmeistertitels im Fußball hätten (nein, selbst damals nicht)) fragen dürfen, die Älteren unter den Lesern:

Wie war das damals mit Dynamo Kiew?

Im DDR-Museum las ich, dass die Parteiführung gerne wünschte (ob das stimmt, weiß ich angesichts dieses geradezu lächerlichen Non-Tiefgangs dieses Museums mit der ostdeutschen Geschichte, nicht), dass die Baubrigaden auch ihre Freizeit miteinander verbringen sollten. (Wie verrückt ist dieser Wunsch? Worin begründet er sich? Der Begriff vom Lagerkoller muss doch auch damals schon existiert haben?! Ein derart unrealistisches Menschenbild kann man sich heutzutage kaum noch vorstellen, es muss aber geherrscht haben, dass überall Friede, Brigade und abends zusammen Saufen herrschen sollte. Merkwürdig.)

Wenn aber ein solches Menschenbild tatsächlich im zumindest propagierten Kommunismus, der er ja nie war, vorherrschte, wie wirkte sich das dann auf den Fußball, der dort gespielt wurde, aus?

Im ersten Moment der Kenntnis einer solchen Einstellung würde man doch annehmen, dass das dem Gesamterfolg eher zuträglich sei, selbst wenn man das Phänomen der Verantwortungsdiffusion kennt (und Günter Netzers elendige Vorwürfe an Ballack bezüglich dessen Ost-Sozialisierung erst Recht außer Acht lässt).

Ein jeder solle alles fürs Kollektiv geben, niemand solle sich besonders herausstellen. Muss fantastisch gewesen sein für jeden Fußballtrainer im Ostblock. Wie kam es also, dass nur Dynamo Kiew diese sozialistisch geprägte Spielweise mit einem internationalen Titel krönen konnte. Und wie spielten sie, damals, liebe Leser? Ich bin zu jung, um das zu beurteilen. Und dies wäre natürlich einer der Fälle, in denen es nicht reichte, einfach youtube-Videos von damals zu schauen, wenn man die Hintergründe nicht kennt.

Ich hab es damals zwar erlebt, aber keinen Begriff vom Kommunismus oder Sozialismus gehabt. Während mit zunehmendem Lebensalter selbst die schon längst vergangenen Realitäten immer plastischer werden. Aber nicht so plastisch wie von Augen- oder zumindest Fernsehzeugen geschildert.

Spielte Dynamo Kiew damals gänzlich anders Fußball als man es im Westen tat?

15 Kommentare

Fußball ist ein Spiel der Spieler (nicht der Trainer)

Na, da kann ich ja einpacken hier.

Während alle Welt nach Green Bay blickte, um die Packers dort unformidabel ausscheiden zu sehen, während allesaussersport dann später doch weg von Cover-It-Live (oder so) wieder auf Handbetrieb umstellte, klärt uns Jürgen Klinsmann im Interview bei der ZEIT darüber auf, warum Fußball in den USA noch nicht wirklich angekommen ist:

Bei Basketball, American Football und Baseball handelt es sich, wie die Amerikaner sagen, um coaches games, um Mannschaftsspiele, die wesentlich durch das Eingreifen des Trainers von außen bestimmt werden. Fußball hingegen ist ein klassisches players game, ein Spiel, das von den Spielern bestimmt wird. Die Amerikaner versuchen immer noch, Fußball zu spielen, als sei es ein coaches game. Dadurch entsteht eine irrsinnige Hektik, weil permanent alle Trainer von außen auf die Spieler einreden. Das ist einer der Gründe, warum der Fußball, so wie wir ihn kennen, in Amerika eigentlich noch gar nicht angekommen ist.

Soso, ein Spielers Spiel ist Fußball also. Und die Trainer haben — während des Spiels — nicht so viel zu melden. Das könnte man durchaus ändern, wenn man denn wollte, dafür müsste man aber a) mehr trainieren und b) intelligentere (im Sinne des Spiels) Spieler zur Verfügung haben. Das wird es in Deutschland so lange nicht geben, wie beim Einkauf eines Spielers immer noch auf die bei Arsenal und Manchester United längst gang und gäbe seienden Intelligenz- und sonstigen Persönlichkeitstests verzichtet wird.

Andererseits ist auch Walerij Lobanowksyi mit Dynamo Kiew und der sowjetischen Nationalmannschaft nicht gänzlich erfolglos gewesen, sich bewegt oder gar gesprochen hat er während eines Spiels aber nie, weshalb auch erst drei Wochen nach seinem Tod auffiel, dass er gar nicht mehr lebt.

Die meisten der Fußballliebhaber sind sich einer solchen Unterscheidung überhaupt nicht bewusst, im Zweifelsfalle, hätten sie die Wahl, votierten sie wohl ohnehin dafür, Fußball ein Spielers Spiel sein zu lassen. Ich als Trainer muss und möchte dem widersprechen: Würde nur endlich eine verdammte originelle Freistoß- oder Eckstoßvariante dauerhaft zu Erfolg führen, sofort wären alle der Meinung, dass ein Trainers Spiel irgendwie doch schöner ist, denn Erfolg, darum geht es ja letztlich allen, die zuschauen und sich identifizieren, macht sexy.

Sobald sie dann wieder selbst spielen, möchten sie natürlich gerne zurück zum Spielers Spiel, damit sie ihren Spieltrieb ausleben können und auf keinen Fall in so etwas wie vorgefertigte Spielzüge gepresst werden.

U. a. deshalb bin ich auch Trainer und viel weniger Spieler: Weil ich diese infantile Verspieltheit innerhalb eines Systems, in dem man durch festgelegte Muster mit viel größerer Wahrscheinlichkeit zu Erfolg käme, hasse. Hass ist übrigens das andere Ende der Dimension „Liebe“. Das Gegenteil zu Liebe schimpft sich Gleichgültigkeit.

10 Kommentare