Anders als im Schalke-Museum wird man bei einem Besuch im Museum von Borussia Dortmund, dem Borusseum, gleich von ein paar netten Damen empfangen, die gutes Gelingen und so weiter wünschen. Die Auskunft, dass ein Rundgang etwa eine Stunde dauere, je nach Detailverliebtheit, zeigt sofort, dass das Borusseum deutlich weniger umfangreich ist als das Schalke-Museum. Aber zunächst soll es hier ja nicht um einen Vergleich gehen, sonden um Fakten, Fakten, Fakten.
Harte Fakten, so hart wie die Dollar, die man bezahlen muss, um an der Eingangswand des Borusseums als edler Spender erwähnt zu werden: Nur wer mindestens 109,09 Euro überweist, erhält dort ein Namensschild. Zu viel für viele Dortmunder, denn die Liste der Spender ist recht überschaubar für einen Verein mit dem mit Abstand höchsten Zuschauerschnitt in der Bundesliga. Ein Promi fällt per Zufall dann doch sofort ins Auge, ein gewisser Joachim Król hat die nötige Eurogrenze wohl auch so gerade eben noch mit seiner Spende überwunden.
Dann geht es aber schon in medias res: Direkt an der ersten Station im kleinen Rundgang werden die Gesangskünste der Museumsbesucher getestet. Aus sechs verschiedenen Songs kann man wählen, welches Fußballliedgut man zu zweit, gegeneinander, in einer Karaoke-Box schmettern will. Dabei wird tatsächlich bewertet, wie gut man Tonhöhe und Tonlänge der Melodie trifft. Eine gelungene Sache zum Warmwerden mit dem Borusseum. Außerdem muss man feststellen, dass man damals im Musikunterricht eine solche Anzeige der Tonhöhe des eigenen Gesangs gut hätte benötigen können. Denn nach nur zwei Durchgängen versteht man, da ist das halbe Leben schon vorbei, wie das funktioniert mit den Tonhöhen, die die eigenen Stimmbänder produzieren können und sammelt sogar ein paar Punkte in der Karaoke-Wertung. „You‘ll never walk alone“ und „Heja BVB“ reichten dann aber doch nur zur CPU-gestützten Einschätzung eines „Möchtegerntalents“ und eines „Antitalents“. Immerhin.
Es folgen einige Videoschnipsel aus der Historie des BVB. Waren diese auf Schalke noch „mit Liebe gemacht“, sprich: eher von Amateuren geschnitten, sind die Videos im Borusseum so kurz, dass man gar keinen Schnitt benötigte. Szenen aus der bewegten Geschichte des Klubs, von denen man natürlich schon hundert Mal gelesen hat, sie dort aber auch im Bild zu Gesicht bekommt. Dass die Navigation spinnt und man nie weiß, welches Video man schon gesehen hat und wie man das nächste anklickt, kann eindeutig nicht an mangelnder Vertrautheit der beiden Tester mit der Bedienung technischer Geräte liegen. Prädikat verbesserungsbedürftig.
Nächstes Ausstellungsstück: ein riesiger, von Fans mit irgendwelchen Botschaften zusammengestellter Quilt. Sehenswerter als eine Kutte vielleicht, historisch aber so bedeutsam wie eine Tüte Rasensamen vom Spielfeld im Westfalenstadion. Wenn man schon mit derlei Nichtigkeiten aufwarten muss, wird das Damoklesschwert der Befürchtung, dass gar nicht viel mehr an Inhalten kommen wird, immer größer.
Es folgen weitere Videos mit diversen Fangesängen von Dortmund-Fans der verschiedenen Jahrzehnte. Bevor das Programm des Museums an Banalität dann nicht mehr zu unterbieten ist, erhellt das an die Wand gehängte, ausgefeilte und deshalb sehenswerte Stecknadelsystem zur Organisation des Dauerkartenverkaufs aus Zeiten ohne elektronische Datenverarbeitung die Gemüter. Da schwebt dann schon ein Hauch von Fußball-Nerdtum durch die Räume, aber weder kann man irgendetwas anklicken noch gibt es weitere Erläuterungen zum guten Stück, die über schnöde Beschreibung hinausgingen.
Auch im Borusseum steht eine Mini-Ausgabe einer Tribüne des hauseigenen Stadions. Wie auf Schalke ist also Teil des Museums, dass man in diesem Museum, welches sich im Stadion befindet, das Stadion darstellt, in dem sich das Museum befindet. Dabei würde ein Blick vom Museum aus ins Stadion genügen, um zu sehen, wie eine Tribüne des Stadions, in dem sich das Museum befindet, aussieht, statt eine Tribüne des Stadions, in dem sich die Tribüne befindet, die sich im Museum befindet, das sich im Stadion befindet, die das Stadion darstellen soll, in dem sich das Museum befindet, zeigen zu müssen.
Eins allerdings hat das Borusseum dem Schalke-Museum voraus: Es besitzt einen eigenen Derby-Bereich. Darin werden die herausragendsten Spiele und Szenen aus den vielen Partien gegen diesen einen westlichen Nachbarn gewürdigt. Allerdings nicht so, dass man es wirklich genießen könnte, denn wieder ist die Bedienung der Filme für an vor-, hin-, rauf- und runterspulen ermöglichende Netzvideos gewöhnte Menschen schlicht umständlich. Noch dazu wird man von diesen Bildschirmen verjagt, wenn eine Vorführdame mit offensichtlich gleicheren Gästen im Schlepptau, alle männlich, über 50 und zwar nicht mit Krawatte, aber doch sehr seriös dreinschauend, herbeieilt und diesen wichtigeren Gästen die Vorführung der Derby-Szenen wieder von Beginn an ermöglichen möchte.
Woraufhin man sich zum rechnergestützten Wiki begibt, gefüttert mit allen möglichen Daten und Fakten zur Vereingeschichte. Steht jedenfalls dran, selbst ausprobieren und in die Geschichte des BVB eintauchen ist leider nicht möglich, denn das rechnergestützte Wiki ist an diesem Tag kaputt.
Schließlich widmet sich das Museum der Geschichte des Westfalenstadions, von seinem Bau bis zu den verschiedenen Erweiterungen, zusammen mit einer Zeittafel mit parallelen Infos zur fußballerischen Geschichte wie eben zu den Ereignissen rund ums Stadion. Daneben finden sich Bilderreihen aus der Gründungszeit, wie dieser und jener Spieler nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurückkam, auf welchen Äckern man gegen welche Gegner spielte und wie man gewann und verlor.
Einen Raum im Raum hat man Duplikaten der gewonnenen Trophäen gewidmet, zwangsläufig etwas größer als die selbe Rubrik beim FC Schalke 04, und dennoch erstaunlich: Abgesehen von der Meisterschale wirken alle Pokale deutlich kleiner als in der vom TV vermittelten Realität. Der Champions-League-Pokal gerade mal eine halbe Armlänge groß? Der DFB-Pokal irgendwo zwischen altbackenem Blumenpott und abscheulichem Geschenk der Gemeinde zur Kommunion? Selbst der Weltpokal nur mit dem Charme des Interieurs einer Autobahnraststätte im südlichen Frankreich des letzten Jahrhunderts? Merkwürdig, denn auch wenn die Pokale schön inszeniert und angestrahlt sind: Sie wirken wie von einem Pokalmacher erstellt, der am Wochenende stets zu seinen Eltern nach Lilliput fliegt.
Höhepunkt des gesamten Borusseums ist schließlich ein nachgebauter Raum der Gründungskneipe des BV Borussia 09, der Kneipe „Zum Wildschütz“, wo sich einst einige Jungs über die Anweisungen des örtlichen Pfaffen hinwegsetzten, dass man eben keinen Fußball spielen solle. Hier blitzt die Liebe zur eigenen Geschichte auf, die man an den vielen weiteren Stationen ein wenig vermissen lässt, selbst wenn der Nachbau deutlich auf dem Niveau der Kulisse von Dalli-Dalli steht, Sperrholz also, statt echte Kneipenatmosphäre zu vermitteln. Dennoch sehr heimelig.
Zum Abschluss wird ein Fanquiz kredenzt, das prüft, wie viele Details vom Rundgang man behalten hat, ohne in der Aufmachung an WWM-Stimmung heranzureichen. Selbst wenn man, so wie wir, alle Fragen richtig beantwortet, bekommt man weder den Eintritt zurück noch ertönt wenigstens eine Jubelfanfare. Trocken.
Eine gute Stunde braucht man also durchs Borusseum, welche man auch kaum noch hätte strecken können. Einzige Möglichkeit: die übrigen 4 der 6 möglichen Karaoke-Songs ebenfalls singen. Ansonsten hat man in dieser einen Stunde alles Dargebotene konsumiert, nicht ohne das dumme Gefühl, dass man Fußballvereins-Museen trotz Karaoke nicht neu erfinden kann. Und dass man als ausgeprägter Fußballfan eigentlich jede dieser Anekdoten schon mal gehört hat.
Fazit: Einskommafünf von fünf möglichen Rubbeldikatz-Punkten. Das geht besser, mit mehr Liebe zum Detail und trotz des sehr freundlichen Personals wirkt das Ganze etwas lieblos, ist die Klientel eines Fußballmuseums doch ohnehin schon der noch mal extra-fußballverrückte Teil der Grundgesamtheit Fußballinteressierter.