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Schlagwort: Bratwurst

Was bisher geschah (III): Fortuna — FC Bayern 0:5

Oder auch: „Scheiß dode Houßn!“

Einfach nur Fussball — reicht gegen Bayern nicht

Gunnar vom Stehblog, welcher übrigens einst Kandidat beim DSF-Superfan-Quiz war, lud zu dieser Partie ein. Mit 20 Euro ein äußerst bezahlbarer Sitzplatz im Gästebereich, ziemlich weit oben und so mit gutem Blick auf das Spiel das Abschlachten der Fortuna.

Die Anfahrt problemlos per PKW und Parken auf P2 im Gästebereich absolviert, trafen wir noch vor dem Stadion auf LizasWelt und den Baziblogger (nach Spielende auch noch auf Breitnigge samt dessen erstmalig aus Anlass dieser Partie bloggender Gemahlin), testeten die Bratwurst (okay) samt Brötchen (mega-matschig-weich, nicht mehr benotbar) und begaben uns schließlich auf unsere Plätze. Wie wenig vorhersehbar Fußball ist, sieht man an den Tipps der allesamt den Bayern zugeneigten Vorgenannten, welche da meist über ein 1:1 nicht hinausgingen, schließlich sei Fortuna sehr defensivstark. Dachte man.

Auf den Plätzen angekommen, war klar: Es wird wieder kein Netz geben, bei 54.000 Handies im ausverkauften Stadion ist das wohl immer noch ein Problem. Dafür sorgte ein Bayernfan hinter uns, dem Idiom nach unverkennbar Franke, für größere Unterhaltung. Solch ein rollendes R samt t-d-Schwäche bekommt sonst niemand hin, der nicht in Franken aufgewachsen ist. „Scheiß dode Houßn!“ gröhlte er auch sofort als die Mitglieder der Band „Tote Hosen“ vor dem Spiel geehrt wurden. Nun ist sich über Dialekte lustig zu machen immer ein wenig schal, schließlich sprechen nur die Menschen um Hannover herum keine solchen und des eigenen ist man sich ja meist nicht bewusst.

Mit welcher Verve er bei jeder Gelegenheit aber auch noch ein „Scheiß 1. FC Nermberch“ anfügte, lässt erahnen, dass es da Momente in seiner Jugend gegeben hat, die eine Abnabelung von seiner eigentlichen Heimat sehr schmerzhaft werden ließen.

Doch ist ein depperter Fan, der von homophoben Sprüchen bis zu ständigen Beschwerden darüber, dass Fortuna ja „gar nicht mitspielt“, keine Peinlichkeit ausließ, wirklich bemerkenswert? Wenn es von der Partie selbst nicht viel zu berichten gibt, vielleicht schon.

Allerdings war da ja auch noch ein Publikum anwesend, und das lieferte eine Stimmung par excellence. Hier der Eindruck von kurz vorm Einlaufen der Spieler, als die gesamte Fortuna-Kurve und die Gegengerade ihre Fähnchen wedelten und inbrünstig sangen. Warum ist es am Rhein so schön? Offensichtlich zu nicht geringen Teilen, weil die Menschen hier mit guter Laune und Sangesfreude ausgestattet sind.

Besäßen Länderspiele doch nur ein Zehntel dieser Atmosphäre vom Samstag in Düsseldorf, man könnte sich alle debilen Animationen sparen und wäre immer noch in guter Fußballlaune inmitten einer solchen fußballhungrigen Masse.

Hier noch mal in groß, was das Banner sagte:

„Wirkt auch noch nach 12.369 Tagen“

Flugs im Kopf überschlagen, dass man auf etwas über 30 Jahre kommt, welche diese 12.369 Tage bedeuten, landet man natürlich bei diesem Ergebnis hier, dem legendären 7:1, von dem man wohl auch in weiteren 12.369 Tagen in Düsseldorf noch sprechen wird. Dazu gab’s dann noch ein über die Zuschauer gerolltes Banner mit allen Torschützen und einem geknickt dreinschauenden Sepp Maier von damals. Beschwörung älterer Geister, wie man jetzt weiß: erfolglos.

Während dem FC Bayern ein 5:0 über einen Aufsteiger kaum der Rede wert ist. Zumal dann, wenn sich dieser über 90 Minuten keine echte Torchance erspielt. Eher hätte es 0:7, 0:8 oder gar 0:10 ausgehen können, was auch der kicker so sah, der ein Chancenverhältnis von 0:14 (!) zählte. Fraglich, ob man diesen Sachverhalt in einer Zusammenfassung überhaupt richtig herausarbeiten kann. Die gesamten 90 Minuten jedenfalls sahen genau so aus, wie ein Chancenverhältnis von 0:14 klingt.

Bemerkenswert allerdings dieses Bild:

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.

Nämlich keinen Unterschied zum Bild oben vor Anstoß, dabei ist das untere Bild nach Abpfiff dieser so ungleichen Begegnung entstanden. (Fast) Niemand hatte das Stadion verlassen und die Fortuna-Kurve feierte ihr Team weiterhin so, mit allen Fahnen und lauten Gesängen, als hätte dieses nicht grade eine demütig werden lassende Klatsche erhalten.

In den meisten Revierstädten hätte man schon längst Teer und Federn bei der Hand gehabt, sofern man nicht fluchtartig aus dem Stadion gerannt wäre; in Düsseldorf feiert man nach dem Abpfiff und auch schon beim 0:2-Pausenstand sein Team mit solcher Leidenschaft, als gehöre man per se in die Bundesliga oder aber sei sich bewusst, dass diese Partie einmalig bleiben könnte, bei unglücklichem weiterem sportlichen Verlauf.

Vielleicht übertreibt der Autor hier aufgrund nicht zu verhehlender Sympathien für solch ein Auftreten, aber das ist der Sportsgeist, den man im Fußball braucht. Und damit ist nicht gemeint, immer zu feiern, egal, wie die Partie ausgeht, denn dann bräuchte man gar nicht erst zum Fußball zu gehen. Sondern die Unterstützung auch dann nicht weniger werden zu lassen, wenn es eigentlich aussichtslos ist. Gegen Schalke hat das letztens gut funktioniert, hier dann wie bereits erwähnt weniger. Eine beneidenswerte Attitüde, mit der man in Düsseldorf ins Stadion geht.

Was natürlich nichts daran ändert, dass später am Abend in der Altstadt ganze Straßen durch menschliche, gut behelmte Sperren abgeriegelt wurden, weil sich Bayern- und Fortuna-Fans gegenseitig mit fliegenden Altbiergläsern begrüßten und die eine oder andere Blutlache auf dem Boden der Bolkerstraße entstand. Da es aber zu keinen größeren Ausschreitungen kam, darf das wohl als ein in der Altstadt normales Phänomen bewertet werden.

Andere Städte verfügen nun mal über kein Oktoberfest e Altstadt, so dass sich derartige Szenen auch nicht ereignen können. Zehn Prozent Idioten gibt’s noch dazu überall, in jedem Land, bei jedem Club. Solch einen Support wie bei Fortuna gibt’s allerdings zur Zeit nirgendwo sonst im Land*.

(* Das ist eventuell eine Hyperbel.)

Falls hier jegliche Anmerkung zum Geschehen auf dem Platz fehlt: Da geschah nichts. Nichts in Richtung Bayerntor, es gab nur Einbahnstraßenfußball zu sehen und wer vielleicht zur Pause auf ein Wunder à la Schweden gehofft hatte, sah sich enttäuscht. Meist schafften die Fortunen es nicht mal, bis zur Mittellinie in Ballbesitz zu bleiben. David wäre empört, in einer Metapher mit Goliath für diese Fortuna stehen zu sollen. Hinten war dann von der im bisherigen Saisonverlauf erlebten Defensivstärke auch nichts über, und dann kommt eine Partie dabei heraus, bei der einem Angst und Bange um den weiteren Saisonverlauf wird. Schließlich ist mit 8 von 34 Spielen ein Viertel der Saison absolviert und die Bayern stehen bei maximaler Punkteausbeute und 26:2 Toren.

Fortuna gewinnt an jenem Abend nur Sympathien und verbreitet gute Laune, sportlich muss es eben wieder gegen andere Gegner klappen. Gegner allerdings, und nicht übermächtige Sagengestalten, die immer ein bis zwei Mann mehr auf dem Platz zu haben scheinen, wie jene Bayern um vor allem Franck Ribery vom vergangenen Samstag. Dann ist mit eigenen Torchancen nämlich in erster Linie „dode Houße“.

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Den bitteren Nachgeschmack loswerden

Wie ein in Deutschland lebender Amerikaner, dem man vergeblich versuchte, den Fußball näherzubringen, feststellte, ist Fußball deshalb so langweilig, weil die Mannschaft, die erstmal 2:0 führt, fast immer auch gewinnt.

Daran musste ich denken, als es nach 20 Minuten 0:1 stand und ich mir kaum vorstellen konnte, das solch krasse Fehler erneut passieren würden, dass es gleich noch mal zu einem Gegentor kommen würde.

Nach eigener Ecke ausgekontert, und das auch noch wie die viel zitierte Schülermannschaft — möglicherweise eine Folge dessen, dass man defensiv auf diesem Niveau viel zu selten gefordert wird. Selbst Griechenland erzielt 2 Tore gegen die deutsche Mannschaft, welche das dort aber mit 4 eigenen Toren mehr als wett machen kann. Zu-Null-Spiele sind rar, und wenn man dann Italien vor der Brust hat, klappt es halt nicht zwangsläufig mit den nötigen eigenen Toren.

Ein Mitseher verkündete in der Pause, dass ein 0:2 aufzuholen ja schon schwierig sei, in nur 45 Minuten, aber ein 0:2 gegen Italien aufzuholen sei quasi unmöglich. Natürlich hätte man ein frühes Tor willkommen geheißen, und doch hätte man genauso wenig gegen 2 späte Tore einzuwenden gehabt.

Vermiest wurde die Stimmung beim öffentlichen Sehen an einem recht zivilen Orte, keinem expliziten Public-Viewing-Ort, aber schon vorher davon, dass ein Mitseher lautstark die „Scheißitaliener“ beschimpfte und sich wohl auch ansonsten im Stadion wähnte, und nicht in einer recht gesitteten öffentlichen Runde. An einem Ort, an dem ich derartige Ausfälle nicht erwartet hätte, legten sich auch andere noch ähnlich ins Zeug, immerhin blieb es bei „Superdeutschland“-Gesängen und nichts Anderem.

Eine Niederlage, bei der man nach 36 Minuten 0:2 hintenliegt, ist immer besser als ein Dortmund oder Manchester Barcelona, wo man die emotional kalte Dusche erst Sekunden vor dem Ziel erhält. Besser zu verarbeiten meint das, denn schlecht sind Niederlagen in KO-Rundenspielen immer. Weshalb man auch guter Dinge war, dass diese Niederlage, ebenso wie das Finale 2008 nicht allzu lange würde nachhängen.

Vielleicht noch auf ein paar geschwätzige Worte ins Stamm-Tanzlokal, wo man den einen oder anderen zu treffen hoffte, der sich mit dieser überflüssigen wie krude zustande gekommenen Niederlage auseinandersetzen wollte, und man könnte vielleicht den Podolski’schen Weg des Umgangs mit Niederlagen oder Abstiegen gehen: Nach einem Tag schon wäre alles verarbeitet. Man könnte es ja wenigstens mal versuchen, dieses ärgerliche Verlieren nicht immer so breit auf die Laune Einfluss nehmen zu lassen.

Also noch rüber zum Stamm-Tanzlokal, nicht weit vom öffentlichen Guckort. Dort alles voller Schlandis, in einem Etablissement, das mit seinem sonstigen Programm ein Publikum anzieht, das völlig fern des Schlandismus ist. Außer an jenem Abend, möglicherweise, weil es so nah zum öffentlichen Guckort liegt.

Und wie man dort bei noch einigen Bieren über das so unnötige Ausscheiden und einhergehende Platzen des Traumes vom Titel palavert, schwingen einige der weiter hinter im Raum sitzenden Schlandis, optisch ansonsten unverfänglich wirkend, tatsächlich ein dreimaliges „Sieg Heil!“ an.

Liest sich jetzt irgendwie so weg, kennt man ja von überall und allen Idioten. War aber tatsächlich ein echter Schlag in die Magengrube. Kennt man zwar, aber nicht an einem Ort, der üblicherweise völlig frei von derartigen Holzbirnen ist, sofern das beim einfachen Gespräch zu beurteilen ist. Und sicher, vielleicht, hoffentlich war es auch erstmal nur die Lust an der Provokation, keine echte Anhängerschaft des Nationalsozialismus, die da sprach. Nicht nur fred hat schon des öfteren „Heil Hitler!“ oder Ähnliches in Fußballkabinen vernommen, ohne dass die Aussprechenden Neonazis waren.

Und dennoch war das noch das i-Tüpfelchen auf der Stimmung für diesen Abend, der damit einen ganz üblen Nachgeschmack hinterließ. Scheißitalienrufende Deppen beim Spiel, hinterher Sieg-Heil-Gröhlende in einem Laden, wo man derart achtloses Rumprollen und -pubertieren nicht erwarten würde. Mir fiel das Gesicht aus der Kinnlade oder umgekehrt und ich ging, nach kurzem Hinweis an den Besitzer, was da gerade skandiert worden war, nach Hause ins Bett.

Am nächsten Tag wollte dieses schale Gefühl des Wiederverlorenhabens nicht weichen, gewürzt mit Sieg-Heil-Rufen von Vollidioten, Podolski ist da einfach besser als ich, weshalb eine Methode hermusste, die schon Bono von U2 angewandt hatte, als er nach dem Live-Aid-Konzert von 1985 dachte, den Auftritt seiner Band komplett in den Sand gesetzt zu haben. Bono schnappte sich ein Auto und fuhr drei Tage lang durch Wales. Ganz so schlimm war es bei mir nicht, aber ich setzte mich ebenfalls in ein motorisiertes Gefährt.

Um mal die eine oder andere Ecke der Stadt zu erkunden, die bislang aus weißen Flecken auf der kognitiven Landkarte bestand. Und wie es der Zufall so wollte, tat sich irgendwo hinter einer Ecke, weit südwestlich vom Wedaustadion, wo Duisburg ohnehin nur aus Grün besteht, plötzlich ein Fußballplatz auf, auf dem gerade ein Kleinfeldturnier stattfand.

Genug Anlass zum Pitchspotten war auch gegeben, denn dahinter befanden sich noch zwei weitere Ascheplätze, einer gut in Schuss, einer schon halb von der Natur zurückerobert. Und solche Plätze liebe ich ja.

Ein zugewuchertes Tor, ein Platz, auf dem man schlendern kann, die Schuhe nass vom feuchten Rasen, auf dem gerade das Turnier im Gange war und die vereinzelten Torschreie, wenn mal wieder ein Ball den richtigen Weg gefunden hatte.

So etwas macht doch gleich das Hirn ein bisschen freier und vermindert den üblen Geschmack der Sieg-Heil!-Rufe im eigenen Stammladen.

Achja, und dann gehen solche Dinge ja immer auch ein wenig durch den Magen. Welcher fußball-adäquat versorgt sein will, um die Niederlage, das Überflüssige daran und die Schlandis mit ihrem ebenso überflüssigen Nationalismus abzustreifen, wie alle drei Dinge einem länger auf dem Gemüt herumsitzen, als es dem Anlass angemessen wäre. Was dieser entspannte Abend nicht zu eliminieren in der Lage war, war die Gewissheit, dass an dieser Form von Partypatriotismus überhaupt nichts harmlos ist, wenn er so ausartet.

Immerhin mal in die Bezirksliga aufgestiegen.

Pitchspotting saves lives Stimmungen.

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