Weil der Clip eine zeitlang bei youtube wieder verschwunden war und auf einem Bein kann man schlecht stehen weil heute die überarbeitete Version des Films „Yellow Submarine“ in den USA in ausgewählten Theatern anläuft, noch mal jenen Bericht der BBC aus dem Jahr 1964 eingeworfen, in dem die Menschen auf dem „Kop“ in Liverpool „She loves you“ singen.
Schlagwort: Anfield Road
Zu hoffen wäre es ja.
Morgen spielt der große Liverpool FC gegen den wirklich verdammt kleinen Sechstligisten Havant & Waterlooville FC. In Deutschland bedeutete sechste Liga Landesliga, also so etwas wie der TSV Heimaterde Mülheim, der SV Thalexweiler oder der VfL Grün-Gold Güstrow.
Die schönen Geschichten, welche der Fußball mit seiner im Vergleich zu anderen Sportarten immensen Zufälligkeitsanfälligkeit immer wieder schreibt, wären um ein Kapitel färingischer Qualität erweitert, sollte Liverpool zu Hause verlieren. Leider spielen bei Liverpool kaum noch Engländer, so dass das In-die-Hose-Scheißen vor dem möglicherweise stattfindenden Elfmeterschießen wohl entfällt, sollten die „Taxifahrer und Lehrer“, wie SPON schreibt, ein 0:0 oder nach einem frühen, überraschenden Tor ein 1:1 über 120 Minuten halten können. Demgegenüber steht ohnehin noch, dass es in England kein Elfmeterschießen im ersten Spiel einer Pokalrunde, sondern ein Wiederholungsspiel auf des Gegners Platz gibt. (Dazu könnte man in Deutschland auch wieder übergehen, somit hätte man wesentlich mehr Gelegenheiten, Geld zu verdienen, als an zwei läppischen Relegationsspielen. Außerdem gäbe es wieder mehr Anstoßzeit-bedingte Flutlichtspiele.)
Wikipedia weiß über die Namentsentstehung des Örtchens „Waterlooville“ Folgendes zu berichten:
„Einer lokalen Überlieferungstradition zufolge ist der Name des Ortes auf ein örtliches Pub mit Namen Heroes of Waterloo zurückzuführen; dieses Pub befand sich an einem Waitland End genannten Ort und wurde 1815 von Soldaten besucht, die soeben vom letzten Feldzug gegen Napoleon zurückgekehrt waren, der mit dem Sieg bei Waterloo endete. Diese Soldaten wollten den Sieg nun nach ihrer Landung im nahen Portsmouth gebührend feiern, kehrten im genannten Pub ein und sollen sich anschließend rund um dieses Pub angesiedelt haben, dass dem Anlass entsprechend in Heroes of Waterloo umbenannt wurde.“
Waterloo liegt demgemäß in der Nähe von Portsmouth und auch in der relativen Nähe von Southampton, wie man bei Google Maps erkennen kann.
„Heroes of Waterloo“, das klingt schon mal viel versprechend und lässt hoffen, dass die Taxifahrer den schwerreichen und schwertrainierten Herren Profis ein Bein stellen. Meistens geht so etwas schief oder gar derbe in die Hose, aber alle Jubeljahre mal klappt es ja. Drücken wir also die Daumen, auch wenn wir den Liverpool FC noch so in unser Herz geschlossen haben sollten (The Kop, Ian Rush und jenem ausgelutschten Fangesang sei es geschuldet), dass es morgen eine echte Fußballsensation zu bestaunen gibt, although chances are little.
Hier noch ein bisschen Musik zum Thema, viel Spaß damit und dann möchten wir als echte Liebhaber der Underdogs sagen:
Auf geht’s, Ihr lieben, tapferen, kampfgeistigen und herzblutigen Taxifahrer und Lehrer, alle beiden thumbs are crossed. Was Färöer gegen Schottland schafft, was Liechtenstein gegen Portugal schafft, was der FV Weinheim oder die SpVgg Vestenbergsgreuth gegen Bayern schaffen, was die USA damals gegen England schafften, das sollte Euch doch morgen auch gelingen:
Ein Waterloo an der Anfield Road.
3 KommentareMit dem Veröffentlichen von Blogeinträgen ist es wie beim Anbandeln mit Frauen: Wenn man zu lange wartet, ohne aktiv zu werden, schnappt sie sich ein anderer. Es liegt schon länger hier rum, da fällt dem Direkten Freistoß ein, dass man doch mal in der Videograbbelkiste der 11 Freunde wühlen kann bzw. wühlt gar nicht selbst, sondern lässt die 11 Freunde wühlen und in ihrer eigenen Grabbelkiste finden, was hier nun Thema sein soll. She Loves You gesungen in the Kop. Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.
Deshalb schön der Reihe nach:
1. The Kop bot mit damals 28.000 Stehplätzen noch mehr Menschen Platz als die heutige Südtribüne im Westfalenstadion.
2. Der Name „The Kop“ ist niederländisch, bzw. burisch und dient dem Gedenken in Südafrika gefallener Liverpudlians.
3. Damals sangen nicht nur die jungen, sondern zumindest auf diesem Video auch die älteren Zuschauer mit Inbrunst „She loves you“ von den Beatles. Das ist einerseits bemerkenswert, weil der Song damals kein altes „Traditional“ (wie es heute „Yellow Submarine“/“Zieht den Bayern die Lederhosen aus“ für uns ist), sondern höchstens ein paar Monate alt war. Das Mitsingen der älteren ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Generationskonflikt zwischen den jungen Menschen, die so etwas wie die Beatles hörten, und jenen, die lieber Marschmusik hörten und meistens die Eltern derjenigen waren, die die Beatles hörten, viel größere Dimensionen hatte, als es heutzutage der Fall ist. Zwischen Eltern, die mit Jennifer Rush groß geworden sind und deren Kindern, die Sarah Connor hören, wird es wohl kaum aufgrund des Musikgeschmacks noch zu Auseinandersetzungen kommen.
4. Damals sangen 28.000 Zuschauer in „The Kop“ den Beatles-Song „She loves you“ auch, weil die Band nun mal aus Liverpool kam und die Beatles sicher (ich weiß da nichts Genaues nicht) als Teil der Heimat, der regionalen Verbundenheit empfunden wurden. Bemerkenswert auch, weil 28.000 Zuschauer (und der Rest des Stadions natürlich ebenfalls) es immerhin versuchten, mit Kopfstimme das „ooooh“ aus „She loves you“ zu singen. Sie scheinen zumindest in dem Video nicht gänzlich zu scheitern.
5. Damals klatschten die eigenen Spieler begeistert mit, wenn die Zuschauer sangen.
6. Wir wollen nicht vergessen zu erwähnen, was aus genau dieser mit Krawatten und Pilzkopf-Frisur optisch nahezu gleichgeschalteten Masse später erwuchs: Jener Hooliganismus, der für üble späte 1970er im Fußballfanbereich, für Heysel und für die Verbannung britischer Mannschaften aus dem Europapokal sorgte, was schließlich zur Verbannung der Stehplätze in internationalen Begegnungen führte. Natürlich sind nicht die dort Anwesenden Schuld an dieser Entwicklung. Die faszinierende Dynamik dieser Massen, dieses Unkontrollierbare, was hier auf dem Video aussieht wie „Schunkeln“, verdeutlicht eindrucksvoll, dass all das sich natürlich auch jeder Zeit genauso in eine andere Richtung bewegen kann, ohne dass man eine Chance hätte, es zu stoppen.
7. So etwas wie eingespielte Fan-Wurst-Songs aus der Dose schien es damals noch nicht zu geben. Ich muss zugeben, keiner meiner Bekannten ist in einem Gesangsverein. Ich muss auch zugeben, dass es damals weder MTV gegeben hat noch Plattenspieler für jeden selbstverständlich waren. Ich muss genauso zugeben, dass ich so ich ins Stadion gehe in den seltensten Fällen die Fangesänge mitsinge, ich hier also keineswegs mit dem Finger auf die so genannten Event-Fans zeigen möchte. Gleichzeitig finde ich es außerordentlich bedauerlich, in eigentlich jedem Stadion, das ich aufsuche, dem „Akustik-Müll“ ausgesetzt zu sein, gegen den es inzwischen auch Initiativen gibt. Der heutige Stadiongänger wird von vorne bis hinten beschallt: Sollte gerade keine auditive Werbung laufen, wird Musik in einer derartigen Dezibelzahl gespielt, dass man gut verstehen kann, warum Anwohner gegen Stadionbetreiber klagen. Damit wird den meisten Fans die Möglichkeit genommen, eine Atmosphäre wie in dem Video zu erzeugen. Ich kenne die genauen Verhältnisse in den einzelnen Bundesligastadien nicht (Berichte wären aber sehr willkommen), doch ist es unstrittig, dass es einige sangesfreudige Brüder gibt, deren Möglichkeiten durch den Schallmüll in den Stadien vor Anpfiff zunichte gemacht werden.
8. Der ekstatischen Wirkung dieser Gesänge, zumal man sich 28.000 Menschen auf einer einzigen Tribüne vorstellen möge, kann sich wohl niemand entziehen. Und leider begreifen wir wieder das Pech der späten Geburt in Bezug auf Stadionerweckungserlebnisse sowie auf den britischen Fußball der 1960er Jahre, als die Atmosphäre einfach begeisternd war Schrägstrich gewesen sein muss.
Und zu guter Letzt nun auch der Link zum Video von den Gesängen auf „The Kop“.
9 Kommentare