Ein Museum für einen Fußballclub. „Wer braucht denn sowas?“ Nun, anscheinend immer mehr Menschen und dementsprechend auch immer mehr Clubs, die ein solches über ihre Historie, ihre Erfolge, besonderen Momente, auch über ihre Fankultur und nicht zuletzt über das, von dem sie glauben, dass es sie ausmacht, einrichten. So auch der SV Werder von 1899, in dessen Vereinsnamen das Wort London Bremen übrigens gar nicht vorkommt, der dennoch in allen offiziellen Statistiken stets als „SV Werder Bremen“ geführt wird, welcher er nun mal nicht ist.
Teil einer Stadionführung im Weserstadion, das kürzlich unter vielen Protesten seinen Sponsorennamen änderte (von 2007 bis 2018 zahlte EWE jährlich 3 Mio für die Namensrechte, die das Unternehmen aber nicht nutzte), ist auch ein abschließender Besuch in jenem Museum, das sich der SV Werder von 1899 im Jahr 2004 eingerichtet hat, welches er ganz frech, um einmal diese 1980er-Jahre-Vokabel wieder aus dem Abstellschrank zu holen, „Wuseum“ getauft hat. Nach dem Besuch des Schalke-Museums und des Borusseums (das MSV-Museum wartet noch auf einen ständigen Ort für seine Ausstellung) nun also das Wuseum, welches hier kurz beleuchtet wird, allerdings leider tatsächlich wirklich nur kurz, da der Besuch dort ebenso war.
Das aktuelle Weserstadion ist komplett von einer Außenhaut eingefasst, die aus Solarzellen besteht und dem Bauwerk die Anmutung einer Kuchenbackform verleiht. Zu gerne hätte man hier das Weserstadion noch einmal mit eigenen Augen gesehen, bevor diese zwischen futuristisch und belanglos oszillierende Außenhaut angebracht wurde. Sprich: Man hätte gerne das Stadion noch einmal gesehen, denn jetzt besteht es zumindest für den aus Menschenperspektive davor herumwandelnden Beobachter nur noch aus dieser Solaranlage – und den charakteristischen Flutlichtmasten. Fürs Klima natürlich ein wichtiger Schritt, für den Ästheten einer, der ein wenig Mühe macht.
Die Stadionführung leitet natürlich auch in die Mannschaftskabinen des Weserstadions. Diese sind tatsächlich ein wenig geräumiger als im Westfalenstadion, was aber auch nicht schwer ist. Eine schöne Eistonne zum Eintauchen steht ständig bereit, ein Entmüdungsbecken und ansonsten hat man auch hier pro Spielerhintern nicht wesentlich mehr Platz als in einer Kreisligakabine, der Raum selbst ist aber deutlich größer.
Bemerkenswert ist da schon eher die Kabine für die Schiedsrichter, die nicht nur mit PC und Gedöhns ausgestattet ist, in ihr befinden sich auch zwei Schaufensterpuppen, denen man vor Spielbeginn die jeweils am Spieltag genutzten Trikots der beiden sich duellierenden Teams überstreift.
Einzig zu dem Zwecke, um festzustellen, ob diese sich zu ähnlich sehen, und ob deshalb hier Änderungsbedarf besteht. Dass man so etwas heutzutage noch nötig hat und dies auch noch mit solchem Aufwand betreibt, erstaunt doch ziemlich. Ist aber immerhin eine nette Anekdote aus dem Bundesligabetrieb, denn ansonsten gaben die Kabinen nicht allzu viel Berichtenswertes her, was nun ausdrücklich nichts Negatives bedeuten soll.
Weiter geht es ins Stadion, direkt ans Spielfeld, das sich zum Zeitpunkt des Besuchs im Urlaub befand. Statt Rasen war dort eine Menge Sand zu finden und sonst nichts. Der Eindruck vom Spielfeldrand und von den Trainerbänken aus war dabei aber ungetrübt. Und hier entfaltet das Weserstadion dann – im Kontrast zu seiner UFO-Außenhülle – eine nicht geringe Portion Charme. Man sieht ihm an, dass es mühsam von einem Stadion mit Laufbahn zu einem ohne umgebaut wurde, die ansonsten vielerorts vorherrschende Gleichförmigkeit durch Symmetrie und Planung aus einem Guss geht diesem Konstrukt wohltuenderweise ab. Und reichlich hoch ragen die Tribünen auch am Weserufer in den Himmel, für ein Stadion von solch vergleichsweise geringem Fassungsvermögen, das da nur 42.100 lautet.
Wie man ohnehin kaum nachvollziehen kann, wie man inmitten der Hochzeit des Hypes um Fußball kurz nach der WM 2006 ein Stadion renovieren kann, ohne dabei das Fassungsvermögen zu erweitern. Ursprünglich sollte das Weserstadion auf 50.000 Plätze ausgebaut werden. Kostengründe (!) verhinderten dies schließlich, sodass es mehr oder weniger beim reinen Umbau von Nicht- zu Fußballstadion blieb. Nun mag man einwerfen, dass der SV Werder ohnehin nie alle seine 17 Heimspiele ausverkauft und der Zuschauerschnitt sich stets irgendwo rund um 40.000 einpendelt. Dennoch wäre die Option, bei zugkräftigen Gegnern 50.000 Tickets zu verkaufen, sicher öfter genutzt worden als dies nicht der Fall gewesen wäre. Nun gut, man steckt nicht drin, in den Zahlen, in dem, was eine Erweiterung des Angebots statt einem weiterhin knapp gehaltenen, tatsächlich bedeutet, insofern kann man sich da kein Urteil anmaßen. Verwunderlich bleibt es aber, dass man in einem Einzugsgebiet von 2,7 Mio Menschen (welche die Metropolregion Bremen/Oldenburg bevölkern) nicht auf ein größeres Fasssungsvermögen baute.
Immerhin blieben auf diese Weise die so prägenden Flutlichtmasten des Weserstadions erhalten. Damit bleibt es auch dabei, dass das Stadion von vielen Orten in der Stadt aus zu lokalisieren ist, weiterhin die Skyline, so man diese Vokabel im Falle von Bremen wählen will, prägt und so auch das erhalten blieb, was ohnehin bei einem Besuch Bremens äußerst auffällig im Vergleich zu anderen Städten in Deutschland ist: Wie enorm Werder in der gesamten Stadt präsent ist und mit den Menschen verwoben wirkt, kurz, dass Werder in ganz Bremen eine Rolle spielt, Identität stiftet und Identität bedeutet und damit wiederum sicheren Rückhalt auch in schlechten Zeiten ohne teure Maßnahmen dafür ermöglicht. Vielleicht langfristig ein Vorteil, der den Verzicht auf den Ausbau auf 50.000 Zuschauer aufwiegt, wenn auch dies kaum in monetären Dimensionen zu berechnen ist.
Nach dem Besuch der Trainer- und Reservebänke geht es weiter in eine der Logen, die wohl auch erst im Zuge des Umbaus eingebaut wurden. Ihr Design ließe allerdings eher darauf tippen, dass sie in den 1960er Jahren in Anlehnung an das Look and Feel eines James-Bond-Films geplant wurden. Etwa 10 bis 12 Plätze, kinosaalartig angeordnet, bietet eine solche Loge und der Clou ist, dass man die zum Spielfeld hin befindliche Fensterscheibe mittels Fernbedienung auf- und zufahren lassen kann. Mr. Q hatte da offenbar einen seiner besseren Einfälle, wenn auch die Enge in diesen Logen im Vergleich zu anderen Stadien verdeutlicht, dass diese Vokabel hier angemessen ist, und anderenorts eher nicht. Anderenorts haben derartige Logen oft eher den Charakter einer kleinen Kneipe oder eines Partykellers, mit einer Theke und vielen Möglichkeiten, sich sitzend darniederzulassen, ohne automatisch mit Blickrichtung Spielfeld zu sitzen.
Hier aber sitzen alle schön brav mit dem Kopf in Richtung Spielfeld neben- und hintereinander. Einzig Streit um die Fernbedienung der Glasscheibe vor der Loge kann man sich zu vorgerückter Stunde vorstellen, ansonsten aber ein sehr eigener Charakter dieser Loge im Weserstadion.
Weiter geht es durch diverse VIP-Räume samt Theke, Kicker und schließlich in den Presseraum, bei dem man als Besucher auch schon mal oben auf dem Podium posieren darf.
Wie nett. Und fast wie im Wunderland.
Wobei man fairerweise hinzufügen muss, dass der Eindruck auf diesem Foto täuscht. Dieser lässt das Podium deutlich mickriger wirken, als es in realiter der Fall ist.
Und dann geht es auch schon ins Wuseum, wo uns aber nur weniger als eine halbe Stunde blieb, weshalb eine ausführliche Erörterung wie beim Schalke-Museum und beim Borusseum leider ausbleibt. Aber ein paar Impressionen gibt es.
Zu diesem Exponat muss man wohl keine Worte mehr verlieren, es sei denn, für die Spätgeborenen. Immerhin ereignete sich jener Zwischenfall mit der Papierkugel im Duell zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV bereits am 7. Mai 2009 und da waren möglicherweise noch nicht alle Leserinnen so weit, ihre Aufmerksamkeit auf dieses innerdeutsche Duell im UEFA-Pokal zu richten.
Interessant übrigens auch, welch vielfältige Konsequenzen die Papierkugel damals beim HSV auslöste, die bis heute nachwirken.
Hier dann unkommentiert weitere Impressionen aus dem Wuseum, das natürlich bei einem Besuch in Bremen Pflicht ist, auch, wenn man nicht sagen kann, dass man sich darin – wie in den meisten anderen Museen, die ja meist nur einen Teil ihres Archivs ausstellen – verlieren kann. Aber bevor man damit wieder jemandem Unrecht tut, sei es angemerkt: Vielleicht hat das Wuseum ja noch viel, viel mehr in petto, aber nicht genug Platz, um dieses Mehr auszustellen.
Und zu guter Letzt noch die Bilder einiger Werderaner Heroen, welche großformatig in den Gängen der VIP-Logen ausgehängt sind. Diese sind somit kein Teil des Wuseums und nur Besuchern der Stadionführung zugänglich.
Neben Rudi Assauer, dem Ur-Bremer in einem klassischen rot-weiß gestreiften Werder-Trikot, auch ein neuerdings Duisburger dabei, Klaus Allofs nämlich, und viele weitere Helden der Bremer, allen voran Horsti, der Höttes, if you know what I mean.
„Der SV Werder von 1899″: das ist die Begründung für ein Mu-, äh, Wuseum. Der VfL in good old Osnabrück hat ja auch eines, weil: 1899.
Ich hab Deinen Bericht gerne gelesen, und nicht nur beim Zitat von Ailton gelacht. Klasse!
Grüße immer noch aus dem Spooky´s!
Huh…
Für welches Vergehen gibt es denn ‚Lebenslang Grün-Weiß‘?
Aha, Herrn netzberg gibt es noch und auch immer noch das Spooky’s. Cool. Immerhin mein erstes „Auswärtsspiel“ damals – und leider schon 7 Jahre her. Möp.
Tja, Manfred, ich glaube, dafür muss einen gleichnamigen Song veröffentlichen.
Ich bin vor 3 Jahren in dem Museum gewesen, bin zwar absolute kein Bremen Fan, aber es war sehr interessant!
Jute Überschrift :D ich lieber Werder und auch das Weserstadion tatsächlich war ich aber noch nicht im Museum eigentlich verrückt muss ich unbedingt nachholen