Ach, ja, wir sind des Kommentatorenbashings alle müde. Und ehrlich gesagt mag ich Onkel Réthy auch sehr. Seine Stimme, seine Art, wie er ist, er ist ein alter Freund geworden. Was er bei der Partie Portugal gegen Island aber mal wieder an Karteikartengläubigkeit an den Tag legte, ging auf kein Schafsfell mehr.
Leg sie doch einfach mal weg.
Da erzählt er so fleißig wie überflüssig, von welchem Verein dieser und jener portugiesische Spieler stammt, wie oft dieser Meister war, dass aber dort – in jenem Verein – jetzt nicht mehr so viel laufe, während vor ihm ein munteres Spiel abläuft und wenige Sekunden später die Isländer zu ihrem Ausgleich kommen.
Keinen Menschen interessiert in diesen 90 Minuten, wie viele Titel Club xy von Spieler yz gewonnen hat.
Da erzählt er in der 89. Minute, als es nur noch darum geht, ob in der spannendsten Partie des gesamten ersten Spieltags der EM Favorit Portugal jetzt noch zu seinem Siegtor kommt oder nicht, dass C. Ronaldo ja in irgendeinem Vereinsspiel von annodunnemal mit Real Madrid gegen einen isländischen Club bei einem 8:0 mal vier Tore erzielt hat. In der 89. Minute, auf dem absoluten Höhepunkt der Spannung, nicht einmal da kann er von seinem in den meisten Fällen völlig überflüssigen Zahlengewisse lassen und sich auf das Spiel konzentrieren.
Niemand will wissen, warum Spieler A zu Verein Z gewechselt ist, so lange das Spiel läuft.
Da erzählt er zwischendurch hier und da, wer wo spielt und vergisst dabei völlig, sich einfach auf das Spiel einzulassen, das Spiel zu begleiten. Kein Mensch will das in diesem Moment wissen — es war kein Pokalspiel des FC Dudelhausen gegen den FC Schalke 04, sondern ein auf des Messers Schneide stehendes EM-Spiel — wo dieser und jener Spieler im Verein tätig ist oder was es da an dessen Fischbude zu essen gibt.
„Nanis erstes EM-Tor überhaupt!“ Wichtiger wäre: dass es ein Tor in diesem Spiel war.
Béla Réthy schafft es immer wieder, völlig am Spiel vorbeizureden, nur noch gerade mal die dicken Chancen wahrzunehmen, aber nicht im Entferntesten, am Spiel dranzubleiben, nicht einmal, wenn es derart viele Dinge zu erzählen gäbe – aus dem Spiel heraus, über das Spiel – wie in dieser Partie Island gegen Portugal.
Beziehungsweise: Er hat schon seine guten Phasen, wie auch Portugal sie in diesem Spiel hatte. Aber Réthy macht seine gerade in dieser Partie satt vorhandenen Chancen nicht rein, er erzählt keine Geschichte, er erzählt nicht, was auf dem Platz passiert, sondern weicht immer wieder aus, bleibt nicht dran, Béla, das kannst Du doch, erzähl doch mal die Geschichte vom Spiel, das sich da vor Dir ausbreitet. Stattdessen hören wir Zahlen und Vereinsnamen, als wäre ein Livekommentar eine Messe der Fußballnerds.
Der erste Punkt von Island bei einer EM — ach, echt?
Réthy verpasst es – zumindest in dieser Partie – völlig, das zu transportieren, was da vor seinen Augen geschieht: eine mittlere Fußballsensation. Und auch wenn man das nicht mehr so sehen darf, weil Island ja inzwischen tatsächlich kein Kleiner mehr ist: Weiter daneben liegen konnte man kaum, wenn man so ein Geschenk bekommt, eine Partie mit einem derartigen Verlauf zu kommentieren.
Alle anderen haben dieses Geschenk aber wahrgenommen, wie sich da ein Underdog, trotz allem, gegen Portugal einen Punkt erspielt. Nur Réthy musste noch mal schauen, was der isländische Torwart noch so nebenbei macht. Reporter, bleib bei Deinen Leisten, die in dem Fall das Spiel sind. Wenn man so eine faszinierende Partie kommentieren darf, sind die Karteikarten einfach fürn Arsch.
Irgendwie schaffe ich es glücklicherweise mittlerweile das Gesabbel der Kommentatoren komplett auszublenden. Ohne den Ton abzudrehen, versteht sich. Das nehme ich nur noch als so eine Art Grundrauschen war. Und ich bin verdammt dankbar dafür.
Trainer, das ist so angenehm konstruktiv, danke.
Weniger konstruktiv, aber sehr belustigt, ist meine Erinnerung an seinen gestrigen Kommentar in der Schlussminute, als es nach Ronaldos Freistoß, der von der bekanntlich gut 9 Meter entfernten Mauer per Hand abgewehrt wurde, einen weiteren gab, „etwa fünf Meter weiter vorne“. Sach ma?
Ich gucke die Spiele in den Niederlanden (NOS überträgt ins Internet), verstehe von den Kommentaren also eh nur Teile. Und was soll ich sagen? Es ist gewissermaßen EM Redux, aufs wichtigste konzentriert.
Mit einer Ungarin, die bei der letzten WM-Teilnahme Ungarns noch nicht einmal geboren war, zu erleben, wie Ungarn 2:0 gegen Österreich gewinnt, das hat schon etwas ganz Besonderes. Zumal kurz zuvor ja noch Deutschland gegen Ungarn gewonnen hatte und die lästernden Kommentare gegen die eigene Mannschaft nicht zu kurz kamen.
Ja, die EM kann cool sein. Und hatte für mich aus privaten Gründen schon eine tolle Szene.
„Erzähl doch mal die Geschichte vom Spiel, das sich da vor Dir ausbreitet.“ – NEIN, das soll er gerade nicht, Ich will nicht hören, was er NICHT sieht, ich will genau das Untergrundgesabbel, was da war, und ich will ISLÄNDER, die meinen Fußball im EM-TV kicken, als wäre ich an der Bremer Brücke. Ist doch alles gut!
[…] Trainer Baade über Onkel Bélas Gespür für’n Zettelkasten. […]
[…] Trainer Baade arbeitet sich an Béla Rethy ab. […]
Wer hat eigentlich die Mär in die Welt gesetzt, das ein ungarisches ‚a‘ als ‚o‘ ausgesprochen wird?
Als zweisprachig (deutsch und ungarisch) Aufgewachsener kräuseln sich mir jedes Mal die Fußnägel hoch, wenn die guten Herren Kommentatoren von ‚Gero‘ und ‚Szoloi‘ reden.
Ich erwarte ja wirklich nicht dass die komplette Aussprache korrekt ist. Wenn ‚Király‘ als ‚Kirali‘ ausgesprochen würde, ist das ja wirklich zu verstehen.
Wenn aber ein offensichtliches Missverständnis zu einer Verschlimmbesserung der Aussprache führt und ein simples deutsches Vorlesen des Namens (bis auf die Betonung des Wortes) komplett richtig ist, ist das einfach bescheuert. Bei Szalai ist mir das auch schon im Bundesligaalltag aufgefallen.
Also als Tipp: Ein ‚a‘ ist auch im ungarischen ein ‚a‘.
Hey Baade,
ich würde mich riesig freuen, wenn du per Youtube vielleicht mal eine Liveschaltung mit Ersatzkommentaren schalten würdest, das wäre definitiv eine Bereicherung für den Fußballabend. Dann könnten wir alle auch Bela auf Mute schalten.
VG
Christian
Es gibt nur einen, einzigen Weg aus dem Dilemma dieser Zeit: Jeder kommentiert sich die Spiele selbst und genießt hinterher seinen eigenen Erguss bei einer monströsen Packung Salzgebäck und herbem Bier. Und das alles nennen wir dann Kommentatoren 3.0!
Um eine Lanze für Béla R. zu brechen – er gehört zu den wenigen Fußballkommentatoren im frei verfügbaren TV, die nicht dauerhyperventilieren und Spannung herbei brüllen, wo keine Spannung da ist. Verglichen mit den Hochjatzern (Jazz isses ja nicht wirklich…) ist Béla gut auszuhalten. Wirklich.
Alternativ: Ton aus, und endlich Rasenfunkcolinaserbenoderwelchenauchimmerlieblingspodcast zu ende hören.
@Alph
„Wer hat eigentlich die Mär in die Welt gesetzt, das ein ungarisches ‚a‘ als ‚o‘ ausgesprochen wird?
(…)
Also als Tipp: Ein ‚a‘ ist auch im ungarischen ein ‚a‘.“
Die Verständnisschwierigkeit besteht darin, dass einem Deutschsprachigen der Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Vokalen nicht klar ist, was in vielen Fremdsprachen, die das unterscheiden (oder nur eine Variante davon haben), zu grausigen Akzenten führt.
Grob ausgedrückt:
hu -> de
a -> offenes o wie in „Motte“
á -> a
o -> geschlossenes o wie in „Los“
Die Niederländer im Fernsehen nennen Nagy „Notsch“ und Ferencváros „Fränzwaroß“, wobei ersteres wegen der Härte wie ein Pseudo-Militärbefehl klingt. Das zuckt man schon zusammen.
@Kunar
Nicht ganz:
Hu -> de
a -> a wie in ‚Mathe‘
á -> a wie in ‚Maß‘
o -> wie in ‚Pollen‘
ó -> o wie in ‚Polen‘
Das furchtbarste Wort der EM ist „liefern“ – dafür müssen alle herhalten, welche aufgrund ihres klangvollen Namens noch eine Bestellung auszutragen haben. Tore meistens.
Unterschreibe bei ferenc_i und Bastards United. Wir sind auch für die Worte verantwortlich, mit denen wir Fußball lieben. – Im übrigen sehe und höre ich bisher gute Unterhaltung zu den Spielen im TV. Mit einem halben Tor vorne (gefühlt) sehe ich latürnich Das Erste Mannschaft und den Zweiten Anzug. ;-)
Mein generelles Fazit nach gefühlt 1500 Minuten Fußball: Manche Reporter klingen absolut locker und unaufgeregt sachlich – andere dagegen wie Kriegsberichterstatter. Sucht euch aus, wen ich damit meinen könnte.
Ein Trick: Sucht euch eine Livestream, bei dem ihr einen Reporter erwischt, dessen Sprache ihr nicht versteht … die Stimmung kommt gut rüber und man verschafft sich ein ganz eigenes Bild vom Spiel.