Der Sommer geht, die ersten Herbstlüfte ziehen auf, der Regen wird häufiger. Apropos Regen. Da gibt es doch etwas im deutschen Fußball mit Regen Verknüpftes, obwohl man Regen eher mit der britischen Insel in Verbindung bringen würde. Regen also …
Mit Legenden aufzuräumen kann weh tun. „11 Freunde müsst ihr sein“ stammt nicht von Sepp Herberger. Das weltberühmte Foto von Maradona gegen 6 Belgier erzählt nicht die Geschichte, die man zu kennen glaubte. Jens Lehmann fuhr nicht mit der Straßenbahn von Leverkusen nach Schalke. Und jetzt bitte festhalten, meine Damen und Herren:
Regen ist nicht dem Fritz sei Wetter.
Denn an jedem Tag ist dem Fritz sei Wetter!
Das zumindest berichtet Paul Lavan, damaliger Radiomensch, im Jahre 1968 in der Publikation „fair play – neue Folge“. Hier glaubte man bislang an die Legende, dass Fritz Walter sich im Kriege Tuberkulose eingefangen habe, deshalb Probleme mit den Atemwegen hatte und ihm Regen oder feuchte Luft nicht in erster Linie wegen der dann nötigen besseren fußballerischen Technik zugute kam, sondern weil er dann besser atmen konnte.
Tatsächlich war dieser Spruch von Sepp Herberger wohl eine Art früher „Running Gag“ in den Reihen des deutschen WM-Kaders für 1954. Denn Paul Lavan beschreibt die Anwendung des Spruches folgendermaßen:
… unser Sepp hatte in seiner verhaltenen Art dieses zitierte Wort immer bei der Hand. Als Selbstberuhigung? Gehört es zu seinem „Führungsprogramm“, das ja auch eine behutsame Stimmungsmache umschließt?
Regnete es in Strömen auf dem Platz in Thun, auf dem trainiert wurde, fragte man: „Na, Sepp?“ – Pause. Dann: „Ha no, s‘isch dem Fritz sei Wetter.“ Ein anderes Mal brach die Sonne hintern den Wolken hervor. Es war heiß und drückend beim ersten Sieg über die Türken. Herberger stand still und beobachtete alles vor dem Spiel. Wir stellten ihn: „Na, Sepp, heiß heute!“ – Pause. Nach einiger Zeit, etwas gedämpft: „Ha no, s‘isch dem Fritz sei Wetter.“ Wie war das doch in Genf windig, Wolkenhimmel und drohender Regen. Die Jugoslawen marschierten, kampf- und siegesentschlossen in die Bahn. „Sepp, der Wind pfeift stark, der Regen droht. Die Jungens sind doch auch bei dem Wetter gewappnet?“ – Pause. Nach längerer Zeit ruhig und still: „Ha no, s‘isch dem Fritz sei Wetter, des hat er gern.“
Da sind wir alle geplättet, die Bundesrepublik in ihren Grundfesten erschüttert und Herberger ein Mann, der obwohl er auf die Urheberschaft von „11 Freunde müsst ihr sein“ verzichten muss dann auf andere Art die Geschichte prägt: mit einem ganz frühen Running Gag. Unweigerlich fühlt man sich hier erinnert an jenen einstigen Mitspieler, der stets vor Anpfiff beider Halbzeiten verkündete, dass man nun „auf unserer starken Seite“ spielen werde, ganz egal, ob man nun in Richtung Mekka oder in Richtung Grönland rennen musste.
Ein kleines Mantra, vielleicht auch nur ein Spielchen, nicht zuletzt mit den Journalisten, aber sicher keine Spätfolge von TBC und noch nicht mal besonderes Geschick von Fritz Walter sind also Grundlage dieses doch so ungemein bekannten Ausspruchs im Fußball.
Die Grundfeste der Bundesrepublik wackeln noch ein bisschen, dann fangen sie sich wieder ein.
Alles nur ein Gag.
Besser als andersherum.
(Großer Dank an blavont.)
Puhh, das ging nochmal gut. Befürchtete schon, Regen wäre nicht dem Fritz sei Wetter.
Also hatte Sepp Herberger doch mehr Humor, als so mancher Trainer heute…?
[…] Zuerst wird mit einem Mythos aufgeräumt. […]
Danke. Ist einfach ein Bildungsblog hier. (Nein, keine Ironie.)
Ja, pana, so scheint es wohl gewesen zu sein, auch wenn Herberger bislang nicht unbedingt als Komödiant gilt. Aber so einen etwas subtileren Humor oder auch einfach nur die Lust am kleinen Schabernack das mögen auch heute noch einige haben. Fraglich, ob jene, die es transportieren könnten, dazu immer in der Lage sind. Ob systematisch nicht oder individuell nicht.
Das erzählte der Fritz selbst aber ganz anders. Schreibt jedenfalls der DFB auf seiner Seite zu dem Thema:
Am Spieltag inspizierte Herberger schon morgens den Rasen und ließ sich sogar von einem kleinen Autounfall nicht davon abbringen: Er nahm einen anderen Wagen und fuhr schon Stunden vor dem Anpfiff ins Wankdorf-Stadion. Außerdem setzte er buchstäblich auf die Wetter-Karte und hoffte auf Regen, auf Fritz-Walter-Wetter. Für den anderen Fall hatte er bereits ernsthaft erwogen, den Rasen sprengen zu lassen. Doch nach seinem Anruf bei der Wetterwarte, die „Dauerregen im Gebiet Südbaden und der Schweiz“ verhieß, nahm er davon Abstand. Als der große Tag des Finales kam, kam auch der Regen, wenngleich mit Verzögerung. Morgens um neun klopfte Werner Liebrich noch aufrichtig besorgt an Zimmertür 303 im Hotel Belvedere und stellte im Pfälzer Idiom fest: „Na Friedrich, was meensche jetzt? Gucke mol, de Planet, wie er sticht.“
Sein Kapitän antwortete: „Kleiner, es ist ja noch früh. Das Wetter wird schon nach Wunsch.“ Er sollte recht bekommen. Als Erster merkte es Max Morlock, beim Mittagessen. Die kommenden Weltmeister saßen gerade über ihren Brathähnchen, wie vor allen Spielen, als der Nürnberger ausrief: „Friedrich, es regnet!“
So wurde es von Fritz Walter in seinem Buch „3:2“ festgehalten, wir müssen es also glauben. Er stürzte sofort auf die Veranda und genoss das Schauspiel. „Jetzt ist alles klar, nichts kann mehr schiefgehen.“
Quelle: DFB.de