Bei Werder Bremen überschlagen sich die Ereignisse, die beinahe anderthalb Jahrzehnte andauernde Kontinuität bei Manager und Trainer ist zu Ende. Sicher nicht gut für die Fanseelen rund ums Weserstadion, wohl aber gut für die Stammtische der Fußballliebhaber. Denn nach 14 Jahren Abstinenz dürfen auch die Bremer Fans jetzt mal mitmischen bei einer spannenden Trainersuche.
So erstaunt es wenig, dass bei den Bremer Blogs und Podcasts nach drei sportlich trockenen Jahren wieder viel diskutiert wird. Zufällig liegt mein Lesetermin in Bremen in dieser unruhigen Zeit, am Dienstag, den 4. Juni lese ich ab 20h im „Eisen“ wieder die „Drama Queens in kurzen Hosen“.
Deshalb klopfte der Werderaner Tobias Singer vom Blog Meine Saison bei mir an, ob ich nicht Teil dieser Ausgabe des Grünweiß-Podcasts sein wollte. Zu Gast in Bremen war ich am Mittwoch, leider nur per Skype, was die eher mediokre Tonqualität bedingte. Wir sprechen auch über meine Lesung, aber natürlich ebenso über die Lücke, die Thomas Schaaf hinterlässt. Und eigentlich hätten wir noch einige weitere Themen im Angebot gehabt, aber da streikte dann leider die Technik.
Wie ich mir sagen lassen habe, besitzt das „Eisen“ in Bremen doch einen sehr besonderen Charme. Wer in Bremen lebt, wird den Laden wohl kennen, für mich ist es der erste Abend dort. Ich hoffe, mit vielen von Euch, so dass es wieder ein runder Abend wird.
Hier geht’s zum Gespräch mit Grünweiß, dem Werder-Bremen-Fußball-Stammtisch, mich gibt’s ab Minute 18:30 zu hören, aber natürlich sind die gesamten 1.22h hörenswert.
Einen Trainerwechsel in Bremen, das gab es zuletzt zu einer Zeit, als wir auf unseren Handys gerade mal SMS bei monochromer Darstellung verfassen konnten.
PS: Der Eintritt am 4. Juni ins Eisen ist frei. Be there or be square.
Gruß nach Bremen: Lesen und siegen!
Nun ja, Trainer. Bremen. Ist ja eigentlich immer eine spannende Geschichte, also, Werder, meine ich jetzt. Vor allem auch die nächste Saison. Darf man eigentlich Vergleiche ziehen? Gerade im Moment, weil doch der Spezialist verpflichtet wurde? Der Spezialist für das Beerben von Langzeit-Trainern, die, längst Vereins-Legenden, doch recht merkwürdig gehen mussten. Einst Finke, der mit dem Blumenstrauß so rein gar nichts anzufangen wusste, nun Schaaf, der gleich den Hinterausgang nahm.
In Freiburg ging es mit Dutt im ersten Jahr ein Platz nach hinten, nun mit Werder auch? Die Werder-Fans werden es sicher längst überprüft haben, ein Platz nach hinten wäre Platz 15, würde also reichen, Beruhigung an der Weser. Aber die eigentliche Frage lautet doch: Steht Werder nun ein jahrelanger Abstiegskampf bevor?
Den jahrelangen Abstiegskampf kennen sie schon an der Weser, den führten sie einst. Bis sie ihn 79/80 schließlich verloren und tatsächlich in die zweite Liga mussten. Und warum? Keine Frage, die niederen Instinkte. Es war der Neid. Denn verstohlen richteten sie Ende der 70er immer wieder den Blick gen Volkspark zum Nord-Rivalen und mussten verkniffen ertragen, wie dort die Mighty Mouse begeisterte. Da dachte man sich an der Weser „das können wir auch“, und Rudi Assauer holte 79 einen Engländer.
Dieser Engländer sollte jemanden ersetzen, dem man längst ein Denkmal hätte errichten müssen: Per Roentved. Sieben Jahre hielt der dänische Libero Werder erfolgreich im Kampf gegen den Abstieg über den Strich, war zuletzt dort ebenso Kapitän wie auch im dänischen Nationalteam, für das er lange Zeit Rekordspieler war (75 Spiele). Bis zur WM-Qualifikation 82 spielte er für Dänemark, zwar noch unter Piontek, jaja, mit Werder Meister 65, und zusammen mit Olsen, Arnesen, Lerby, Simonsen und Elkjaer-Larsen, war aber nicht mehr Teil des danach entzündeten Danish Dynamite. Bis 79 blieb er an der Weser, widerstand auch den Verlockungen der Bayern, die ihn 77 als Beckenbauer-Nachfolger holen wollten. Aber eben nur bis 79.
In Bremen freute man sich dann aber riesig über den gelungenen Coup, den 32-jährigen Dave Watson von Manchester City zu überreden, als Nachfolger nach Bremen umzusiedeln. („Seht her HSV, wir können auch Engländer.“), immerhin Stammspieler in der Innenverteidigung der Three Lions. Was auch immer das zu bedeuten hatte, in der Phase der verpassten Weltmeisterschaften 74 und 78.
Und zunächst schlug Watson gut ein. Souverän hielt er im ersten Saisonspiel die Abwehr zusammen, folgerichtig ein 1:0- Sieg über Uerdingen. Dann schlug er zu. Im zweiten Spiel bei den Sechzigern fühlte er sich früh im Spiel provoziert von Hermann Bitz, zog die imaginären Handschuhe aus und streckte im ungleichen Duell seinen Gegenüber nieder. Acht Wochen Sperre. Nach Ablauf der Sperre hatte er keine Lust mehr auf die Bundesliga und kehrte auf die Insel zurück. Werder fehlte ein Abwehrchef. Assauer versuchte noch, den Gladbacher Bruns zu verpflichten, doch der ging lieber für den Rest der Saison nach Düsseldorf. Und so mussten die Bremer dann den ebenso jungen wie langen Hans-Jürgen Offermanns häufig in der defensiven Zentrale spielen lassen, den man vor der Saison als Nachwuchshoffnung aus Lüdenscheid holte. Also, nicht vom BVB, vom Zweitligisten Rot-Weiß Lüdenscheid. Bis im weiteren Saisonverlauf in Abstiegsnot Benno Möhlmann nach hinten gestellt wurde. Was hat das alles gebracht? Vierzehnmal vier oder mehr Gegentore, 93 insgesamt. Und ausgerechnet ein Engländer besiegelte am vorletzten Spieltag den Abstieg, Tony Woodcock traf viermal im Weserstadion beim 5:0-Sieg der Kölner.
Tja, 93 Gegentore für Nationalkeeper Dieter Burdenski. Der in jene Saison als Nachfolger von Sepp Maier ging und den Kampf um das deutsche Tor knapp gegen Norbert Nigbur zu gewinnen schien. Doch kurz vor der EM entschied sich Derwall nach Burdenskis Abstieg für Toni Schumacher, der zum EM-Auftakt 1980 gerade mal sein drittes Länderspiel absolvierte. Die weitere Geschichte ist bekannt.
Ebenso die weitere Geschichte von Werder Bremen. Offen bleibt, wie immer, nur die Zukunft.