Oliver Neuville, mit seinen für ihn typischen hängenden Schultern und dem meist teilnahmslosen Gesichtsausdruck. Markus Feinbier, drahtig wie eh und je, anders als die meisten der heutigen Mitspieler und Gegner. Bachirou Salou, mit seinen für diese kleine Halle viel zu mächtigen Schritten, aber leichter Plautze. Martin Schneider, Markus Osthoff, Peter Peschel.
All diese und viele Ex-Profis mehr spielten am vergangenen Sonntag beim Reviermasters der Traditionsmannschaften in Mülheim den Reviermeister aus. Zehn Teams insgesamt, und nur die Spieler des Teams des Mitausrichters Deutsche Post befanden sich auf der Höhe ihrer Schaffenskraft, während alle anderen Teilnehmer ihre besten Tage kurz bis mittellang hinter sich hatten. (Jene, welche ihre besten Tage lange hinter sich hatten, befanden sich nur auf der Tribüne, also z. B. Enatz Dietz, Ata Lameck und Lothar Woelk.)
So spielten also die Traditionsmannschaften des VfL Bochum, der SG Wattenscheid, von Rot-Weiß Oberhausen, dem FC Schalke 04, des Titelverteidigers MSV Duisburg, von Rot-Weiß Essen, Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen plus zwei Gastteams um diese kleine, ein Mal im Jahr stattfindende Meisterschaft.
Und dass Profifußballer ein ganz besonderer Schlag Mensch sind, zeigte sich in der ausgesprochenen Ernsthaftigkeit samt immer wieder hochkochender Hitzigkeit der Partien. Da wurden auf dem kleinen Stückchen Hallenrasen taktische Fouls begangen, der Schiri beleidigt, sich beinahe gegenseitig mit Fäusten malträtiert und es gab Zeitstrafen in rauen Mengen. Allein das Halbfinale zwischen dem Team der Post und Bayer Leverkusen sah drei Zeitstrafen bei nur vier Feldspielern pro Team und zehn Minuten Spielzeit.
Mit völlig unironischem Ernst gingen alle Beteiligten zur Sache. Nun ist hinlänglich bekannt, dass Fußball ausübende Menschen und Ironie so selten zusammen gesichtet werden wie im deutschen Fußball einstudierte Tricks bei Standardsituationen.
Aber zumindest ein bisschen weniger ernsthaft, ein Stückchen mehr für die Galerie hätten sie alle spielen können. Schließlich ging es für keinen von ihnen, anders als in Testspielen von Profimannschaften, noch um einen Stammplatz oder einen Vertrag. Schlicht dieser schnöde Ein-Tages-Titel stand auf dem Spiel. Zwar kommt noch jeder Hobbyfußballer zu einem solchen Turnier, um zu gewinnen, hier aber ging es bis aufs Messer zur Sache, mit den üblichen Kandidaten Hitzköpfen und einem Schiedsrichterpaar, das alle Hände und Karten in Hosentaschen voll zu tun bekam.
Ein wenig erschreckend fast, wie ernst diese Angelegenheit genommen wurde.
Einerseits zwar beruhigend gewesene Profifußballer wollen auch nach dem Abpfiff ihrer beruflichen Karriere kein Spiel verloren geben. Also wird es im Profialltag auch nicht anders gewesen sein, und das, was wir allwöchentlich in der Bundesliga sehen, ist keine Show, sondern authentischer, intrinsisch motivierter Kampf um den Sieg.
Und dann doch ein wenig Distanz schaffend zwischen dem schnöden Allerweltsfußballer und ihnen selbst. Sie sind von ihrer Wesensstruktur her so gebaut, dass sie niemals verlieren wollen (oder immer gewinnen, was etwas anderes ist, auch wenn es aufs Gleiche hinausläuft), und sind tatsächlich die bärbeißigen, übermotivierten und völlig ironiebefreiten, bis an die Zähne motivierten Streiter, als die sie gerne stilisiert werden. Das ist nicht unbedingt in jeglicher Hinsicht sympathisch.
Schließlich ist es alles doch nur ein Spiel und diese Typen, die nie verlieren konnten und schon beim Gesellschaftsspiel nach vollzogener Niederlage das Spielbrett samt allen darauf befindlichen Spielfiguren in hohem Bogen durch die Wohnküche befördern, wütend und kaum zu besänftigen diese Typen hat erstens keiner lieb und zweitens sollen genau von diesem Schlag Mensch unsere Helden im Fußball stammen?
Mhh. In Dortmund sah das doch eigentlich noch mehr nach Spaß aus!?
Wie wahr! Ich muss mich auch jedes mal aufs neue wundern, wenn ich in Interviews selbst solcher lockeren Vögel wie Mehmet Scholl oder Thomas Müller lese, dass sie immer „gewinnen wollen“ und, und sei es auch nur bei Gesellschaftsspielen, „ganz schlecht verlieren können“.
Bisher hielt ich das, zumindest teilweise, für Pflichtaussagen, die ein Profi halt bringen muss, damit der Trainer weiß, der Junge ist immer voll dabei, aber inwzischen, zumal nach Lektüre des obigen Artikels, ist wohl klar: Die meinen das absolut ernst. Vermutlich ist dies mit ein Grund, warum es nur ganz Wenige wirklich bis zum Profi schaffen. Zwar werden die meisten von uns lieber gewinnen als verlieren, aber manchmal ist es einem dann wohl doch nicht sooo wichtig.
Aber, nehmen wir es leicht: Wir, die wir vielleicht auch mal eine Niederlage ertragen, wenn unser Team dafür großen Fußball gezeigt hat, sind mit Sicherheit dafür die viel besseren Fans. Und solche Fans, die muss es ja auch irgendwo geben. Wer würde schon gerne mit Oli Kahn zusammen Fußball schauen, wenn „seine“ Mannschaft verliert…..
Mein Satz des Tages: „Nun ist hinlänglich bekannt, dass Fußball ausübende Menschen und Ironie so selten zusammen gesichtet werden wie im deutschen Fußball einstudierte Tricks bei Standardsituationen.“
Psychologensenf: in allen Bereichen (in denen das Erreichen eines gewissen Niveaus Opfer in Form von Zeit und Anstrengung erfordern) setzen sich schließlich diejenigen durch, die über die größte Leistungsmotivation verfügen (Befriedigung durch „etwas gut machen“ und die daraus resulktierende Anerkennung/Respekt; vs. zum Beispiel der Motivation lieb gehabt zu werden). Der Volksmund kennt diese Leute, ich kürze mal stark ab, unter dem Label Narzissten.
Wer mal versucht hat seinem Oberarzt klar zu machen, dass seine Diagnose nicht ganz zutreffend sein kann, wer sich über das teils lächerliche Gebahren von Berufspolitikern wundert oder eben angesichts von Arjen Robbens Egozentrismus in seinen Schal beißt, der kann sich letztendlich damit trösten, dass er es zwar nicht so weit gebracht hat, aber vielleicht dabei auch ein etwas umgänglicherer Typ (geblieben) ist.
Oh, vielen Dank, ich bin immer froh, wenn ich nicht der einzige bin, der hier Psychologensenf zum Thema dazu geben muss. Daher vielen Dank.
Tolle Beobachtung. Ich halte sie für wahr. Ein Gedanke von mir dazu: Ist es nicht gerade diese „Wesensstruktur“, welcher der seltenen Wesensstruktur des Enfant terrible, also derjenigen eines Netzers, Cantonas oder Balotellis, erst den besonderen Glanz verleiht, zur Exklusivität verhilft?
Die Gesinnung, nur Fußball dem Fußball willen zu spielen, aus Spaß am Spiel, ist doch am allermeisten den letztgenannten Spielern inhärent. Deswegen werden sie verehrt. Weil sie sich auch mal in der Kneipe sehen lassen, keinen vorgedichteten Einheitsbrei in die Mikrofone plappern und einfach nur Jungs sind, die gerne kicken.
Ich bin da ganz bei wawerka, seit ich gestern ein Interview mit Jens Keller gesehen hab, in dem er mit diesem melancholisch veträumten Blick beteuert hat, dass er auch beim Gesellschaftsspiel mit der Tochter immer unbedingt gewinnen müsse. Badass.
Wenn die Herren Profis also grundsätzlich tatsächlich immer gewinnen oder wenigstens nicht verlieren wollen, bringt mich das zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass wenn sie schlechter spielen, als sie eigentlich können, wohl gegen den Trainer spielen. Also jetzt nicht den Inhaber des Blogs hier. Ach, Ihr wisst schon, was ich meine. ;)
Genau dieser Schluss kam mir im Zuge dieser Beobachtung auch in den Sinn.
Wobei das Problem bleibt, dass in Anwesenheit von mit ständig wechselnder Spielstärke auftretender Gegner die Beantwortung der Frage, wie gut eine Mannschaft jetzt eigentlich spielen könnte, weiterhin unmöglich ist.
Wenn ich mal meine eigenen narzisstischen Anteile anschaue oder „befrage“, dann fallen mir auch andere Erklärungen ein. Beispiel: so ist es bei zunehmender Sicherheit der Niederlage sicher Selbstwert schützend irgendwann in den Modus „Ach wissta, das kann ja heut nix geben“ umzuschalten, nach dem Motto man kann ja potenziell besser, aber wenn Mitspieler X immer so nen Mist macht/wir nur 2 Tage Pause hatten/der Trainer mich immer auf der Außenbahn spielen lässt, dann kann das ja nix werden. Für den Narzissten ist es natürlich am schlimmsten, alles zu geben und zu verlieren (das würde ja bedeuten, man wäre evtl. nicht gut genug), dann doch lieber halbherzig spielen und die Schuld irgendwie externalisieren.
Will sagen: sicher wirken da noch mehr psychologische Mechanismen, als dass man sagen könnte, eine schlechte Leistung bedeutet man spiele gegen den Trainer.
Man kann ja gewinnen wollen, aber trotzdem schön zu spielen versuchen. Sofern man denn schön spielen kann.