Schon mal in einer Konstellation Fußball gespielt, die nicht zusammenpassen wollte? Der Nebenmann spielt nie ab, egal, wie sehr man freisteht? Und bei solcher Gelegenheit ein ungutes Gefühl mit nach Hause genommen? Damit ist man nicht allein und es ist auch weder Einbildung noch besondere Empfindlichkeit am Werke, wenn man dieses schäbige Gefühl der systematischen Ausgrenzung selbst bei etwas Profanem wie dem Fußball wahrnimmt und gar darunter leidet. Man kennt schließlich auch das Gefühl, wie gut eine Niederlage zu ertragen ist, wenn die Zusammenstellung der Spieler passt, man ausreichend ins Spiel eingebunden wird und weiß, dass auch dann das nächste Zuspiel folgen wird, wenn man zuletzt Murks gespielt hat.
Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Liebeskummer für ähnliche körperliche und geistige Zustände sorgt wie bei einem Drogenentzug. Die partnerschaftliche Liebe nach westlich geprägtem Muster ist also auch physisch eine Form der Abhängigkeit. Und es geht noch darüber hinaus: Schon von seinen sonstigen Mitmenschen geschnitten zu werden, führt zu Ausschüttung der selben Stresshormone wie beim Erleben von Liebeskummer nur in geringeren, nicht schlaflose Nächte bereitenden Dosen.
Doch für eine spürbare Missstimmung reicht es schon aus, wenn eine Gruppe von Menschen eines ihrer Mitglieder schneidet. Zum Beispiel, indem das Opfer bei Ballspielen einfach nicht mehr angespielt wird. Der Liebeskummer, Verzeihung, das Gefühl der Ausgrenzung, Zurückweisung manifestiert sich also auch schon bei solchen eigentlichen Nichtigkeiten.
Die Aktivität im für Schmerz und sozialen Stress zuständigen ACC beschäftigt auch Naomi Eisenberger und ihre Kollegen am Psychologischen Institut der Universität in Los Angeles. In ihren Studien lässt sie Probanden glauben, sie spielten ein Computer-Ballspiel mit anderen. Plötzlich spielen diese ihnen den Ball nicht mehr zu, die Studienteilnehmer werden ausgeschlossen. Schon in diesem Fall eher sanfter Ausgrenzung zeigten die Teilnehmer starke Aktivität im ACC und im rechten Frontallappen. Beide waren bisher vor allem dafür bekannt, bei körperlichen Schmerzen regulierend einzugreifen.
Auf den Fußball gemünzt bedeutet dies, dass man seinen Mitspielern nicht nur einen Gefallen tut, wenn man ihnen einen Pass zuspielt, weil sie dann den Ball erhalten. Bedeutet nicht nur die Möglichkeit, das eigene Spiel voran und zum Erfolg zu bringen. Es bedeutet auch, dass man dem Mitspieler signalisiert, dass er zur Gruppe gehört, dass er akzeptiert ist und damit auch, dass man ihn mag. Jedenfalls ausreichend mag, um ihn eben nicht zu schneiden.
Ein kleines bisschen Liebe also mit jedem Pass an den Mitspieler oder zumindest die Sicherung der Abwesenheit negativer Gefühle, körperlicher Schmerzen gar. Kein Wunder also, dass beim FC Barcelona im Team so gute Stimmung herrscht. Bei jenen Passfestivals, welche die Spieler in jeder Partie zelebrieren, versichert man sich ausreichend oft und häufig der gegenseitigen Zuneigung. Was sicher auch gegen das Auftreten von „Neid und Missgunst“ schützt.
Es ist offenbar nicht der Erfolg allein, der zusammmenschweißt, sondern auch der Weg, wie man dorthin gelangt. Und ebenso natürlich, dass der Egomane Zlatan Ibrahimovic in einem solchen Ensemble voller liebevoller Passgeber nicht funktionieren konnte.
Faszinierend auch, wie unmittelbar sozial wirksam die Ausübung von Teamsport auf seine Teilnehmer ist. Und womöglich auch der Grund, warum Teamsport so viel beliebter ist als Einzelsportarten. Nicht umsonst gilt die Einzelhaft als eine Steigerung der Bestrafungsform. Zum Eremiten eignen sich nur die allerwenigsten. Viel lieber erhält man doch immer wieder die Versicherung durch andere Menschen, dass man gemocht wird.
Und sei es nur durch die kleine Aufmerksamkeit eines Anspiels auf dem Fußballplatz.
Sehr schön…
Geradezu poetisch! :)
Finde den Text auch schön, auch wenn es für diese Erkenntnis wohl nicht unbedingt eine Studie braucht.
Man merkt ja schon beim Aufwärmen, dass man schon nervös wird, wenn z. B. zu viert der Ball hin- und hergepasst wird und er fünf mal in Folge nicht bei einem selbst landet…
Aber spätestens beim sechsten Mal stärkt der einfühlsame Passgeber intuitiv den Teamgeist, indem er einem den Ball dann doch mal wieder zuspielt.