Danke für alle Kommentare zu einem meiner letzten weniger frequentierten Beiträge: „Der eine, feine Pass“. Es freut mich natürlich, wenn ich damit erfreuen konnte, das ist ja quasi die basale Intention dieser ganzen Seite. Mir selbst muss ich keine Witze erzählen, da ich diese in aller Regel schon kenne. Ganz besonderer Dank geht in diesem Fall an den werten erz_, der die Kontextschmiede [Link zur Zeit nicht verfügbar] betreibt, ohne dass man aufgrund seines Nicks auf eine besondere Vorliebe für einen Klub aus Aue schließen sollte. Erz fügte dem Ganzen tatsächlich noch mal, wie es seine Art ist, etwas Lesenswertes hinzu, nämlich die interessante Frage, wodurch sich dieser eine, gelungene Pass von den anderen Situationen, die man so beim Spielen erlebt, unterscheide. Welche anderen Situationen er meint, schildert er in seinem Kommentar zum Beitrag.
Ich möchte einerseits nicht dem Inhalt meines eigenen oben genannten Beitrags widersprechen, dem werten Erz jedoch schon. Das allerdings nur in einer ganz bestimmten Vokabel. Denn man, wie er sich ausdrückt, berechnet nicht alle Vektoren der möglichen Bewegungen auf dem Platze. Dafür geht das Ganze für das menschliche Hirn zu schnell. Also dafür, in der Lage zu sein, die Geschehnisse und Verläufe explizit zu berechnen.
Was ich damit meine, kann sehr gut mit dem Bild veranschaulicht werden, dass ein Hund, von dem nicht anzunehmen ist, dass dessen Gehirn ganz grundsätzlich anders als das eines Menschen funktioniert, vor allem und das ist ja offensichtlich nicht jener Teil des Gehirns, welcher für Bewegung oder besser gesagt Bewegungskoordination im Zeit-Raum-Kontinuum zuständig ist, von welchem (dem Hund, nicht dem Kontinuum) dennoch anzunehmen ist, dass er nicht den blassesten Schimmer davon hat, was „rechnen“ überhaupt sein könnte (nicht zu verwechseln mit „zählen“). Trotzdem ist dieses irdische Wesen relativ problemlos dazu in der Lage, seinen Körper auf solche Weise in diesem Zeit-Raum-Kontinuum zur rechten Zeit an der rechten Stelle zu positionieren, dass der Hund beispielsweise eine Frisbee-Scheibe, aber auch einen sehr schnell geworfenen oder geschossenen Tennisball mit seinen ihn gegebenen Möglichkeiten aus der Luft, mitten im Flug zu fangen in der Lage ist.
Dass ihm das nicht immer gelingt, wie gut er auch geübt sei in dieser Aufgabe, lässt darauf schließen, dass schlechte Pässe, schlecht verarbeitete oder weitergeleitete Pässe weniger jenem Teil des Gehirns zuzurechnen sind, welchen wir gemeinhin dafür verantwortlich machen, dass wir als Menschen uns über Tiere und noch zu entdeckende andere Welten erheben zu dürfen meinen, als vielmehr: dass da ziemlich viel Kleinhirn beteiligt ist, welches wiederum einerseits jeder Mensch besitzt, andererseits aber, sonst gäbe es diese Unterschiede in der fußballerischen Qualität zwischen Menschen nicht, nicht bei jedem gleich gut ausgeprägt ist, in seiner Effektivität, die Lösung ballistischer Aufgaben einzuschätzen.
Denn, um es kurz zu sagen: Das Kleinhirn rechnet nicht, es schätzt. Da es schätzt, wozu eben auch eine pro Lebewesen unterschiedlich lange Lernzeit gehört, verschätzt es sich auch des Öfteren. Je nach Qualität des Spielers Kleinhirn des Hundes. Insofern darf man von einem schlechten Pass (oder auch: Torschuss) nicht auf grundsätzlich mangelnde Qualität eines Spielers schließen. Ein solcher Schluss wäre erst dann möglich, wenn man eine ausreichende Anzahl an Schuss-, Pass oder auch (für Torhüter) Fang-Situationen beobachtet hätte, welche den Gesetzen der Inferenz(?)-Statistik genüge tun würden.
Was wiederum die große Anzahl an Fehleinkäufen erklärt, welche sich nur in dem Anschauen eines Zusammenschnitts der „besten Szenen“ eines Spielers begründen. Die eigentlich relevante Information hierbei wäre ja: Wie viele Versuche hat jemand benötigt, um solch tollen Fallrückzieher, Dribbling oder auch Doppelpass hinzubekommen und noch viel wichtiger, wenn aber auch eigentlich die selbe Frage: Wie wahrscheinlich ist es, das er diese eine sehr gute Lösung der Situation zu wiederholen in der Lage wäre?
Man erinnert sich heute noch gerne und mit großer Erheiterung an die das ist jetzt Zufall, dass es diese ist Schalker Einkaufspolitik, irgendeinen Eddie Soundso aus Österreich tatsächlich für einigermaßen viel Geld zu verpflichten, weil jener Eddie (oder so) in jener Partie zwei oder vier gute Stürmerszenen gegen Schalke hatte. Ohne zu ahnen, wie er in seinen sonstigen Partien auftrat. Nicht weit davon entfernt ist übrigens auch jene Art, nach der der FC Bayern seine Spieler einkauft. Weil Uli Hoeneß, so traurig das ist, zwar ein Lehramtsstudium begann, dabei aber nicht weit gekommen zu sein scheint.
Ein immer mal wieder spielerisch schwächelnder Franck Ribery wäre einem Arséne Wenger sicher nicht ins Haus gekommen. Das vermeintlich „genialische Moment“, das manche Spieler manchmal zu haben scheinen, ist ja nur eine der eigenen schlechten Einkaufspolitik geschuldete Verbrämung der Tatsache, dass dieser Einkauf genau jene Aktion, die zu einem Tor führte, eben nicht ständig im einigermaßen zuverlässig abzurufenden Verhaltensrepertoire hat.
Danke, Trainer. Dass du nicht rechnen kannst, das hatte ich heimlich schon vermutet, aber auch ich nehme keine vollständige Kurvendiskussion vor, bevor ich eine Bananenflanke schlage. Dafür hat das menschliche Gehirn ja zum Glück Erfahrungswerte, die es in flinker Heuristik zur Geltung kommen lässt – in unglaublicher Präzision übrigens, wie Kybernetiker immer wieder frustriert feststellen müssen, wenn Sie die menschliche Fähigkeit des Schätzens nachbauen wollen.
Wenn ich nicht so faul wäre, hätte ich auch schon eine passende Antwort zu diesem Beitrag fertig. Im nächsten Beitrag zur Taktiktafel wollte ich nämlich genau auf den Zusammenhang von Leistung, Zufall und Erfolg eingehen, den du mit dem Beispiel der FCB-Einkaufspolitik ansprichst. Hab die Animation halb fertig, mal sehen, ob ichs zum Wochenende schaffe.
Eine weitere menschliche Eigenschaft der Psychologie (wenn wir schon so weit ausholen) begünstigt übrigens die Überbewertung seltener, spektakulärer Ereignisse. Deswegen hält sich das Gerücht bis heute, Philipp Lahm sei auf der linken Seite ein offensivstarker Spieler. Leute, der hat dort EIN Zaubertor geschossen. Ansonsten in seiner gesamten Karriere, inklusive Regionalliga, wo er noch im Mittelfeld gespielt hat, 11. Torvorlagen in 186 Bundesligaspielen: 19. Davon in dieser Saison, wo doch auf der rechten Seite seine Offensivstärke angeblich völlig verschenkt wird: 5. (laut Fußballdaten.de)
Ein guter Pass kann auch berechnet werden, ist in der Regel aber längst nicht so spektakulär und befriedigend wie jener, der als Ergebnis bei der Kleinhirn-Schätzung entsteht.
Meine Erfahrungen mit solchen Pässen, die der reinen Intuition entspringen, beschränken sich zwar auf eine andere, weil mit den Händen gespielte Sportart (Basketball), sind mir aber nicht minder präsent in der Erinnerung. Intuition in Reinform waren (alles andere als die Vergangenheitsform wäre beim Bericht meiner sportlichen Erfahrungen Schönfärberei) die No-Look-Pässe. In solchen Momenten konnte man das Spiel „erfühlen“, wusste – ohne nachzudenken – wo der Gegner steht, wohin der Mitspieler läuft…man handelte einfach, ohne konkreten Plan und ohne auf die Nerven des tobenden Trainers an der Seitenlinie Rücksicht zu nehmen, nur durch ein unbestimmtes Gefühl motiviert. In gewisser Weise war man für Millisekunden fremdbestimmt, willenloser Befehlsempfänger der spielerischen Instinkte.
Im Fußball sieht man No-Look-Pässe selten. Wahrscheinlich sind die Passwege dafür einfach zu lang. Ronaldinho wird ja gerne für diese Fähigkeit gerühmt, aber ich habe bei der kurzen YouTube-Recherche kein einziges Beispiel für einen dieser „gefühlten“ Pässe gefunden. Nur albernes Geprotze wie das hier:
http://www.youtube.com/watch?v=RulvevIFIpk&feature=related
Erst schauen, wo der Passempfänger steht, dann ausholen und kurz bevor der Fuß den Ball berührt, schnell weggucken; das ist Berechnung und blödes Gehabe!
@Hennes
Ich bin der festen Überzeugung, daß gerade im Basketball die no-look Pässe einem intensivem Training der Laufwege in bestimmten Situationen geschuldet ist.
Automatismen nennt man das glaube ich, Dinge, die im Fußball zwar angesprochen, aber meiner Meinung nach eher belächelt werden.
Bewußt „berechnen“ tut man ja sowieso das wenigste, was man so an Motorik im Leben betreibt. Ein Liedchen trällern können davon – erz ging ja oben auch in die Richtung – die Leute, die sich dem Roboterfußball verschrieben haben. Da muß man dann nämlich für die kleinste simpelste Bewegung alle Parameter gewissenhaft ausrechnen (Gerüchte darüber, daß Christoph Metzelder das auch muß, sind nicht bestätigt).
Kluges Paßspiel hat in der Tat viel mit Automatismen zu tun – „Genialität“ kann man durchaus lernen. Ich nehme doch jedenfalls mal an, daß ein Xavi, Iniesta, Silva oder Fabregas nicht irgendwelche speziell spanischen Gene mit sich rumschleppen, die sie zu Fußballeinsteins machen, sondern daß das eher der intelligenten Trainingsarbeit zuzuschreiben ist, die dort betrieben wird (was im Umkehrschluß heißt, daß auch Deutsche so spielen könnten, wenn.).
Im Vergleich zum Basketball ist Fußball aber imho mehr „Glücksspiel“: einmal wegen der erwähnten größeren Abstände und der dadurch höheren Streubreite bzw. Fehlpaßwahrscheinlichkeit, dann wegen der schwereren Kontrollierbarkeit (Fuß mit Schuh dran vs. Hand) und nicht zuletzt wegen der wenigen Tore: die eine brilliante Aktion hat bei einem Spiel mit 2:1-Standardausgang ein viel höheres Gewicht als bei einem mit 90:85-Standardausgang. Was auch heißt: mittelmäßige Leute können sich viel eher profilieren und auf Best-Of-Zusammenschnitten landen (und damit im Bayern-Kader. Wobei ich Ribery gar nicht seine eigentliche Qualität absprechen möchte, sondern seinen Egoismus nicht mag, der gestern auch wieder schön zu sehen war: statt abzugeben, nachdem er einen ausgespielt hat, will er den nächsten auch noch vernaschen und weg ist der Ball).
Schade, dass hier schon wieder alle nur von dem Fußball schreiben, den man so im Fernsehen (respektive Stadion) sieht.
Es ging doch eigentlich um das Gefühl beim eigenfüßigen Spielen, oder?
Das ist doch für die dargelegte Dings eher nebensächlich. Oder nicht?
Also insofern jedenfalls, als die betrachtenden Zuschauer auch selbst Fußball spielen. Davon gehe ich jetzt mal aus.
@Christoph… das hat was damit zu tun, daß man gerne Beispiele zur Untermalung seiner Äußerungen bringen möchte, und daß diese Beispiele eher dann sinnvoll sind, wenn auch jeder was damit anfangen kann. Xavi und Ribery dürften den meisten Lesern hier bekannt sein. Wenn ich sage, daß ich das uneigennützige Paßspiel von Klaus-Dieter aus meiner Mannschaft besser finde als das übertriebene Gedribbel von Hans-Peter aus der Tabellennachbarmannschaft, dann wirft das dagegen wohl mehr Fragen auf, als es beantwortet.
Ich würde lieber mit Klaus-Dieter spielen, als mit Hans-Peter.
Eben.