Manchmal wohnt auch meinem Weggehen ein Zauber inne. Das ist dann, wenn in der Nähe dessen, wo ich schlafe, ein Wanderzirkus zu Hause ist. Natürlich ist das hier, wo ich quasi in der Innenstadt einer Halbmillionenstadt lebe, eher selten der Fall. Aber auch ich habe ein vorstädtisch geprägtes Zuhause, bei meinen Eltern, damals noch Mittelklasse (der Gesellschaft), wie es ein Golf II vorgab zu sein. Oder vielleicht ein Renault 19. Anderenfalls hätte es wahrscheinlich ohnehin nie bis zum Internet gereicht, oder wenn, dann nicht bis zum Schreiben im Internet (mit Orthographie), sondern nur zum proffessionellen („ein Proffi durch und durch“) Minesweeper-Spieler, der später dann aufgrund seiner Tätigkeit und der Preisgelder, die hier nein, dort aber ja ausgezahlt werden, nach Südkorea hätte auswandern müssen. Natürlich war das alles nie wirklich ernst gemeint, kein Mensch erwartet von seinem Leben, profihafter Minesweeper-Spieler zu werden.
Das konnte ich damals, als mir zum ersten Mal eine Email-Adresse von einer Uni zugeteilt wurde, aber noch nicht ahnen.
Die Zirkusse standen dann oft neben unserem eigentlichen Spielfeld. Es war schön anzusehen, das Zirkuszelt, zumindest, sofern man farbenblind war. Rot-Blau, sind Zirkuszelte für gemeinhin (und nein, das erste Komma ist nicht falsch). Rot-Blau sind sie, während ihre Kassenhäuschen (und auch die ohne u) immer kleiner werden. Irgendwann sind sie so klein, dass sie nur noch neben Fußballplätzen gastieren, auch wenn sie in einer großen Stadt Gast-Haltestelle machen.
Und wenn sie dann dort rumstehen, stinkt alles im Umkreis einer direkten Atombombeneinwirkungsgrafik nach Eselspisse und nach Zirkusponys. Manchmal duftet es auch nach Scheiße. Das ist dann, obwohl der eigene Verein fast pleite ist und dank der neuen Anstoßzeiten nicht mal mehr wöchentlich eine Putzfrau bezahlen kann, aber nicht den mangelnden Aufräum- und Abzieharbeiten im naheliegenden Verein geschuldet, sondern dem Zirkus und seinen Ponys.
Wenn es dann so nach Ponyscheiße duftet und der Duft durch alle Ritzen wabert, damit auch die entlegenst gelegenen Kinderchen den Duft des Zirkus wahrnehmen und dort hinströmen wollen, woraufhin sie ihre Eltern terrorisieren, dass sie unbedingt dort hinwollen, dann duftet es immer auch ein bisschen nach Versagen. Man wurde kein großer Zirkus. Nicht fürs Fernsehen. Nicht fürs Radio. Nicht mal die örtliche Presse berichtet freiwillig, wenn man in der eigenen Vorstadt auftaucht, ja, man muss, obwohl doch ein Zirkus, geradezu darum betteln und schon Tage vorher Boten in die Stadt des nächsten Auftritts schicken, auf dass man dort in Bäckereien und Friseurinnenstuben ein Plakat aufhängen dürfe, dass jemand käme. Man hat es nicht weit gebracht. Man wollte immer ganz groß werden, aber dann sitzt man wieder da und in jedem Vorort sind es wieder nur die Kinder und niemals Thomas Gottschalk oder Frank Elstner, die im Publikum sitzen.
Und wenn es dann wieder nach Ponyscheiße riecht, in der Vorstadt, dann denk ich immer an Schalke 04.
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