Zur Frage, wie es einem schwulen Fußballer nach einem Outing ergehen würde, muss man gar nicht erst potenzielle Reaktionen „der Gesellschaft“ mit Stadionzuschauern, Medien und sonstig Interessierten betrachten. Es reicht, den Blick auf den Platz zu richten. Oder besser: die Ohren.
Wie war das auf dem Fußballplatz in der Oberliga? Gab es da Sprüche, Provokationen, die auf Ihre Erkrankung abzielten?
Und ob. Da waren Dinger dabei, die gingen unter die Gürtellinie, die möchte ich nicht wiederholen. Ein paar Sprüche sind normal, aber da waren Sätze dabei, die gehören da nicht hin. Aber diesen Leuten ist nicht zu helfen. Und ich bin klargekommen.
Mike Wunderlich hatte „lediglich“ einen Burnout, was wohl immer nur ein verharmlosender Ausdruck für eine Depression ist, er hatte kein Coming-Out als Homosexueller. Aus diesem Angriffspunkt, dem Burnout, versuchen die Gegner also sofort, Kapital zu schlagen. Scheint, als sei Jermaine Jones‘ Auffassung von Kollegialität recht weit verbreitet.
Allerdings geschah dies in der Oberliga bei Viktoria Köln. Gut möglich, dass sich Spieler in der Bundesliga mit so etwas zurücknähmen, da sie wissen, dass sie unter größerer Beobachtung und Belauschung stehen, und die Konsequenzen schneller kämen als in einer kaum beachteten Oberliga. Aber das ist erstens Spekulation und zweitens nützte es dem schwulen Oberligaspieler auch nichts. Dem Depressiven genauso wenig.
An dieser Stelle hätte man übrigens nichts Anderes erwartet als genau dieses Verhalten. Das hat nichts mit Schlaumeierei hinterher zu tun, sondern mit den Erfahrungen auf Fußballplätzen. Und in den Kabinen.
Mimimi-Vorwürfe gerne in die Kommentare.
Kein Mimimi. Nur der Hinweis, dass aus Wunderlichs Antwort nicht zwingend hervorgeht, dass die Dinger unter der Gürtellinie von Spielern kamen. Wobei auch meine Erfahrung auf Fußballplätzen und in Kabinen derlei nahelegt.
Das deckt sich dann wohl mit meiner Hypothese anlässlich der Aktion Libero (http://stadioncheck.de/2011/11/16/aktion-libero/ ). Ein bekannter Bundesligaprofi würde imho durch ein Outing absolut profitieren. Sowohl seine persönliche Freiheit als auch sein Sportlerleben betreffend. Denn selbst die Bild würde sich wohl keine „Homo-Hetze“ nachsagen lassen wollen und positiv reagieren. Öffentlichkeit ist immer auch ein Schutz gegen menschliche Abgründe. Für einen frisch geouteten Spieler ab Regionalliga abwärts würde es daher meiner Ansicht nach ungemütlich werden. Auf dem Feld und auch abseits davon.
„Aus diesem Angriffspunkt, dem Burnout, versuchen die Gegner also sofort, Kapital zu schlagen“: So sieht´s aus! Gewinnen, verlieren, o.R.a.V., Treppchen 1,2,3 oder raus die Maus aus dem Gedächtnis. Eskapaden sind etwas für die, die sich die leisten können; diese ominöse Gesamtgesellschaft hinkt so achtzig bis neunzig Jahre hinterher. Oberliga ist da auch ein Euphemismus. Tja. Ich pflichte Jens in allem bei.
Naja, es gibt ja auch immer noch Sprüche a la „Fußball ist kein Mädchensport“ zu hören. Da sollte man keine Toleranz beim Thema Burnout oder Homosexualität erwarten.