Nicht allen bekannt bislang, der eine oder andere mag es auch vergessen haben: Im Sommer fährt man in Urlaub. So wie es im Winter auch schon mal selbst im der Nordsee nahen Rheinland -12°C warm werden kann; dann und wann sogar mal -25°C warm so herrschen im Sommer dementsprechend auch schon mal kalte 35°C. An einigen Tagen gar 38°C. Im Schatten. Fußball aber spielt man in der Sonne, nicht im Schatten. In Letzterem ziehen die Funktionäre die Fäden, das Spiel selbst findet im gleißenden Licht statt.
Erst krakeelen alle, dass man unmöglich im Sommer in Katar spielen könne, und dann wollen all diese auf einmal selbst hier im Hochsommer im Stadion nach dem dritten Bier mit Hitzeschlag kollabieren. Nun gut, „wir“ haben in Deutschland „die modernsten Stadien der Welt“ inklusive Sonnenschirmbedachung für 80% der Zuschauer. Dass diese Dächer Schnee nicht aushalten, darf nicht zur irrigen Annahme führen, dass Sonne nicht ausgehalten werden könnte. Allerdings: Vom Dach. Von den Zuschauern eher nicht.
Sofern natürlich sie überhaupt anwesend sind, denn sie sind ja im Urlaub. Und die Familie mit x Kindern muss erst noch erzeugt werden (10 solidarische Cent für den Selbigen), bei der sich nicht wenigstens ⅓ von x gar nicht für Fußball interessiert und deshalb kein Verständnis dafür aufbringen könnte, von nun an stets nur im Winter in Urlaub zu fahren und Impressionen aus Sommerurlauben nur noch von den Postkartenansichten der Familien mit fußballfernen Vätern zu kennen.
„Gut“, kann man einwenden, „gut“, und meint damit: Mitten in der Saison wird ja nichts entschieden, da kann man gerne mal auf 2-3 Partien verzichten. Zudem das Internet Streams sind überall, sofern Internet auch da ist. Und mancher wird sich auch sagen, dass es gut tut, das Elend mal eine Zeitlang nicht ertragen zu müssen, von 18 Vereinen führt schließlich stets nur einer die Tabelle an.
Dann aber, wenn es soweit ist, und es kein Zurück mehr gibt, wird den Krakeelern erst gewahr werden, was es bedeutet, 2-3 Wochen nicht nur dieser einen Ausnahme-Saison, sondern von nun an alle Saisons nicht mehr live erleben zu können: Es gibt keine Serien von 40 Jahren ununterbrochenem Heimspielbesuch mehr, es gibt nicht mehr die Möglichkeit, bei der einen einzigen Meistersaison innerhalb von 40 Jahren jedes Heimspiel gesehen zu haben. Niemand wird mehr in der ganzen Saison dabei gewesen sein, sofern er nicht schwere Verluste im privaten Bereich hinnehmen möchte. Ob nun den der gesamten Ehe und Kegel oder auch nur den, Kinder erwachsen werden zu lassen, die Schnee für erholsam halten, Sand hingegen für so selten wie Schnee in der Elfenbeinküste. Was beides natürlich nicht stimmt.
Am wichtigsten allerdings ist es, jene Tatsache zu erwähnen, die keiner ausspricht, weil sie jeder für sich selbst natürlich weit von sich weist: Ein WM- oder EM-Turnier alle zwei Jahre zu verfolgen kann man einrichten, weil man langfristig planen kann, weil sich im Büro plötzlich alle für Fußball interessieren. Weil man sogar unter der Woche schon einen Fernseher auf der Arbeit aufstellen darf oder in den vorangegangenen Wochen ein bisschen vorgearbeitet hat. Bei einem bzw. ganz vielen regulären Bundesliga-Wochenenden aber wird kein Hahn, kein Chef, keine Tippspiel-Gewinner-Sekretärin und erst recht kein innerer Schweinehund, der eigentlich jetzt wenigstens dieses eine Wochenende lieber komplett im Freibad oder im Ferienhäuschen, an der Nordsee oder am Baggersee verbracht hätte, danach krähen, dass nun mal jetzt schon wieder Bundesliga ist so wie von da an an jedem Wochenende.
Ermüdet wird man sich nach dem einen Kaltgetränk das nächste wünschen, aber man wird dann doch nicht mehr ins Stadion aufbrechen. Vom See kommt man auch nicht rechtzeitig zur Sportschau (guckt die eigentlich überhaupt noch jemand?) heimkommen, weil es auf dem Parkplatz des Baggersees Stau gab und die Zeit, die nicht zuletzt durch die Hitze und die viele freie Haut auch zu anderen Beschäftigungen als Fußball gucken animiert, wird dann doch nicht damit genutzt werden können, was ein jeder braucht, der sich die Spannung und Vorfreude zu erhalten wünscht: Eine Pause.
Stattdessen sitzt man im Winter am Wochenende vor dem Kamin, schaut aus dem trüb gewordenen Fenster auf die neblig-verschneite Landschaft und gähnt. Gähnt noch einmal. Sehr lange, ein Gähnen von Ende November bis Anfang März, eine Zeit, in der man sich früher auf Spieltage freute, Ergebnisse und Aufstellungen studierte, die Livespiele genoss und immer noch auf Punkte hoffte. „Anna Karenina“ ist auch in der neu übersetzten Version irgendwann ausgelesen und man legt noch ein Hölzchen in den Kamin nach.
Nach einer Weile ein weiteres.
Es ist das einzige, was in der ganzen dunklen Zeit knistert.
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