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Bekennerbrief

Hiermit bekenne ich mich, während der EM in Polen und der Ukraine ein formidables Zweitteam mein eigen zu nennen.

Bekanntlich wird die Welt, die Momente zuvor noch bunt und lebensfroh jeden Anflug von Trübsal hinwegblies, von einem Moment auf den anderen äußerst grau und trist, wenn die eigene Mannschaft aus einem großen Fußballturnier ausscheidet. Zuletzt sehr plastisch, mit ad hoc flüchtenden Zuschauern erlebt bei der WM 2011, aber auch schon zu vielen weiteren Gelegenheiten des großen Fußballsports.

Wenn dem Zuseher plötzlich gleichgültig ist, wer sonst noch gewinnt, muss man ganz schnell auf ein Zweitteam umschwenken, sonst ist das ganze Turnier verloren. Und das nächste ist schließlich immer zwei Sommer entfernt. Glücklich ist, wer da schon vor dem Turnier seine Co-Sympathien verteilt hat.

War es bei der WM 2010 hier im Blog Uruguay, das die Rolle übernahm, die sonst eigentlich immer Belgien spielen soll, welches sich aber partout nicht mehr für große Turniere qualifizieren will, wird es diesmal wieder Irland sein.

Eine Flasche leer als Trainer, alle Spieler — mit Ausnahme von Robbie Kean (LA Galaxy) und Aiden McGeady (Spartak Moskau) — stammen aus der Premier League, mit einem Viertel irischer Vorfahren in sich. Dazu die zumindest als Legende noch existente Trinkfestigkeit: In Irland galt man geraume Zeit vor dem Gesetz so lange als nicht betrunken, wie man noch stehen konnte. Sowie die herrlich grünen Trikots und der unbändige Kampfeswillen. Was würde man da mehr wollen, um mit einem Team zu sympathisieren?

Nun, man würde vielleicht guten Fußball sehen wollen, eine Angelegenheit, mit der Mannschaften aus Irland selten dienen können. Aber am Ende, die alte Litanei, zählt der Erfolg, und der macht selbst den irischen Fußball sexy, wenn er im Stade de France nur durch ein Handtor oder bei einer WM nur im Elfmeterschießen bezwungen werden kann, nachdem er zuvor bereits mehrere Mittelgroße ausgeschaltet hat.

Und Mittelgroße gibt es satt und genug bei dieser EM, dazu zählen nämlich alle außer Deutschland und Spanien. Kleine gibt’s bekanntlich eh nicht mehr, die Gastgeber haben immer einen Bonus (es sei denn, sie heißen im Jahr 2000 Belgien) und so steuern wir also auf eine EM zu, bei der es zwei große Favoriten gibt — und keinen einzigen echten Underdog.

Weshalb in jeder Gruppe alles möglich ist. Klingt trivial, ist aber in vielen Gruppenkonstellationen der Historie nicht der Fall gewesen.

„Alles möglich“ bedeutet bekanntlich wiederum, dass auch die Favoriten früh ausscheiden können, weshalb es klug ist, beizeiten für ein Zweitteam gesorgt zu haben. Mein Bekenntnis steht also fest.

30 Kommentare

  1. Ach, wenn die Belgier sich doch mal qualifizieren würden. Das beste Team, das nie dabei ist.
    Die Iren haben ja noch Sympathien über vom Ausscheiden gegen Frankreich 2010 in der Quali. Mein Zweitteam, so es denn eins gibt, wird trotzdem Gastgeber Polen sein. Allein schon auf Grund der Familienwurzeln.
    Ah und in vier Jahren kannst du dir auch wieder die ganz kleinen rauspicken, wenn in Frankreich dann unter den 24 Teams so Kracher wie Albanien und Wales dabei sind. ;)

  2. Neben Deutschland drücke ich Irland natürlich auch die Daumen. Schon weil es nichts Schöneres gibt als mit meinen irischen Mannschaftskameraden aus dem Kreisliga-Team im Irish Pub Fußball zu gucken.

    Aber irgendwie hat sich auf den 2.Platz meiner Sympathiskala Polen geschoben. Wieso? Weshalb? Warum? Keine Ahnung. Ich bin zum Glück kein Dortmund Fan und nur wegen Artur Sobiech kann es nicht sein. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich den Polen eine gelungene EM gönne. So wie 2010 Südafrika. Schön bis ins Halbfinale ziehen, an Spanien scheitern und deshalb haben Klose, Podolski und Co. im Finale die Sympathien auf ihrer Seite. Obwohl: das ist ja in Kiew. Vielleicht sollte ich doch der Ukraine die Daumen drücken…

  3. FelixK FelixK

    Naja, Holland würde ich schon auch noch zu den Favoriten zählen.

    Was meine Underdog-Sympathien betrifft, so entscheide ich wohl dieses Mal erst während des Turniers.

  4. Julia Julia

    Ich würde ja gerne zu Schweden halten, aber ich befürchte, dass deren Erfolg auch übersichtlich bleiben wird :-) Vielleicht erlangt jemand ganz spontan meine Sympathie.

  5. Rufer Rufer

    Bei mir ist es nicht mal Bande in der Verwandtschaft oder sonstwas. Einfach die geograhische Nähe, dass ich eigentlich ansonsten den Dänen am meisten die Daumen drücke. Wobei ich zugeben muss, dass ich nicht besonders auf dem Laufende bin, was deren Stärken und Schwächen angeht. Aber drei Tage hab ich ja noch für den Konsum eines Sonderhefts. Beim direkten Aufeinandertreffen bin ich natürlich für Deutschland. Könnte aber auch verstehen, dass man es anders handhabt. Ein zweiter EM-Titel für Dänemark hätte allerdings was, eher als ein zweiter für Griechenland.

  6. Die Iren mag ich auch. Neben allen genannten Vorzügen haben die bei mir immer noch einen Mitleidsbonus, aktuell im 24. Jahr: wer als (damals noch) kompletter Underdog bei einer EM (1988) gegen den späteren Europameister (Niederlande) kurz vor Schluss durch ein derartiges Eierbällchen ausscheidet (Wim Kieft und die kopfballerische Quadratur des Kreises), der hats auch verdient, bei einer anderem EM endlich mal groß rauszukommen. Hoffentlich in diesem Jahr! Gibts eigentlich noch Sir Irish Moos?

  7. Manfred Manfred

    Ich bin wie immer für Dänemark, weil Däne mag ich und Dänen gönne ich’s.

  8. Du meinst das hier? Oha: die zuerst gezeigte Torchance Irlands ist ja beinahe noch dramatischer … als das eigentliche Tor.

  9. netzberg netzberg

    Die Zweite spielt immer mit: Kommt ja sogar ins Endspiel, wenn der notnotwendige Heimverband es mal wieder vorzeitig vermasselt hat. Also, für mich: die nicht nur auf dem Platz mit sich ringenden Schotten – weil die aber gar nicht mitspielen, ätsch: England. Die sollten mal wieder die Wellen rocken. Finde & hoffe ich.

  10. Trainer, genau das meinte ich. Sieht man bei diesem Link allerdings nicht besonders gut. Ich weiß noch, wie ich vorm Fernseher saß und nicht glauben konnte, welch lustige Kurve der Ball in dem Moment machte. Ist jetzt nicht riesig spektakulär, aber damals war ich so verblüfft, dass es mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist :-) Ich habs nochmal gesucht, in diesem Link ist es besser zu sehen:
    http://www.youtube.com/watch?v=0O-7KVFDtQQ&feature=related (ab 0:57)

  11. Ab 2016 dürfte dann auch für Belgien die Quali kein Problem sein. Da dürfte sich fast jedes Land qualifizieren, dass einen Ball weiter als 5 Meter schießen kann…

  12. Mahqz Mahqz

    Ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster und vernichte diese Vorhersage auch gleich wieder dadurch, dass ich sie ausspreche: Ich glaube Schweden kann was reißen und wird locker vor den Engländern in ihrer Gruppe einlaufen. Dummerweise ist Spanien in der Parallelgruppe was dann das Viertelfinale schwierig machen könnte…
    Ach erwähnte ich schon, dass Schweden mein Zweitteam ist?

  13. Gunnar Gunnar

    Mein Zweitteam ist Deutschland.
    Mein Erstteam ist natürlich mein Verein, danach kommt lange nix und dann vielleicht die Nationalmannschaft. Tue mich immer noch teilweise schwer, über Tore von Typen zu jubeln, die ich in der Bundesliga nicht ausstehen kann.

  14. Tom Tom

    Griechenland! In keinem Team sprangen in den letzten Jahren mehr Eintracht-Spieler herum. Auch wenn die Zeit leider vorbei zu sein scheint, sind mit Phlegmatiker Liberopoulos (vor drei Jahren schon zu langsam) und den nicht immer zurechnungsfähigen Gekas und Tzavellas immer noch lustige Typen in der Mannschaft, die ich in bester Erinnerung hab. Hinzu kommt natürlich die große Tragödie bei den Griechen daheim, die eine für sie achtbare EM noch wünschenswerter macht.

  15. …wenn die eigene Mannschaft aus einem großen Fußballturnier ausscheidet […] muss man ganz schnell auf ein Zweitteam umschwenken, sonst ist das ganze Turnier verloren. […] Glücklich ist, wer da schon vor dem Turnier seine Co-Sympathien verteilt hat.

    Da wage ich ja mal zu widersprechen. Scheidet das Zweitteam ebenfalls aus, ist das Unglück vielleicht nicht doppelt, aber möglicherweise anderthalbfach. Da kommt man mit sukzessiver Sympathieverteilung weiter. In der Regel bis ins Finale.

    [Theoretisch gesprochen. Faktisch sind sie auch bei mir weitestgehend verteilt.]

  16. Prinzipiell hast Du Recht.

    Bei Deinem Vorschlag lese ich allerdings immer „Erfolgsfan“, obwohl Du andere Worte benutzt hast.

  17. Drum schrob ich ja auch, dass es sich um eine theoretische Betrachtung handle.

    [Möglicherweise lässt sich Erfolgsfan aber auch durch Liebhaber des schönen Spiels oder Würdiger taktischer Brillanz ersetzen.]

  18. schlupp schlupp

    Ich finde schon ein Erstteam auszusuchen, schwer! Bayern mag ich nicht, egal ob die rote oder weisse Trikots tragen.

  19. Hm, ja, verstehe, das ist natürlich schwierig.

    Worunter fällt Manuel Neuer?

  20. schlupp schlupp

    Ich glaube, der spielt bei Bayern!

  21. Wie immer entwickelt sich meine Zweitmannschaft während des Turniers. Aber heiße Kandidaten sind Irland (weil die irgendwie jeder mag, außerdem bin ich mit einem Menschen namens Patrick gut befreundet), Ukraine (da war ich mal und fand Lemberg wirklich sehr schön), Schweden (sympathisch) und Griechenland (Mitleid).

  22. Ich tendiere diesmal zu Russland, die haben ein interessantes Team. Schweden ist auch recht sympathisch.

  23. ISDT ISDT

    Ich versuche es ja immer wieder abzustellen, aber es geht nicht: Vor jedem großen Turnier überlege ich, wer denn nun wirklich die Erst- oder Zweitmannschaft ist. Laut meinem Kleiderschrank ist der Drops eigentlich schon gelutscht: Meiner einsamen 54er Helmut Rahn Baumwolle liegen 5 Trikots der Three Lions gegenüber ;)

    Das in mir zudem noch niederländisches Blut schlummert, verdränge ich vor solch Turnieren immer. Dafür macht die Rivalität hier in der Grenzregion zu viel Spaß.

  24. Dominik Dominik

    Dieses Irland-Gutgefinde vielerorts finde ich immer ein bißchen anbiedernd. Das ist irgendwie wie St. Pauli cool zu finden. (Wobei St Pauli-Bashing ja auch immer populärer wird.) So wie 2006, als die Leute für Togo oder so waren.
    Mich interessieren schon am meisten Deutschland und England, die also Erst- und Zweitteam wären, aber meine Stimmung ist vom Ausscheiden oder Weiterkommen der Teams irgendwie unabhägig. Dafür bin ich wohl zu wenig Nationalmannschafts-“Fan“. Hauptsache es wird schöner Sport geboten und niemand verletzt sich…

  25. Ganz schwierige Sache. Die Trikot-sieht-gut-aus- und unglücklich-ausgeschieden-Argumente für Irland kann ich nachvollziehen.

    Ich habe mir jetzt einfach die Ukraine ausgesucht. Da war ich letztes Jahr im Urlaub und es war sehr schön. (Von daher könnte ich auch Polen nehmen, ich bin sogar durch einen dummen Zufall auf die Baustelle des Warschauer Stadions gekommen…) Die Ukraine hat sage und schreibe 4-mal in der Relegation für eine EM oder WM den kürzeren gezogen, war also schon oft „fast dabei“. So wie Irland haben sie es als WM-Neuling ins Viertelfinale geschafft.

    Und wenn man in einer Gruppe mit Schweden, Frankreich und England startet, kann man durchaus Europameister werden (auch wenn die Ukraine 2012 sicher nicht Dänemark 1992 ist).

  26. Ich bekenne mich zu Irland und Dänemark als bundesdeutsches Backup.

  27. Das war dann ein sehr kurzes Gastspiel des Zweitteams. An Wunder glaube ich leider nicht, auch angesichts der gesehenen Spielstärke der beiden anderen Mannschaften in dieser Gruppe.

    Bitter allerdings, dass Irland ausgerechnet das für sie wichtigste Spiel in ihrer Gruppe dazu nutzt, genau so viele Tore zu kassieren wie in den gesamten 15 Monaten davor (so man Gottlob glauben darf).

  28. Manfred Manfred

    Aber nen auf seine Art schönen Text haben sie abbekommen, die Iren:
    http://www.zeit.de/sport/2012-06/irland-kroatien-em-pate

    Stimmt übrigens fast, wenn man Weltfussball.de trauen darf: am 29.3.2011 daheim gegen Uruguay mit 2:3 verloren und ab dann in 15 Spielen 4 Gegentore. Bis die Kroaten teils echt bilice Tore schossen ;)

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