Würden Sie zu einem Arzt gehen, der nicht weiß, dass es unterschiedliche Blutgruppen gibt? Mit einer kleinen Prellung vielleicht oder einem Husten. Aber bei weiteren Angelegenheiten würden Sie sich doch lieber jemandem anvertrauen, der etwas mehr von seinem Handwerk versteht, nicht wahr?
Bei den Statistiken rund um Fußball gibt es auch solche und solche, bzw. leider im Fußball dann doch hauptsächlich solche. Der Unterschied zwischen rein beschreibender und schließender Statistik wird jedenfalls im Fußball gerne einfach mal unter den Tisch fallen gelassen und so getan, als seien die Informationen aus der Vergangenheit irgendein Fingerzeig für die Zukunft. Das aber wäre nur möglich, wenn die relevanten Bedingungen identisch wären, so wie ein Würfel seine Eigenschaften zwischen den einzelnen Würfen nicht verändert und jede Zahl weiterhin mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftreten lässt.
Im Fußball gibt es aber selbst dann nie identische Verhältnisse bei zwei verschiedenen Partien, wenn man Beschaffenheit des Rasens, Lichtverhältnisse im Stadion, Mannschaftsaufstellung, Zielsetzung, Taktik und Strategie einer Partie, Ziel und Motivation des Gegners und alle weiteren Komponenten, die sich ständig ändern, außer Acht ließe. Denn selbst wenn man zwei Mal die personell gleichen Teams im gleichen Stadion bei gleichem Wetter mit gleicher Motivation antreten ließe, käme ein Faktor hinzu, der für Würfel in keinem relevanten Maße gilt: Die Spieler sind physisch älter geworden.
Das lässt man gerne mal unter den Tisch fallen, wenn man diesen Nonsens an Informationen aus der Vergangenheit zu einer Voraussagemöglichkeit für die Zukunft hochjazzt, welche er schlicht nicht besitzt. Aber dann wäre es eben ein bisschen langweiliger zu lesen und man hätte nicht so viel Aufmerksamkeit für seine hübsch aufbereiteten, aber rein beschreibenden Informationen zur Vergangenheit.
Anlass dieser kleinen Ausführung ist einer dieser Fußball-Statistikanbieter, der in seinen Tweets glaubt, dass jene Ergebnisse, welche völlig andere Spieler gegen völlig andere Gegner zu völlig anderen Zeitpunkten und Verhältnissen irgendwann einmal erreicht haben, eine Aussagekraft dafür besäßen, wie die Chancen des VfB Stuttgart aktuell stehen, nach einer 1:2-Niederlage im Europapokal weiterzukommen. Nämlich, so glaubt man, bei 33%, weil es den Stuttgartern bislang in 2 von 6 Fällen gelang, in solch einer Konstellation noch weiterzukommen.
Tatsächlich liegt die Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 100% und kein Mensch weiß, wo sie auch nach seriöser Betrachtung zur Zeit liegt, da das kommende Rückspiel auch nicht irgendetwas mit den vorherigen 6 Situationen zu tun hat, in denen der VfB nach einem 1:2 im Rückspiel noch weiterkam. Außer diesen beiden marginalen Umständen: Europapokal, erstes Spiel 1:2 verloren.
Anders formuliert: Weil ein grünes Auto in 6 Rennen mit unterschiedlichen Fahrern auf unterschiedlichen Strecken in den letzten 30 Jahren 2 mal das Rennen gewinnen konnte, glaubt man dort, dass das nächste Rennen eines grünen Autos mit einem ganz anderen Fahrer, Reifen, Motor, Strecke und Gegnern mit einer Wahrscheinlichkeit von 33% gewonnen werde.
Das mit den Blutgruppen ist aber auch kompliziert.
Genauer gesagt liegt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Stuttgarter weiterkommen, bei 50%. Denn entweder gewinnen sie mit der erforderlichen Tordifferenz oder eben nicht.
Für mich laufen solche Vergleiche immer in der Kategorie Trivia – nett zu wissen, aber ohne Relevanz. Daraus eine Wahrscheinlichkeit abzuleiten ist natürlich Unfug.
Auch wenn man die Wahrscheinlichkeit eines Weiterkommens nicht kennt, kann man immerhin den Erwartungswert über Angebot und Nachfrage am Wettmarkt ermitteln. Dieser liegt derzeit bei ca. 70%. Oder aber man schickt ein Tierorakel ins Rennen.
Ich bitte um mehr Realismus in diesem Zusammenhang.Der FC Schalke 04 ist ungeschlagen, sofern ich mich in der Nordkurve aufhalte. Zudem hat Matip in jedem meiner Gastspiele gleich doppelt getroffen und das obwohl ich jedes Mal unmittelbar vor dem Fußballspiel abgesprochen habe, dass er dasselbige überhaupt beherrscht. Im Anbetracht der aktuellen Lage beim FC Schalke 04 halte ich es daher für unverantwortlich empirisch belegte Studien für ein paar billige Klicks des Pöbels in den Schmutz zu ziehen und meine Trainerkarriere so unnötig zu gefährden.
Mit freundlichen Grüßen
E.Inspinner
Danke, Trainer. Diese Statistiken halte auch immer für den letzten Unfug. Schön ist auch immer, wenn es heißt Team x hat seit y Jahren nicht mehr gegen Team z verloren, ohen dabei zu erwähnen dass die auch jahrelang gar nicht mehr gegeneinander gespielt haben.
Ansonsten bin auch ich großer Verfechter der 50:50-Theorie: entweder es passiert, oder nicht.
[…] 8. Trainer Baade über Äpfel und Blutgruppen. Und Statistiken. […]
Befremdlich finde ich auch die klassische Reporterfrage an Spieler oder Trainer: „Ihr Team hat seit siebzehn Jahren an keinem Freitagabend mehr zu Hause mehr als ein Tor schießen können. Macht sie das nervös?“ Als ob die Spieler/Trainer solche für ihre Arbeit irrelevanten Fakten wüssten, wenn sie ihnen nicht ein Reporter vorbeten würde.
Hallo Trainer, ich finde sie ja sonst sehr lesenswert, aber diesmal: No need for Fass aufmachen. Ergänzen sie „Historisch-statistische“ vor „EL-Chance“.
Die tatsächliche Wahrscheinlichkeit liegt entweder bei 0% oder 100% (Determinismus), oder, sich aufgrund von tausenden Faktoren nanosekündlich ändernd, zwischen 0% und 100%.
Welche Weltansicht man auch haben möge, es ist eigentlich klar, dass 33% die Wahrscheinlichkeit äußerst unwahrscheinlich abbildet. Die Zahl bezieht sich erkennbar nur auf einen Faktor, der im Satz vorher genannt wird: Historie, Geschichte.
Wie gesagt, ergänzen sie oben genanntes. Das fiel vielleicht wegen des Zeichenlimits weg. Eben, weil den Zusammenhang jeder so versteht. Naja.
Für mich läuft das unter absolute Trivia eines eher so semi-bekannten Statistik-Service. Das kann man nicht für sieben Absätze ernst nehmen.
Eine „historische“ Chance ist aber einfach eine total irreführende Aussage. Bislang gelang es dem VfB zwei von sechs Mal. Punkt. Mehr kann man daraus nicht machen. Wenn man dann so verkürzt, dass man das „historische“ weglässt, aber Chance eben noch hinpasst, ist das schlicht und ergreifend falsch. Das sollte man doch gerade als jemand, der mit solchen Spielereien sein Brot verdient, tunlichst vermeiden, gerade weil ja eben nicht allen klar ist, dass es sich hier nur um eine Beschreibung der Vergangenheit handelt.
Ich halte das für ganz bewusst in die Irre führend gewählt, über die Gründe kann man nur spekulieren. Trauriger wäre nämlich, wenn den Menschen dort nicht bewusst wäre, dass es total irreführend ist.
Dieser Tweet war ja nur exemplarisch – und diese Seuche, aus den bisherigen Ergebnissen etwas in der Zukunft sehen zu wollen, zieht sich durch die gesamte Fußballberichterstattung. Deshalb wäre das durchaus noch viel mehr als sieben Absätze wert, bis auch der letzte verstanden hat, dass es nur eine nette Spielerei ohne jede Aussagekraft ist. Und man es in den meisten Fällen auch einfach sein lassen kann.
Wie war der Spruch zur Statistik doch gleich?
Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Im Tweet vom Statistikanbieter fehlt mir allerdings auch noch die Einpreisung des überhektischen Austauschs der Trainer auf der Bank der Stuttgarter.