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Murmeltierleben

Buzz Aldrin wurde nicht mehr besonders glücklich in seinem Leben, sagte er jedenfalls selbst, nachdem er auf dem Mond war. Wohl nicht todunglücklich, aber er sei zu jung gewesen, um den Mond zu verarbeiten. Er nannte alles, was danach kam, die „Melancholie der erfüllten Aufgabe“. Und natürlich musste er immer wieder nur über dieses eine Thema sprechen. Es muss ein Fluch sein, nur noch auf ein Thema, eine Handlung in seinem Leben reduziert zu werden.

Wobei dann verwundert, dass so viele der Fußballer, die wichtige Titel erreichten oder auch eine erfolgreiche Gesamtkarriere hinlegten, nie von dieser Melancholie sprechen. Vielleicht empfinden manche sie, ziehen sich zurück, wie Helmut Rahn, wie einige andere, aber äußern sie nicht. Oder ihnen fehlen auch einfach nur die Worte dafür.

Denjenigen, die immer und immer wieder gerne die selben Geschichten erzählen — manche machen gar wie Ente Lippens mit seinem Restaurant, gespickt mit seinen Bonmots, ein Geschäft daraus — die man ständig zu ihren besonderen Taten hört, merkt man zumindest vor der Kamera keine Melancholie oder auch nur Genervtheit an. Nicht vorhanden oder schlicht professionell? Hier stellt man sich das ewigwährende Erzählen des Immerselben, aber vor allem das Fehlen von Aufgaben als die wahre Hölle vor. Weltmeistersein hin oder her, Mann auf dem Mond gewesen sein, hin oder zurück. Ein chinesisches Sprichwort lautet, dass man seinem Feind vor allem eins gönne: dass all seine Wünsche in Erfüllung gehen. Dann lebt man nur noch in der Vergangenheit, streift ziellos durch den immer wieder nächsten Tag, der doch immer nur ein Tag nach dem Erreichten ist.

Horst Eckel ist heute noch nur dieser eine Tag in Bern, Helmut Rahn wird aus bekannten Gründen nicht mehr gefragt, andere schaffen sich neue Aufgaben, wie Uli Hoeneß oder wie Jürgen Klinsmann, andere schaffen wohl die Distanz zu diesem Thema, wie Bodo Illgner oder all jene, welche irgendwelche anderen Berufe ergreifen. Dass aber jemand einmal diese „Melancholie der erfüllten Aufgabe“ erwähnt hätte, ist aus dem Fußballmilieu nicht bekannt, obwohl es deutlich mehr Weltmeister als Männer auf dem Mond gibt.

3 Kommentare

  1. Okay, einer stellt dann doch eine Ausnahme dar. Werner Kohlmeyer sagte: „Alles, was nach der WM kam, war wie ein einziges verlorenes Wochenende“, und ist damit recht nah bei Buzz Aldrin.

  2. Dieter Dieter

    Ich finde, die Situation von Mondlandung und WM-Titel ist nicht ganz vergleichbar. Die Mondlandung hatte nur ein Ziel und eine Erfolgsmöglichkeit. Alles außer dem Gelingen wäre Scheitern gewesen, möglicherweise auch unter Verlust des Lebens.
    Einen WM-Titel zu gewinnen ist aber nur eine Möglichkeit, auch wenn es einen gewissen Erwartungsdruck gibt. Nicht Weltmeister zu werden kann eigentlich nicht als Scheitern betrachtet werden, sofern man nicht haushoch überlegener Favorit ist.

    Vielleicht hängt es aber auch eher mit der Persönlichkeit zusammen, oder mit der genauen Situation. Von Neil Armstrong ist mir nichts in der Richtung bekannt. Er war aber auch der allererste Mensch auf dem Mond, der der über alles gefeierte Held wurde.

    Weitere Forschung dazu ist also noch nötig.

  3. Ja, ist richtig, die Mondlandung war eine klar definierte und zeitlich auch sehr begrenzte Aufgabe. Während eine Fußballerkarriere in aller Regel anderthalb Dekaden dauert. Aber bei Kohlmeyer hat es ja offensichtlich so gewirkt wie bei Buzz Aldrin. Mag auch damit zu tun gehabt haben, dass es noch keine medial begleitete Bundesliga gab und Kohlmeyer deshalb keine weiteren Gelegenheiten hatte, derart im Mittelpunkt zu stehen. Ansonsten hat es natürlich mit der Persönlichkeit zu tun, klar. Aber offenbar ist es im Fußball einfach üblicher, stets „immer weiter, immer weiter“ zu denken und das nächste Spiel kommt ja tatsächlich meist spätestens nach einer Woche. Und doch würde ich sagen, dass so ein WM-Titel oder gar das entscheidende Tor dazu ähnliches mit einem Spieler bewirken _kann_.

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