Zeit meines Lebens habe ich Probleme mit links und rechts. Hier links abbiegen. Nein, das andere links. Ah, ja. Natürlich, natürlich, ich meinte auch das andere links. Mit oben und unten passiert das nie, mit links und rechts allerdings ständig, wenn auch nur in Druck- (unmenschlicher), Stress- und ähnlichen Situationen.
Dasselbe Schicksal ereilt mich, wenn es um horizontal oder vertikal geht. Dabei ist das mit horizontal und vertikal ja eigentlich viel einfacher als die Sache mit links und rechts. Hinterm Horizont Unter einem Horizont kann ich mir jederzeit etwas vorstellen und ich weiß auch, wie er sich normalerweise auf meiner Netzhaut repräsentiert: gerade. Also eben. Horizontal gerade eben. Unter einem Links an sich kann ich mir wenig vorstellen, und dass Rechts irgendein Verwandter von Recht sein soll, hilft mir in den Zehntelsekunden, in denen derlei Entscheidungen gefällt werden müssen, bei weitem nicht so viel wie das Adjektiv zu Horizont.
Das erschwert die Problematik.
Horizontal, das wird mir fast immer sofort klar. Vertikal wird mir nur dann überhaupt klar, wenn es zusammen mit horizontal verwendet wird. Sozusagen das andere Links im Bezug auf horizontal. Diese gleichzeitige für mein Hirn zur ordnungsgemäßen Verarbeitung der Begriffe unablässliche Verwendung von horizontal und vertikal ist seit dem Ende des Märchensommers 2006 in diesen Breiten deutlich zurückgegangen. Es wird fast nur noch vertikal alleine benutzt, und dann streikt mein Hirn immer bei dem Versuch, mir vorzustellen, wie vertikales Spiel denn aussehen soll.
Diese Schwierigkeit wird noch dadurch verschärft, dass ich mittlerweile beim Blick aufs Spielfeld meist den Blick der Fernsehkamera vor meinem geistigen Auge habe. Ich sehe das Spiel also nicht aus Spielerperspektive, sondern aus Fernsehkameraperspektive. Wo ist da jetzt horizontal? Horizontal ist doch da, wo die Sitzreihen anfangen, wo das Stadiondach der Gegentribüne entlang läuft und warum sollte man nicht in dieser Richtung Pässe spielen, die ja dann zwangsläufig entweder auf das eine oder das andere, sie es auch das eigene, Tor zulaufen würden. Ein Rückpass ist zwar nicht spannender als ein Querpass, außer wenn er zu kurz geraten ist, aber ob Rück- oder Quer ist jetzt gar nicht so entscheidend, denn jene Pässe, die in Richtung des gegnerischen Tores gehen, dürften sicher überwiegen.
Vertikal, das erinnert immer an vertikutieren, was man mit Rasenflächen sicher des öfteren tun sollte, vertikal erinnert an Kreuzworträtsel aus der FAZ, derer ich noch nie auch nur eines komplett zu lösen im Stande war, an Kreuzworträtsel allgemein, vor allem erinnert es aber an Wörter wie Vertigo, vertiefen, verteufeln, wertmindern und pferd, sofern man westdeutsch das p vom pf weglässt. Es sagt mir einfach nix. Wo soll das sein, dieses vertikal? Etwa in der Nähe von links? Vielleicht im zweiten Hydranten? Outer space, ganz hinten in der Galaxie?
Vertikales Spiel muss ein Begriff sein, der eingeführt wurde, um eine Kunstsprache zu erfinden, derer nur die Eingeweihten mächtig sind, zu denen ich nicht zähle. Man könnte es profan „nach vorne“ oder „zum Tor hin“ nennen, aber das würde ja nicht diese nebulöse Verwirrung in meinem Hirn auslösen, sondern klare Bilder erzeugen. Bilder von Spielern, die einen Pass zum gegnerischen Tor hin spielen, die die Gasse suchen und dann verfehlen, aber immerhin finden wollten, von Spielern, die alleine de Spil gewinne aufs Tor zurennen und dabei verdammt noch mal vertikal spielen und laufen, ohne dass mir bewusst wäre, dass da irgendjemand irgendetwas Vertikales machte.
Vertikal. Die Einführung dieses Ausdrucks ist doch eine bewusste Verhohnepiepelung all der anderen Rentner nebst meiner am Spielfeldrand, die nicht mal mit Fremdwörtern wie positiv, negativ, ein Drittel, zwei Drittel, objektiv, subjektiv oder Fitnesstrainer etwas anfangen können. Wir echten Fußballexperten hier, ihr Dumpfbacken dort. Elitäre Nomenklatur, die allein der Ausgrenzung dient.
Mir als Richtungslegastheniker bleibt somit nur noch eins. Darauf zu hoffen, dass es bald wieder heißt: „Gladbach spielt von links nach rechts in den dunklen Trikots, Hamburg von rechts nach links in den hellen Trikots.“ Dann ist alles gut.
Denn hell und dunkel, das ist einfach.
Ach, Trainer, früher war alles besser. Doch mit dieser Einstellung wirst du Jürgen Rangnick und Oliver Klinsmann und Ralf Bierhoff und vor allem die Urse Siegenthaler nebst Meier sowie überhaupt alle anderen bald nimmer mehr verstehen. Ein hoffnungsloser Fall.
Aber „elitäre Nomenklatur“ und „Ausgrenzung“ in den gleichen wie auch selben Satz reinschreiben, das sind die Richtigen …
lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum
(Ernst Jandl)
Die Orientierungsprobleme treten doch erst bei der Verbalisierung auf (wieso muß ich dabei nur an Podolski denken?). Solange also keiner was sagt, ist alles gut und die Leute finden ihren Weg (man Stelle sich die Links-Rechts-Schwäche bei Piloten vor).
Ansonsten empfehle ich das Ganze sportlich zu nehmen
Ich glaube allerdings nicht, dass Jürgen Klinsmann diesbezüglich nix sagt. Im Gegenteil (Polemik, Polemik), er wird es ja sogar via all seiner Simultandolmetscher in alle Sprachen der Welt übersetzen lassen. Wer soll da noch was verstehen?
„…jene Pässe, die in Richtung des gegnerischen Tores gehen, dürften sicher überwiegen.“
Ich habe „Torres“ statt „Tores“ gelesen und da ist mir klargeworden, dass ich das EM-Finale doch nicht so gut verarbeitet hab wie ich dachte.
Mensch, da bist Du schon Trainer und verstehst das Geschwafel so wenig wie ich, Trainer.
Als ich zum ersten Mal was von „vertikaler Pass“ gehört habe, dachte ich, das sei ne nette Umschreibung für eine Kerze. :-)
Aber ganz im Ernst, so hundertprozentig ist mir das immer noch nicht klar. Ich vermute, die meinen „Steilpass“ oder auch nur profan „Spiel nach vorne“, aber was ist daran vertikal???
Auf die Idee, das so zu beschreiben, kommt nur, wer öfter an der Taktiktafel als auf‘m Platz steht.
Aber „die Wahrheit liegt an der Taktiktafel“ just doesn’t ring true.
Erinnert mich doch ein wenig an „Neusprech“ (Orwell, 1984). Klasse fand ich auch die „Ballverwertungshaltung“, die Klose irgendwann bei der EM vermisste. Da stelle ich mir immer einen Stürmer vor, der den Ball nach der Annahme erst einmal auf die Waage legt, chemisch, physikalisch und sonstwie untersucht, abputzt, abstempelt und dann weitergibt. (Aber so ungefähr spielt Klose derzeit ja auch…)
Vielleicht sollten wir die Stadien einfach einnorden? Dann könnte der Trainer in der PK (!) erklären, seine Mannschaft habe in der 2. Halbzeit das SPiel nach Süden vermissen lassen. Das fände ich hübsch.
Das ist weder Neusprech (das ja vereinfachen/ umwidmen und nicht verschwurbeln wollte), noch zuviel an der Taktiktafel gestanden. Eher Journalisten, die zuviel auf die Reputation der Kollegen mit den karierten Sackos geschielt haben und zwanghaft versuchen, ihrem sinn- und hiernfreien Bespaßungsquatsch irgendeinen seriösen Anstrich zu geben.
Ist doch eine klare Tendenz der letzten Jahrzehnte: Weil der Fussball lukrativ Sendezeit und Seiten füllt, wird sich in den Medien immer breiter damit „beschäftigt“, alles mögliche soll den Anschein einer profunden, wertvollen Analyse bekommen.
Gleichzeitig wissen die Medien oder glauben zu wissen, dass „die Leute“ gar kein Interesse an etwas haben, was mehr als den bloße Schein einer echten Untersuchung darstellt. Also werden mehr und mehr aufblasende Vokabeln gesucht und halt auch gefunden.
Zu meinen B-Jugend Zeiten rief mein Trainer einmal meinem Mannschaftskollegen von der Seitenauslinie zu, er sollen „steif spielen“.
Eine deutlichere Spielanweisung gibt es wohl kaum. :)
Ich hörte mal den Spruch in der Bezirksliga vom Abwehrchef zum Nebenmann: Spiel männlicher! (So laut, dass ihn ALLE Spieler und Zuschauer hörten)
Alle gröhlen immer noch LEO – und das ist ja nicht nur die Torwart-habbich-Sprache, sondern auch das Netz-Translation-Lexikon.
Um auch mal was völlig unzusammenhängendes zu sagen: Thorsten Legats Freundin ist vom Thron der Suchanfragen gestoßen worden. Und dazu brauchte es nur einen Verbandsligaspieler und sein Gemächt.
Horizontal, vertikal, scheißegal…
Trainer Baade über seine Probleme mit der Rechts-Links-Koordination und den von Uwe Rapolder und Jürgen Klinsmann (Meyers Lexikon) geprägten Begriff des Vertikalspiels….
[…] gradlinigem, bei eben diesem „vertikalen Spiel“, welches so zu nennen gerade modern ist, ist Kevin Kuranyi der falsche Mann in der vordersten Mitte. Dort braucht eine Mannschaft jemanden, […]
@stefan: Extra für dich kopiere ich ein aktuelles Fundstück zu einem Spiel aus der Oberliga Niedersachsen Ost rein:
Die Vorfreude war groß: Strahlende Sonne, viele Zuschauer, ein neuer Platz. Der war im Zuge des Stadion-Umbaus um 90 Grad gedreht worden. Vielleicht war das ein Grund dafür, dass Fußball-Oberligist Freie Turner beim 1:7 (0:3) gegen den VSK Osterholz-Scharmbeck völlig die Orientierung verlor.
der Artikel ist einfach klasse. Da sieht man doch wozu die Rentner fähig sind.
Weiter so.
Wir brauchen Zuschauer in den Stadien, die etwas von der Materie verstehen……ähhhh….. was ist eigentlich Materie.
Herr, schmeiß Hirn runter!!
Finde den Artikel viel zu abfgeblasen, wen interessiert denn deine rechts/links Schwäche?
Eine Zeichnung von einem Fußballfeld mit zwei Pfeilen „vertikal“ und „horizontal“ hätte ja auch gerecht?
Aber manche nutzen lieber tausend Wörter statt wenige aber dafür verständliche.
Also mich interessiert die Links/Rechts-Schwäche.
Und wo ist der Beitrag zu hoch bzw. tief stehen?
(Frage für eine Hobbymannschaft, in der zwei Leute diese Begriffe gerne verwenden, sich bei der Bedeutung aber zu 100% uneins sind.)