Einer der Gründe, warum man sich ein Auswandern als Fußballfan reiflich überlegen sollte, ist jener, dass man einen riesigen Batzen an potenziellen Themen für Small Talk verliert, wenn man ins Ausland geht.
Mit wem soll man sich in Norwegen über den 1. FC Nürnberg unterhalten, in Ghana über Frank Mill oder in Peru über das Drama der letzten Relegation, wenn dort niemand weiß, dass es in Deutschland Fußball abseits der zwei, drei großen Clubs überhaupt gibt?
Eine schöne Demonstration, wie gefesselt man mit diesem nerdigen Faktenhuber-Wissen über Fußball an den jeweils eigenen Sprachraum ist, sollte die folgende Liste sein, die die Nicknames von 50 englischen Proficlubs umfasst.
Klar, in der hiesigen Leserschaft gibt es sicher den einen oder anderen Nerd, der alle 50 schafft. Und ein paar davon sind für die meisten bestimmt kein Problem. Aber wird andersherum irgendjemand auf diesem Planeten wissen, wer die Lilien, die Zebras oder die Fohlen sind? Wohl kaum. Insofern: lieber zwei Mal überlegen, ob man wirklich auswandern will. Von da an kann man nur noch übers Wetter smalltalken. Politik und Religion sind bekanntlich tabu, und der Fußball fällt ja dann als Thema weg.
Also, auf zur Demonstration, dass man sich bei den Nicknames englischer Clubs kaum auskennt und schnell die Tickets nach Timbuktu in den Ofen geworfen, um der sozialen Isolation noch von der Schüppe zu springen.
(Achso, falls jemand alle 50 weiß, kann er sie gerne nennen. Hier kommt man auf knapp 20.)
Ohne das mit Fakten belegen zu können, habe ich gehört, Fans spanischer Zweitligisten wissen durchaus, dass die Zebras aus Duisburg kommen.
Okay, war ein schlecht gewähltes, weil vielleicht doch einigermaßen herausstechendes Beispiel. Diskutiere mit den selben Menschen und ich meine eben nicht die Nerds, sondern die Normalo-Fußballinteressierten was gerade im Mittelfeld der 1. deutschen Liga los ist. Oder, wer da überhaupt spielt und warum.
Noch schlimmer ist es in Ländern, die sich gar nicht für Fußball interessieren. Ich habe eine ganze Weile in der Dominikanischen Republik verbracht. Dort besteht der Sportteil aus zehn Seiten Baseball, fünf Seiten Baseballstatistiken, fünf Seiten NBA und zwei Zeilen über die Champions League. Und so ist das auch in Gesprächen :-(
Gruß
Die kölsche Ziege
P.S. An die Nicknames wage ich mich gar nicht erst dran
Trainer, das greife ich doch nochmal gerne auf.
Nun gut, Auswanderer. Dazu muss ich aber anmerken, dass der Club in Norwegen seit Anders Giske doch allerorten bekannt sein wird. Und Frank Mill in Ghana? Also, Borussia Dortmund? Otto Addo? Da kann es doch gar nicht beim small-talk bleiben. Die Fussball-Welt ist kleiner, als man denken mag. Naja.
Aber darauf wollte ich nicht hinaus. Mir gefällt die verlinkte Liste außerordentlich gut, gleichwohl es fast skandalös anmutet, dass die Terrier fehlen. Natürlich kann ich nicht jeden nickname zuordnen, doch einige schreien förmlich nach Erwähnung.
Zumal die Bayern sich ganz sicher an die Canaries erinnern werden, schließlich ist das Duell in der zweiten Runde des UEFA-Cups gerade mal 20 Jahre her. Auf der Trainerbank saß kein Pep, sondern ein Sir. Wobei sich unweigerlich die Frage anschließt: „Welche Bayern-Bundesligatrainer schafften es eigentlich, während ihrer Amtszeit an der Säbener nicht Meister zu werden?“ Nun gut, Ribbeck spielte immerhin Europacup, doch Neuling Norwich City war einfach eine Nummer zu groß. Schon im gerade mal zu einem Drittel gefüllten Olympiastadion siegten die Canaries 2:1, um im Rückspiel mit einem 1:1 die nächste Runde zu sichern.
Nach einem kurzen Intermezzo, einer nochmaligen Anstellung in Leverkusen, wurde Ribbeck ja tatsächlich von seinem Ruhesitz auf den Kanaren für, ja für was eigentlich engagiert, wenn wir an nicknames denken und doch feststellen, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nur ebenso genannt werden kann, vielleicht noch uninspiriert DFB-Elf. Elftal, Three Lions, le bleus…, könnte man beliebig fortsetzen. Und wir? Wir erkläre ich dies als Auswanderer?
Für die Canaries das Europapokal-Debüt also erfolgreich. Für die Clarets wurde es legendär. Denn das Los führte den englischen und deutschen Landesmeister im Viertelfinale des gleichnamigen Europacups 1960/61 zusammen, die Weinroten vom Burnley FC trafen auf den HSV.
So machte der HSV sich also auf im Januar 61, um im Turf Moor zu bestehen. Die Bedingungen waren schwierig, der Gegner stark. Doch die Hoffnung für das Rückspiel blieb, weil es Charly Dörfel kurz vor Schluss gelang, den Mann, dessen Name wie ein nickname klingt, den kolossartigen Clarets-Goalie Adam Blacklaw, zu bezwingen und zum 1:3 zu verkürzen. 1:3 in einem der größten Spiele in der Geschichte des Turf Moor, wie die Engländer sich erzählten. (http://www.clarets-mad.co.uk/feat/edx8/germans_hamburg_have_no_answer_to_burnley_621965/index.shtml)
Acht Wochen musste auf das Rückspiel gewartet werden. Ein Spiel, das ebenfalls unter besonderen Bedingungen ausgetragen wurde. Bekanntlich war Rotherbaum die Heimspielstätte des HSV bis zum Bundesligastart, doch der erwartete Zuschaueransturm ließ natürlich keine andere Wahl, man zog ins alte Volksparkstadion. Das damals noch kein Flutlicht besaß und so wurde das Match im März für den Nachmittag angesetzt. Nicht nur in Hamburg und Burnley waren somit am Nachmittag des 15. März die Straßen leergefegt, denn wer nicht unter den glücklichen 71.000 im Volkspark sein konnte, saß gebannt vor dem Fernseher, das Spiel wurde als eines der ersten Vereinsspiele überhaupt live übertragen.
Was dann folgte, war mehr als eine Europacup-Schlacht. Der HSV stürmte bedingungslos und gegen die englische Innenverteidiger-Garde gelang Klaus Stürmer schon früh ein Kopfballtor. Noch vor der Pause erhöhte Uwe Seeler, ebenfalls per Kopf, zum 2:0, sodass, Auswärtstore zählten damals noch nicht bei Gleichstand, der Rückstand aufgeholt war.
Auch der Schock von Burnleys Anschlusstreffer, schien dem HSV an jenem Tage nichts anhaben zu können, schon im Gegenzug traf Charly Dörfel zum 3:1 und wenig später Uwe Seeler zum 4:1-Endstand. Wahrscheinlich sind nur Engländer in der Lage, für dieses Match die richtigen Worte zu finden. (http://www.clarets-mad.co.uk/feat/edx8/cup_hopes_end_in_hamburg_657852/index.shtml)
Im übrigen war dieses Match auch eine Geburtsstunde. Denn der Fussball- und Theaterkritiker Richard Kirn formulierte nach dem Spiel in seiner Begeisterung über Uwe Seeler „Uwe Seeler ist nicht mehr nur der Junge aus Hamburg-Eppendorf. Uwe ist der Sohn unseres Landes. Er ist unser Uwe.“ Fortan war der Begriff „Uns Uwe“ nicht mehr wegzudenken, bleibt also auch stets in Verbindung mit den Clarets.
Aber auch für die Brave Bluebirds wird der HSV seinen Platz in deren Geschichte behalten. Mehr noch vielleicht für den bis 2009 heimatgebenden Ninian Park. Denn in genau jenem trat der HSV im Halbfinale des Europacups der Pokalsieger 67/68 gegen Gastgeber Cardiff City an und stand nach dem 1:1 im Volkspark vor einer schweren Hürde. In der Schlussminute stellte Bubi Hönig einen dramatischen 3:2-Sieg für den HSV sicher, das Match gilt als eines der Top10-Ereignisse aller Zeiten im Ninian Park.
(http://news.bbc.co.uk/sport2/hi/football/teams/c/cardiff_city/8003698.stm)
Sinn des Auswanderns ist ja nicht unbedingt, mit anderen Leuten über die gleichen Dinge wie zuhause reden zu können. Man könnte sich ja bspw. mit der örtlichen Liga beschäftigen und bis dahin unbekannte Galaxien neuen Nerdwissens entdecken, mit dem dann bei einem Heimatbesuch reüssieren kann. Umgekehrt sind auch die neuen Landsleute vielleicht erpicht darauf zu erfahren, was sich in Deutschland „unterhalb“ von FCB und BVB so tut und was für lustige Spitznamen die Teams so haben.
[…] Vielleicht ist das auch gut so. Der geschätzte Trainer Baade zeigt nämlich auf, warum man als Fußballfan doch lieber im eigenen Land bleiben sollte: Goodbye Ausland. […]