Extended version.
Letztens musste ich die Gelegenheit wahrnehmen, das Freitagabendspiel der Bundesliga via BVB-Netradio zu verfolgen.
Die Alternative wäre einzig der immer dröge und vor allem lahme Liveticker des Kickers oder ein noch schlimmerer Liveticker gewesen, einer, in dem z. B. Tor mit mehr als einem O geschrieben oder Sätze mit mehr als einem Ausrufezeichen beendet werden, nur weil sich der kleine Student an der Tastatur nicht anders, mit Worten nämlich, artikulieren kann. Da wird heftigst auf die 1 gekloppt, bei gleichzeitiger Betätigung der Shift-Taste, die eigene Erregung wird durch diese physisch intensive, energieverbrauchende Handlung kanalisiert, mit viel Glück gar sublimiert. Dem Leser ist aber damit nicht geholfen. Ein Tor bleibt immer noch ein Tor und ein knapp vorbei schlitternder, verunglückter Fernschuss wird nicht knapper dadurch, dass man noch zwei Mal auf die 1 drückt.
Das Netradio sollte es also sein, das BVB-Netradio.
So viel fremdschämen kann man sich allerdings nicht, dass man diese Option noch einmal ernsthaft wahrnehmen könne. Sollte man BVB-Fan sein, empfindet man diese Dokumentation des Spiels wohl als angemessen. Sollte man neutraler Hörer sein wie ich in diesem Falle, weiß man nicht, mit welchem Recht solche Dinge über den Äther des Internets geschickt werden.
Man könnte auch einfach Uwe Kaluschke oder Heinz Kohlmeyer aus der Fankurve das Mikro vor die Nase halten, viel mehr über das Spiel würde man auch nicht erfahren. Ständig wird über die totale Parteilichkeit des Schiedsrichters genörgelt, der wird auch noch live via Netradiomikrofon angeprangert, „Najas“ wechseln sich damit ab, dass die heiß emotionalisierten Jungs wohl sogar gleichzeitig noch „Premiere“ sehen, denn ständig geben sie Kommentare ab, dass sie erst noch mal die Wiederholung schauen müssen, bevor sie dem Hörer jetzt sagen können, was passiert ist, nicht ohne sich zu erdummen, den Schiedsrichter aufs Schärfste dafür anzugreifen, dass er das, was sie selbst erst in der vierten Wiederholung erkannten, nicht sofort sah.
Dazu kommt, dass man sich ständig an irgendwelchen Kleinigkeiten hochzieht anstatt wirklich das Spiel zu beschreiben. Und der ebenfalls beteiligte Stadionsprecher Norbert Dickel wirkt so aufgepeitscht, dass man sich nicht vorstellen kann, dass er bei brenzligen Situationen einen kühlen Kopf bewahrte und seiner Funktion als Stadionsprecher nachkommen kann. Die anderen Beteiligten kann man getrost vergessen und man sieht wieder einmal, dass gutes Radiomachen ein Handwerk ist, welches gelernt sein will.
Gibt es einen dermaßen peinlichen Service eigentlich auch bei anderen Bundesligaclubs?
Der Live-Ticker des stern ist ganz ordentlich, schnell und ausführlich. Leider wird neuerdings immer erst Werbung gezeigt, bevor man erfährt, wo denn nun das Tor gefallen ist… aber von den Tickers noch einer der Besseren.
Vielleicht bin ich als Schalker da nicht ganz frei von Vorurteilen, aber die wenigen Auszüge, die ich bisher vom BVB-Radio gehört habe, fand ich nicht nur dümmlich, sondern auch gefährlich. Wie dort bei jeder Abseitsentscheidung gegen den BVB eine Treibjagd auf den Schiedsrichter eröffnet wird, ist einfach ekelhaft. Natürlich soll das Vereinsradio gezielt für die eigenen Fans gemacht sein, aber dass das dann gleich in geifernde Verantwortungslosigkeit umschlägt, finde ich wirklich besorgniserregend.
Ich weiß von einem Studenten, der sich bei solch einem Liveticker-Anbieter seine Kohle verdient, dass genau oben beschriebenes von den Verantwortlichen ausdrücklich erwünscht ist.
P.S.: Bei den Tickern vertraue ich derzeit meistens auf ard.de. Sport1 fand ich mal optisch ganz ansprechend, aber irgendwann wurde daraus eher ein „Ich zeig euch mal, welche arbeitsspeicherfressenden Gimmicks man hier noch einbauen kann“.
Trainer, ich hatte davor gewarnt: http://www.fussballfieber.de/2007/08/20/jetzt-trifft-auch-noch-der-fiese-kuranyi/
Ich halte dieses Radio-Projekt allerdings weder für dumm noch für gefährlich. Das ist Realsatire, da muss man woanders Eintritt für bezahlen.
Danke für den Link, zangel04. DAS ist dann wirklich Realsatire!
Beim VfB Stuttgart durfte ich im ersten Saisonspiel feststellen, dass der Stadionsprecher grausam parteiisch ist. Das ist natürlich im Rahmen nicht falsch und unerwünscht. Aber ich würde mich als VfB-Fan schon schämen, wenn durch die Boxen der Verein euphorisch gefeiert wird, während die Gastmannschaft nichtmal bei Auswechslungen geschweige denn Toren erwähnt wird.
Ich gebe zu ich war davor seit etwa einem Jahr bei keinem BuLi-Spiel im Stadion, meine mich aber erinnern zu können, dass zumindest der Gegner (bzw. auch deren Fans) vom Stadionsprecher herzlich willkommen geheißen wurde.
PS: Großartiger Link.