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Lovestruck

In einem kürzlich vom Playboy wieder herausgekramten Interview von 1980 spricht der mehr oder weniger gute John darüber, welche Auswirkungen es für ihn hatte, als er sich dann mal so richtig und nicht nur halbherzig verliebte. Er ließ alles stehen und liegen. Und seine alten Kumpels waren gänzlich uninteressant geworden.

Als ich Yoko begegnete, war es so, als träfe ich die erste Frau meines Lebens. Man lässt die Kumpels in der Kneipe zurück. Man geht nicht mehr zum Fußballspielen oder zum Billard. Manche treffen sich vielleicht noch am Freitagabend mit ihren Freunden. Aber als ich Yoko traf, waren sie zu alten Schulfreunden geworden. Ich hatte kein Interesse mehr an ihnen.

Wobei das mit dem Fußballspielen wohl eher eine Metapher war, sicher hat John Lennon selten bis nie selbst Fußball gespielt, denn dann wäre wie bei Bob Marley, Jimi Hendrix und anderen Musikergrößen längst ein Foto davon in irgendeinem tumblr dieser Welt aufgetaucht.

Man kann das sympathisch finden, große Liebe und so. Man sollte auch die Beatles dabei rauslassen, denn erstens wäre das Ende sowieso, dann nur anders passiert, und zweitens muss man sich deshalb zum Glück keinen schlechten Scheiß von ihnen aus den 1970ern anhören, Stichwort Wings. Man kann es aber doch auch einmal aus der Warte der Kumpels sehen.

Er verliebt sich, und ab da ist alles, was vorher wichtig war, auch die Menschen, irrelevant. Normalerweise würde man seinen „Kumpels“ eine solche Phase von gut anderthalb Jahren zugestehen, aber wenn einer überhaupt nicht mehr zurückkehrt?

Wie findet man das, als Zurückgelassener? Ist er nur der erste, der nicht mehr zum Fußballspielen ging, und früher oder später gingen auch all die anderen nicht mehr hin? Oder ist er total verblendet, über ein Jahrzehnt lang und eigentlich ein Verräter all der anderen Kumpels, die sich auch verlieben, und dennoch irgendwann wiederkommen, wenn der Pub öffnet oder der Schiedsrichter anpfeift. Ist das eine Frage von Erwachsenwerden oder von Ignoranz?

22 Kommentare

  1. moldo moldo

    es sind die Hormone, Trainer; was will man dagegen tun, als Zurückgelassener? – Liebe versetzt Berge, heißt es. Warum soll sie dann nicht auch Fussball und Freunde versetzen.

  2. Tom Tom

    Hast dir die Antwort doch selber gegeben, Lennon war kein Fan.

  3. zack zack

    Ich würde sagen: hängt von der Frau ab ;-)

  4. Manfred Manfred

    Was haste nur gegen Paule und die Wings?

  5. Mit Hormonen hat das nix zu tun, das sind kosmische Anziehungskräfte.

    Wow, John muss damals einen Riesenbewusstseinssprung gemacht haben. War mir nie so klar wie jetzt.

    Sowas kenne ich und danach hat man einfach keine Resonanz mehr zu Leuten, die einem früher etwas bedeutet haben. Alle, die diesen Sprung in ein höheres Bewusstsein nicht mitgemacht haben, verstehen natürlich die Welt nicht mehr.

    Ist aber grundsätzlich nichts „Schlimmes“, denn Bewusstseinssprünge sind notwendig für die Menschheit.

  6. Sehr interessante Frage und guter Artikel! Ich denke es hängt von den einzelnen Menschen ab. Wer wie seine Prioritäten setzt. Für manche steht die Familie (und somit auch die Partnerin) an erster Stelle im Leben, andere würden nie auf die Idee kommen ihre Freunde für jemand anderen zu vernachlässigen oder gar zurück zu lassen.

  7. Ich denke auch, dass es nicht an den Hormonen lag. Natürlich beeinflussen Hormone die Menschen mehr als man es sich wünschen würde, aber keine würde eine solch wichtige Entscheidung allein seinem wirren Gefühlsleben überlassen. Lennon verlor einfach das Interesse oder hat wie Andreas schon schrieb einfach die Prioritäten anders gesetzt als wir es vielleicht getan hätten.

  8. FF FF

    Am unangenehmsten bei dieser Art von Artikeln berühren mich immer die „Kommentare“ darunter.

    PS.: Meiner wird da wohl keine Ausnahme machen. ;-)

  9. moldo moldo

    vielleicht ist der Fortpflanzungstrieb stärker als der Spieltrieb (so, ab der Pubertät)?

    PS: Dein Kommentar, FF, macht da wirklich keine Ausnahme :-)

  10. Vor seinem letzten Album hat uns Yoko auch nicht geschützt…

    John Lennons Biographie ist bekanntlich komplex: ohne Vater aufgewachsen, seine Mutter wurde vor seinen Augen überfahren (in diesem Song thematsiert) – und Yoko Ono war älter als er (was vor 40 Jahren noch schräger angesehen wurde als heute).

    Es hat in meinen Augen weder mit Erwachsenwerden noch mit Ignoranz zu tun. Die in den Antworten eingeworfenen Hormone halte ich auch für nebensächlich.
    Ich denke, gefühlte Heimkehr/Heimat/Hafen trifft es eher. Diese Beziehung ist es – keine andere! Und sie hinterlässt eben auch fraglose und vor den Kpof verstoßene Kumpels und Freunde. Etwas, was der Irritierende, Verletzende nicht beabsichtigt hat. Wofür er sich vielleicht auch schämt, ohne es ausprechen zu können.
    Es ist etwas, was sich eben rational nicht erklären lässt. So wie es auch die Sandkastenliebe gibt, die die guten Freunde nicht ignoriert oder vergisst, weil es sie deswegen wahrscheinlich nicht gegeben hat.
    Beiden gemein ist vielleicht der Paarungswille. Das Zueinandergehörigkeitsgefühl, bis das der Tod sie scheidet, bzw. der Glaube daran.

    Ließe sich im menschlichen Miteinander alles erklären oder sogar beheben, wären wir viel weiter. Da das aber nicht möglich ist, wird auch so eine interessante Frage wie Deine, Trainer, unbeantwortet bleiben.
    Aber sie regt zum Nachdenken an.

    Danke dafür!

  11. Es ist etwas, was sich eben rational nicht erklären lässt.

    Sehr romantisch zwar, aber ich hoffe doch falsch. Wäre doch schlimm, wenn die Wissenschaft an so vergleichsweise kleinen Rätseln schon scheiterte.

    Ansonsten bin ich natürlich sehr angetan, dass Dir der Text so gefällt. Er war eigentlich tatsächlich mehr mit dem Fokus darauf, dass Lennon Fußball spielen oder gucken mit Freunden als Metapher für seine Verwandlung nimmt. Was Ihr hier draus gemacht habt, ist aber dann doch was Anderes, was mir aber ebenso gefällt. Auch wenn es FF nicht gefällt. Da muss er durch.

  12. Ach und Paul und die Wings. Ja, da sieht hört man doch sehr schön, welches John’sche Element seinen Kompisitionen fehlte, nicht wahr?

  13. Manfred Manfred

    Über das ob und was und wie sehr usw wurde sich schon endlos diskutiert, Trainer, aber ich finde, dass sich Ram und Band on the Run nicht wirklich vor Harrisons All Things Must Pass (was ich für das mit weitem Abstand beste Solowerk aller Ex-Beatles halte) sowie Lennons John Lennnon/Plastic Ono Band und Imagine (minus Oh Yoko!) verstecken müssen.
    Gut, mein Lieblingssong dieser Zeit ist von Lennon: #9 Dream.

    Und was die Metapher und so angeht: all things must pass.
    Stimmt schon.

  14. Kiezkanone Kiezkanone

    Die eigentliche Frage, die ich mir nach dieser Ausführung stelle, ist, ob es wirklich möglich ist, eine echte Leidenschaft komplett für eine andere aufzugeben. Ich bin glücklich verheiratet und kann es mir wirklich nicht schöner vorstellen. Aber mich für immer und ewig freiwillig(!) vom Stadion, Fußballspielen, Fußballgucken fernzuhalten – womöglich noch kombiniert mit totalem Desinteresse am Spieltags-Ergebnis meiner Mannschaft – erscheint mir doch etwas unrealistisch :-)

    Fazit: Lennon liebte den Fußball nicht und hat uns nur für eine blumige Metapher missbraucht.

  15. Weil wir hier alle so schön über die Dörfer gehen, möchte ich noch einen Filmtip aus den frühen achtziger Jahren loswerden, in dem es um Fußball, Pubertät und Hormone geht. Eine Geschichte, die auf halber Strecke zwischen Glasgow und Edinburgh spielt: „Gregory’s Girl“. Kommt ganz ohne die Beatles aus. Kritikermeinungen: http://www.rottentomatoes.com/m/gregorys_girl/ Gibt’s offensichtlich nicht synchronisiert. Was gut ist: Der schottische Akzent der (jungen und nicht sehr routinierten) Schauspieler macht alles noch reizvoller.

  16. Wäre doch schlimm, wenn die Wissenschaft an so vergleichsweise kleinen Rätseln schon scheiterte.

    Kleines Rätsel?
    Die Wissenschaft kann vieles erklären, aber mit zwischenmenschlichen Phänomenen tut sie sich schwer. Biochemisch lässt sich einiges beheben; Psychiatrie und Pharmazie machen da Fortschritte – es gibt inzwischen sehr viele Antidepressiva. Aber wie ein Individuum, das jeder Mensch ist, wirklich tickt, werden sie nicht herausfinden. Deswegen wirken auch nicht alle.
    Aber Lizarazus Watschn für Matthäus ist bis heute eher ein emotionales Phänomen; oder um es konkret zu machen: es hat mit Sympathie – Antiptahie zu tun. (Das schließt nicht aus, daß das Gros der hiesigen Leser, mich eingeschlossen, glaubt, die Ohrfeige logisch erklären zu können.)

    Manche versuchen, die Wissenschaft mittels Astrologie zu überlisten und sind redlich bemüht, eben diese als Wissenschaft zu verkaufen. In ihren Kreisen finden sie dafür sicher reichlich Anhänger. In der Wissenschaft und – Obacht! – breiten Öffentlichkeit nicht.

    Aber warum – um mal den Spieß umzudrehen – dem Mann die besten Freundinnen der Holden unsympathisch sind, lässt sich rational nicht erklären. Es gibt mindestens ebenso viele Frauen, die für ihre Beziehung/Ehe ihren Freundeskreis aufgeben.

    Es ist ein großes Rätsel.

    Größer als die Frage, warum John Lennon dem Fußball wohl nichts abgewinnen konnte.

    Woran ich übrigens noch knabbere: dem Playboy. (Ich war wohl zu jung, als man das Magazin vor allem wegen seiner »guten Interviews« las.)

  17. Das besagte Playboy-Interview war das letzte, das Lennon gegeben hat, und das ausführlichste in seiner Karriere. Die deutsche Fassung wäre beinahe nicht erschienen (und ist gegenüber der Originalversion gekürzt), weil die Redaktion die Frage erörterte, ob man einen Verblichenen zu Wort kommen lassen kann. Interviews hatten damals einen anderen Stellenwert. Sie waren etwas ganz Besonderes und wurden auch entsprechend geführt. Über mehrere Stunden. Manchmal verteilt auf mehrere Tage. Kosten spielten keine Rolle. So wie das besagte Magazin heute nichts mehr mit dem von einst zu tun hat, so hat auch die Interview-Fimmel von heute nichts mehr mit dem zu tun, was mal absoluter Anspruch war. Das kann man nostalgisch bejammern oder auch nicht. Ich erzähl’s nur. Als Zeitzeuge.

  18. Also das letzte und somit das legendäre. Welches ich leider selbst nicht komplett lesen konnte. Wenn man die übrigen Interviews von ihm so erinnert, muss man da nicht unbedingt etwas verpasst haben. Aber vielleicht doch. Danke für die Einordnung des Wandels von Interviewherangehensweisen.

    Die Zweifel, die die Deutschen plagten, wirken mit dem Abstand von 30 Jahren vielleicht befremdlich. Man hätte aber wohl auch heute noch Bedenken, ein großes, umfassendes Interview z. B. einige Wochen nach Enkes Tod zu veröffentlichen. Hätte man nicht?

    Wobei bei Interviews mit Anspruch heute ja Einiges aus vergangenen Tagen online verfügbar sein müsste, zu Vergleichszwecken.

  19. Okay, damals war ich noch sehr jung. Ich war gerade acht Jahre alt, als John Lennon erschossen wurde.

    Ist es eine reine Kostenfrage, daß Interviews in der Form nicht mehr zelebriert werden?

    Man hätte aber wohl auch heute noch Bedenken, ein großes, umfassendes Interview z. B. einige Wochen nach Enkes Tod zu veröffentlichen. Hätte man nicht?

    Müsste man sie haben? Wenn ja, in welcher Form?

  20. Interviews im Printbereich waren früher etwas ganz Besonderes. Sie wurden nur von wenigen Zeitschriften geführt und publiziert. An ihren Inhalt und den notwendigen Aufwand wurden erhebliche Bedingungen gestellt. Zu den Bedingungen gehörte vor allem auch der Zeitaufwand, zu dem sich ein Gesprächspartner bereit finden musste. Das waren oft, wie schon gesagt, mehrere Stunden.

    Zu den Bedingungen gehörte aber auch, dass der Gesprächspartner einen besonderen Status haben und in der Lage sein musste, auf intelligente Fragen auch intelligent zu antworten. Banalitäten wurden nicht abgefragt und nicht veröffentlicht. Es gab (wenige) Interviewer, denen ein besonderes Talent nachgesagt wurde (Andre Müller zum Beispiel), wenn es um die richtige Mischung aus Einfühlungsvermögen und kritischer Haltung ging. In den Redaktionen, die was auf sich hielten, ließ man auch nicht einfach jeden Reporter los. Ich bekam zum Beispiel einmal einen erfahrenen Politikredakteur von der SZ an die Seite gestellt, der zugegebenermaßen seinen Anteil daran hatte, dass das Gespräch gehaltvoller und kontroverser wurde.

    Kommen wir damit zum Aufwand: Für so eine Handreichung bekam ein profilierter SZ-Redakteur irgendetwas von nördlich von 5000 Mark an Honorar aufs Konto. Das Abschreiben der Kassettenaufnahmen besorgte eine Sekretärin, das Zusammenbauen des Interviews aus einem dicken Stapel Papier (vier Stunden Interview) erledigte yours truly. Den langen Vorspann schrieb er auch. Zwei Flugtickets, eine Übernachtung im Hotel und ein Mittagessen in einem teuren Restaurant gehörten zu den Nebengeräuschen. Sowie Honorar für die Fotos. Gesamter Arbeitsaufwand effektiv (inklusiver innerredaktioneller Bearbeitung und Gegenlesen des Gesprächspartners): netto fünf Tage. Output im Heft: fünf Seiten Text.

    Dazu hat heute kaum eine Redaktion das Geld und die Manpower. Und ob das Resultat überhaupt dafür stände, wäre noch eine ganz andere Frage. Die potenziellen hochwertigen Gesprächspartner gibt es noch immer. Fußballspieler würde ich nicht dazu zählen.

  21. Vielen Dank für den Blick hinter die Kulissen von einst, Jürgen!

    In den Redaktionen, die was auf sich hielten, ließ man auch nicht einfach jeden Reporter los.

    Zurecht. Die vielen Talksendungen zeigen, warum.

    Die interessanten Persönlichkeiten gibt es immer noch (die ich auch nicht unbedingt im Fußball sehe) – und die meiden zurecht solche Sendungen, in denen sie mit einem Dschungelcamp-Teilnehmer und Richard-David Precht konkurrieren müssen. Aber die schleichende Verwässerung, an der allen Unkenrufen zum Trotz nicht nur »das« Internet schuld ist, der letzten Jahre und geschwundene finanzielle Möglichkeiten von Magazinen/Zeitungen tragen wohl dazu bei.

    Selbst Interviews wie dieses Spiegel-Gespräch mit Harry Rowohlt sind inzwischen eine Seltenheit.

    Ich habe eine Affinität für Interview-Formate, weil sie zwischen den Zeilen viel über Persönlichkeiten aussagen.

    Ich schweife ab. Der Hausherr möge es mir verzeihen und mich nicht mit Straftraining belegen.

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